Plus ohne Minus


Einladung zur neuen Homepage: burkhardbudde.de (ohne Minus!) Die alte Website ist an ihre Grenzen gestoßen (Ladezeiten und Mobile Optimierung). Deshalb werden alle Artikel von mir ab sofort auf der neuen Website burkhardbudde.de veröffentlicht.



Moment mal


Faszination Kirche


Kann die Kirche faszinieren?


Ein Mensch klopft im Traum an die Tür einer Hauskirche, die Schwarzbrot anbietet. Aber die religiösen Regeln und moralischen Überzeugungen sind für ihn knüppelhart. Und einige Brocken bleiben ihm im Halse stecken.


Dann klopft er an die Tür einer Nischenkirche, die Kuchen mit Sahne anbietet. Aber die schönen Dienstleistungen im 

religiös würdigen Rahmen befriedigen nicht wirklich seine Bedürfnisse. Er braucht auch seelische Nahrung für seinen 

Alltag.


Wenig später klopft er an die Tür einer Allerweltskirche, die ein traumhaftes Kuchenbuffet anbietet. Aber vergeblich hält er Ausschau nach etwas unverwechselbar Kostbarem. Er sucht Außeralltägliches, das mehr ist als nur eine Kopie von Originalen, die es auch anderswo gibt.


Schließlich klopft er an die Tür einer Behördenkirche, die unter dem Türschild „Kirche“ auf Öffnungszeiten hinweist. Aber er kann nicht warten, da sein Hunger nach Liebe, Freiheit und Gemeinschaft zu groß ist. Und eine Organisation mit Ämtern, Hierarchien, Gremien ist ihm unheimlich; Würdenträger scheinen ihm unnahbar, Funktionäre zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Und viele ihrer politischen oder moralischen Zensuren mag er auch nicht.


Da klopf jemand an seine Tür. Er wird wach, reibt sich die Augen und hört den Ruf Jesu „Ich bin das Brot des Lebens“. Er fragt sich: Ist das Hören und Vertrauen im Blick auf diese Stimme ein Türöffner, um seinen Hunger nach Sinn und Liebe, Gemeinschaft und Erneuerung im Leben zu stillen? 


Kann dieses geistliche Brot ihm Kraft schenken, Halt und Orientierung geben, ja rundumerneuern – in allen Krisen, Konflikten und Umbrüchen? So dass er gestärkt Verantwortung für sich selbst und den Nächsten, auch für „seine Kirche“ und „seine Mitwelt“ wahrnehmen kann?


Es wird ihm immer deutlicher: Nicht die Kirche rettet den Gottesglauben. Wohl aber kann die Stimme Jesu die Kirche retten - bewegen und erneuern. Als sich bewegende Institution und zugleich institutionalisierte Bewegung kann die Kirche Jesu Christi suchenden und fragenden, zweifelnden und ringenden, ja klopfenden Menschen Raum geben, möglichst glaubwürdig und empathisch. Damit die Faszination Grund-, Gottes- und Christusvertrauen geweckt wird - die Liebe zu Gott und den Menschen.


Burkhard Budde


Wait a minute



Fascination Church


Can the church fascinate?


In a dream, a person knocks on the door of a house church that offers black bread. But the religious rules and moral convictions are rock-hard for him. And a few lumps get stuck in his throat.


Then he knocks on the door of a niche church that offers cakes with cream. But the beautiful services in a religiously dignified setting do not really satisfy his needs. He also needs spiritual nourishment for his everyday life.


A little later he knocks on the door of a church that offers a fantastic cake buffet. But he looks in vain for something unmistakably precious. He is looking for something that is more than just a copy of originals that can be found elsewhere.


Finally, he knocks on the door of a church of authorities, which indicates opening hours under the door sign "Kirche". But he cannot wait, because his hunger for love, freedom and community is too great. And an organization with offices, hierarchies, committees is uncanny to him; dignitaries seem unapproachable to him, functionaries too busy with themselves. And he does not like many of their political or moral censorship either.


Someone knocks at his door. He wakes up, rubs his eyes and hears the cry of Jesus "I am the bread of life. He asks himself: Is hearing and trusting this voice a door opener to satisfy his hunger for meaning and love, community and renewal in life? Can this spiritual bread give him strength, support and orientation, even renewal - in all crises, conflicts and upheavals? So that he can take responsibility for himself and his neighbor, also for "his church" and "his fellow world"?


It becomes more and more clear to him: It is not the church that saves faith in God. But the voice of Jesus can save the church - move and renew it. As a moving institution and at the same time an institutionalized movement, the Church of Jesus Christ can give space to people who seek and ask, doubt and struggle, even knock, as credibly and empathetically as possible. So that the fascination of basic trust in God, God and Christ is awakened - the love for God and people.


Burkhard Budde


Moment mal


Echo des Herzens


Ein kleines Wort kann Türen öffnen. Es streichelt die Seele, entkrampft eine Beziehung und bewegt die Gefühle. „Danke“, flüstert das niedliche Mäuschen in das Ohr des sturen Querkopfes. Der strahlt plötzlich über beide Ohren und gibt seinem Enkelkind ein weiteres Stück Schokolade.


Allerdings wird das „Zauberwort“ schnell entzaubert, wenn es nicht ehrlich gemeint ist oder mit Berechnung daherkommt. „Der bedankt sich ja nur, damit ich weiter nach seiner Pfeife tanze“, spottet einer nach einem überschwänglichen Dankeswort hinter vorge haltener Hand.


Doch ein möglicher Missbrauch des Wortes „Danke“ sollte nicht den rechten Gebrauch verhindern.


Denn vergessener Dank führt schnell in den leeren Raum 

eines kühlen Anspruchsdenkens, maßloser Forderungen und zu „Selbstverständlichkeiten“, die nicht selbstverständlich bleiben müssen. Demgegenüber öffnet ein Echo des dankbaren Herzens auf etwas Schönes, Gutes, Wahres, Hilfreiches oder Überraschendes die Tür zum Raum wachsenden Vertrauens einer Beziehung.


Undankbare Menschen machen sich das Leben selbst schwer, werden häufig einsam und verbittern immer mehr. Dankbare Menschen ohne schlechte Hintergedanken und ohne gleichgültige Kopflosigkeit jedoch geben sich selbst und anderen neuen Sauerstoff, der eine Beziehung belebt und 

bewegt.


Dankbare Köpfe, die mit dem Herzen denken, können sogar visionäre Weiterdenker sein: 


Ist meine Lebenszeit nicht einmalig? Jedoch stets gefährdet und vergänglich? Nicht einfach wiederherstellbar, vermehrbar 

oder einklagbar? Und deshalb so kostbar?


Ist meine Lebenszeit nicht ein einzigartiges Geschenk? Da ich mir das Leben nicht selbst gegeben habe? Meine Eltern, den Zeitpunkt, den Ort meiner Geburt nicht selbst ausgesucht habe? Da ich seit meiner Geburt stets auf Unterstützung anderer angewiesen bin und bleibe?


Und könnte es nicht sein, dass der Geber meiner Lebenszeit mir aufgegeben hat, vor ihm und mit ihm, vor dem Nächsten und mit dem Nächsten mein Leben zu bedenken und zu durchdenken, den Umgang mit der Gabe zu beantworten und zu verantworten – nicht leichtsinnig, auch nicht panisch, aber in Vernunft und in Liebe, im verantwortlichen Einsatz persönlicher Freiheit und in gegenseitiger Rücksichtnahme?!


Und könnten diese Fragen nicht Klopfzeichen an die Tür des Glaubens sein, die von innen her – vom Geist Gottes selbst – geöffnet wird, um in den Raum eines glücklichen Lebens zu gelangen?!


Burkhard Budde


(veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt am 24.19.2020 in 

Ostwestfalen und Lippe)


Wait a minute


Echo of the heart


A small word can open doors. It caresses the soul, relaxes a relationship and moves the emotions. "Thank you," whispers the cute little mouse into the ear of the stubborn pigheaded man. He suddenly beams over both ears and gives his grandchild another piece of chocolate.


However, the "magic word" is quickly disenchanted if it is not meant honestly or comes with calculation. "He only thanks me so that I can continue to dance to his tune," mocks one after an exuberant word of thanks behind his back.


But a possible misuse of the word "thank you" should not prevent its proper use.


For forgotten thanks quickly lead into the empty space of a cool sense of entitlement, excessive demands and "self-evident things" that do not have to remain self-evident. In contrast, an echo of the grateful heart for something beautiful, good, true, helpful or surprising opens the door to the space of growing trust in a relationship.


Ungrateful people make life difficult for themselves, often become lonely and embittered more and more. Thankful people without bad ulterior motives and without indifferent headaches, however, give themselves and others new oxygen, which enlivens and moves a relationship.


Grateful minds who think with the heart can even be visionary thinkers:


Isn't my lifetime unique? Yet always endangered and fleeting? Not easily recoverable, reproducible or enforceable? And therefore so precious?


Is my lifetime not a unique gift? Because I have not given myself life? My parents, the time, the place of my birth not chosen by myself? Because since my birth I have always been and remain dependent on the support of others?


And could it not be that the giver of my lifetime has given me the task to think and think through my life before him and with him, before my neighbor and with my neighbor, to answer and take responsibility for the handling of the gift - not recklessly, not panicky, but in reason and in love, in responsible use of personal freedom and in mutual consideration?


And couldn't these questions be knocking signs at the door of faith, which is opened from within - by the Spirit of God Himself - to enter the space of a happy life?


Burkhard Budde


(also published in the Westfalen-Blatt on 24.19.2020 in Ostwestfalen and Lippe)

      


Helmstedt – Zeuge einer großen Zeit, die begeistert

Von  Burkhard Budde


Begeisterte können begeistern. 

Zum Beispiel Meike Jenzen-Kociok, die seit 1994 als Buchhändlerin im „Herzen Deutschlands“ tätig ist und Führungen durch die kleine Stadt mit großer Geschichte anbietet. Sie ist von den Reizen der Stadt Helmstedts, die zwischen Elm und Lappwald bzw. dem nördlichen Harzvorland und dem Norddeutschen Tiefland liegt, begeistert. Und immer noch fasziniert von den über 400 Professoren- und Fachwerkhäusern aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die das Stadtbild Helmstedts prägen und häufig mit informativen Gedenktafeln und beeindruckenden Fassaden gestaltet sind. 

In der Tat öffnet die reizvolle Universitätsgeschichte der Stadt, die der Besucher beim Anblick des „Juleums“, des Aulagebäudes der ehemaligen Universität im palastartigen Renaissancestil aus den Jahren 1592 bis 1597 zunächst nur erahnen kann, die Tür zur älteren deutschen Geistesgeschichte.

Herzog Julius zu Braunschweig und Lüneburg, Fürst von 

Braunschweig-Wolfenbüttel (1528-1589) hatte 1570 das Pädagogikum in Gandersheim gegründet. Diese Musterschule für die Ausbildung von Geistlichen wurde 1574 nach Helmstedt verlegt, zu einer Hochschule erweitert und konnte 1576 als protestantische Universität „Academia Julia“ eingeweiht werden. 1568 hatte Herzog Julius die Reformation im Herzogtum Braunschweig eingeführt und strebte daraufhin eine neue Führungsschicht mit Theologen, Juristen, Medizinern und Lehrern im neuen Glauben an.


Erbprinz Heinrich Julius (1564-1613) wurde im Alter von 12 Jahren der erste Rektor und zugleich auch Student der neuen Universität. Vom damals bedeutendsten deutschen Baumeister Paul Franke aus Weimar wurde das schönste Universitätsgebäude seiner Zeit im Stil der Renaissance geschaffen. Schnell entwickelte sich mit zunächst vier Theologen, fünf Medizinern, sechs Juristen und neun Philosophen sowie 15 000 Studenten, die bis zum Jahr 1635 eingeschrieben waren, ein geistiges Zentrum mit überregionaler Bedeutung - die Nummer drei hinter Wittenberg und Leipzig  im Blick auf die Besucherzahl. In Deutschland gab es damals 18 Universitäten.


Nach Helmstedt, eine damals 3000 Bürger zählende Stadt, – in das „Athen der Welfen“ (Platons antike philosophische Akademie wird auch als Mutter aller Universitäten bezeichnet) - kamen protestantische Studenten von den Niederlanden bis zum Baltikum. Die Studenten wurden gegen Entgelt  - ein „Zubrot“ für die Professoren - in Professorenhaushalten untergebracht.


Bekannte Persönlichkeiten wirkten in Helmstedt; zum Beispiel der Humanist Johannes Caselius (1533-1613), der eine Schule der Philosophie gründete; der Theologe Georg Calixt (1586-1656), der als Wegbereiter der Ökumene gilt; der Mediziner und Publizist Hermann Conring (1606-1681), der als Begründer der Wissenschaft der deutschen Rechtsgeschichte angesehen wird; der italienische Philosoph und Dominikanermönch Giordano Bruno (1548-1600), der die Lehre des Kopernikus – die Erde dreht sich als Planet um die eigene Achse und bewegt sich wie die anderen Planeten um die Sonne - vertrat und deshalb im Jahr 1600 als Ketzer auf einem Scheiterhaufen in Rom ermordet wurde.


Auch Studenten, die später berühmt wurden, waren auf dieser Universität mit anerkannten Professoren, die sich zudem durch eine praxisnahe Ausrichtung der Lehre auszeichnete sowie durch erste gedruckte Vorlesungsverzeichnisse; zum Beispiel der Physiker Otto von Guericke aus Magdeburg (1602-1686), der insbesondere durch seine Experimente zum Luftdruck mit den Halbkugeln bekannt wurde; der Mathematiker und Astronom Carl Friedrich Gauß aus Braunschweig (177-1855), dem „Ersten unter den Mathematikern“.


Kaiser Napoleon Bonaparte (1769-1821) ließ in der napoleonischen Ära (1806-1813) bzw. im neu geschaffenen Königreich Westfalen, das sein Bruder Jérôme regierte, durch eine Verfügung in Paris im Jahre 1809 die Universitäten Helmstedt und Rinteln aufheben, die sein Bruder dann 1810 besiegelte. Offensichtlich sollte nicht nur Geld gespart, sondern auch das Geistesleben in Deutschland geschwächt werden.


Etwa 233 Jahre bestand die Universität. Geblieben sind die Bibliothek mit etwa 35 000 historischen Titeln (viele Werke sind nach der Auflösung in die herzogliche Bibliothek nach Wolfenbüttel gekommen), ein Kreis- und Universitätsmuseum, Gebäude und Werke, glanzvolle Steinmetzarbeiten im Spätrenaissancestil von unschätzbarem Wert. In Erinnerung bleiben auch Namen von Wissenschaftlern, die Programm sind, Weichen gestellt haben, auf deren Rücken die Nachwelt steht, die die Gegenwart deshalb besser verstehen und weiter – besonnener und demütiger - in die Zukunft sehen kann. Und Wilhelm Raabe (1831-1910), der mehrere Jahre in Wolfenbüttel lebte, hat mit seiner Novelle „Die alte Universität“ (1858) die bedeutende Universitätsgeschichte literarisch festgehalten.

Begeistert von Helmstedt ist auch Regionalhistoriker Manfred Gruner aus Bad Harzburg. Zum begeisternden Gesicht der Stadt zählt er das Rohr`sche Renaissancehaus mit seinen faszinierenden Schnitzereien am Markt (Papenberg 2), in dem Herzog Julius bei seinen Besuchen wohnte und das als Hoflager des Herzogs diente. Dort können offene Augen auf Entdeckungsreise gehen: Die Wappen u.a. von Herzog Heinrich d.J. und Herzog Julius. Aber auch die allegorischen Darstellungen der sieben freien Künste – Lehrfächer der philosophischen Fakultät - Rhetorik, Geometrie, Dialektik, Arithmetik, Musik, Astronomie, Grammatik wecken die Phantasie des Betrachters. Und die Pietas („Frömmigkeit“) ist zusätzlich eingefügt. Zum schönsten Fachwerkhaus in Helmstedt aus dem Jahr 1567 gehören auch Frauengestalten, die Tugenden und Laster symbolisieren sowie religiöse öffentliche Bekenntnisse (übersetzt): „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Wenn du dem Herrn deine Werke anvertraust, so werden deine Planungen gesegnet sein. Im Jahre des Herrn 1567“.


Der Helmstedter Historiker und Herausgeber eines Magazins, Henning Schwannecke, ist zudem begeistert von den Lübbesteinen, die ältesten vorgeschichtlichen Denkmäler der Region, Begräbnis- und Kulturstätten, die zwischen 3500 und 3000 v. Chr. westlich vor Helmstedt angelegt worden sind. Er nennt zudem die Paramentenwerkstatt im Helmstedter Kloster St. Marienberg, die von Mechthild von Veltheim geleitet wird, wo der Funke der Begeisterung für Handwerkskunst überspringen kann. Ferner sollte das im Jahr 1994 eröffnete Zonengrenz-Museum in Helmstedt aufgesucht werden - ein Ort des Gedenkens an das „Tor im eisernen Vorhang“ sowie an die Brücke zwischen Ost und West. Und die Klöster Ludgeri, Marienberg, Mariental, die Kirchen der Stadt und der Hausmannsturm geben spannende Einblicke in eine fremde Welt, die bis heute prägende Spuren hinterlassen haben.

Helmstedts Bürgermeister Wittich Schobert ist stolz auf seine „Bildungsstadt“ mit früherer Universität sowie mit der ersten Lateinschule Deutschlands, die von der Bürgerschaft ab 1362 geführt wurde. Das Thema „Bildung“ sei noch heute eine der Visitenkarten Helmstedts. Und die gegenwärtigen Stärken der Stadt? Jetzt ist der Bürgermeister in seinem Element und beschreibt die „Zentralität“ (die zentrale Lage mit guten Verkehrsanbindungen), das „Wachstum“ (durch Zuzug bleibt die Einwohnerzahl stabil) sowie die „wirtschaftliche Entwicklung“ (es gibt mehr Berufseinpendler als Auspendler; die Stadt kann sich zwischen den Oberzentren Wolfsburg, Braunschweig und Magdeburg als eigenständiger und unabhängiger Wohn-, Handels- Dienstleistungs- und Gewerbeort besser „positionieren“, wobei die gemeinschaftliche Entwicklung von Landkreis und Kommunen „für alle gut ist“). Und im Jahr 2022 wird zum Beispiel mit der Ansiedlung eines bekannten Internetbetriebes gerechnet.


Ein Tourist, der Helmstedt nur im schnellen Tempo konsumiert, kehrt beeindruckt nach Hause zurück. Ein Besucher jedoch, der die Sehenswürdigkeiten bewusst wahrnimmt und historisch nachzuempfinden versucht, wird von der Stadt fasziniert berichten. Denn der Genius loci, der Geist des Ortes, begeistert durch historische Bildung, in der Wahrnehmung, Information, Kenntnis und Deutung zum Erlebnis verschmelzen.   


(Veröffentlicht im Wolfenbütteler Schaufenster am 25.10.2020)



Moment mal


Vergebung auf Augenhöhe III


Der Praxistest steht immer bevor. „Ich bin vergebungsbereit“, sagt eine Person. Aber was heißt das konkret? Löst sich diese positive Grundhaltung im Konfliktfall auf – wie eine schöne Brausetablette im Wasser?


Wie bei einer Person mit zornig blickenden Augen, die sich als „Opfer“ fühlt und den „Täter“ beleidigt und schlechtmacht. Oder die mit zugekniffenen Augen wahllos und undifferenziert alles – auch Unappetitliches – in einen Topf wirft. Und plötzlich alte Kamellen aufs Butterbrot schmiert, die in keinem Zusammenhang mit der aktuellen Situation stehen. Oder die allen – auch sich selbst – Sand in die Augen streut, weil (Selbst-)Täuschungen wohl „Enttäuschungen“ erträglicher machen. Oder die den Stachel im Auge des Anderen „glasklar“ sieht, aber den Dorn im eigenen Auge „geflissentlich“ übersieht. Oder die mit offenen Augen lächelt, aber eiskalt nachträgt und dadurch die eigene Seele vergiftet – obwohl man „natürlich“ vergebungsbereit ist.


Leider gibt es kein Rezeptbuch der Vergebung für alle Fälle. Auch Alleswisser und Allesversteher können keine einfache Lösung in einem konkreten Konflikt aus dem Hut zaubern.

Wohl aber scheint Jesus mit seiner Botschaft von der Vergebung in einem wichtigen Punkt Recht zu haben: Wer in der Gewissheit lebt, dass der liebende Schöpfer bedingungslose Neuanfänge schenkt, kann auch sich selbst und seinen Mitgeschöpfen leichter Neuanfänge ermöglichen – trotz oder gerade wegen aller Unzulänglichkeit, Fehlerhaftigkeit und Vorläufigkeit.


Vielleicht auf dem Weg mit mehr Empathie, um Gefühle, Absichten und die konkrete Situation besser verstehen zu können, ohne gleich ins Wort zu fallen, zu beurteilen oder zu verurteilen. Damit begründetes Vertrauen wieder wachsen kann.


Um sich dann auf Augenhöhe – mit gegenseitiger 

Wertschätzung, Fairness und Wahrhaftigkeit – wieder in die Augen zu sehen. Damit mit empathischer und zugleich argumentativer Klarheit im Kontext gesprochen werden kann – mit dem Versuch einer gemeinsamen Lösung bzw. eines nachhaltigen Kompromisses.


Auf jeden Fall – so Jesus - lädt der Schöpfer, der seine Geschöpfe mit liebenden Augen sieht und ihnen Freiheit sowie Verantwortung zutraut, zum Fest gemeinsamen Lebens ein.

Burkhard Budde


Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt am 17.10.2020 in Ostwestfalen und Lippe


Wait a minute


Forgiveness at eye level III


The practical test is always imminent. "I am ready to forgive," says one person. But what does that mean in concrete terms? Does this positive basic attitude dissolve in case of conflict - like a nice effervescent tablet in water?


Like a person with angry eyes who feels like a "victim" and insults and bad-mouths the "perpetrator". Or who, with her eyes closed, randomly and undifferentiatedly lumps together everything - even the unappetizing - in one pot. And suddenly old slats are smeared on the bread and butter that have no connection to the current situation. Or which throws sand into the eyes of everyone - including oneself - because (self-)deception probably makes "disappointments" more bearable. Or who sees the sting in the other person's eye "crystal clear", but "deliberately" overlooks the thorn in her own eye. Or who smiles with open eyes, but bears it coldly and thereby poisons one's own soul - although one is "naturally" ready to forgive.


Unfortunately there is no recipe book of forgiveness for all cases. Even omniscientists and omniscientists cannot conjure a simple solution out of a hat in a concrete conflict.


However, Jesus seems to be right in one important point with his message of forgiveness: The one who lives in the certainty that the loving Creator gives unconditional new beginnings can also make new beginnings easier for himself and his fellow creatures - despite or even because of all inadequacy, faultiness and temporaryity.


Perhaps on the way with more empathy, in order to better understand feelings, intentions and the concrete situation, without immediately speaking out, judging or condemning. So that justified trust can grow again.


In order to then look each other in the eye again at eye level - with mutual appreciation, fairness and truthfulness. To be able to speak with empathic and at the same time argumentative clarity in context - with the attempt to find a common solution or a sustainable compromise.


In any case - according to Jesus - the Creator, who sees his creatures with loving eyes and entrusts them with freedom and responsibility, invites us to a celebration of life together.


Burkhard Budde

 

Published also on 17.10.2020 in the Westfalen-Blatt in East Westphalia and Lippe


Liebenburg – Ort mit überraschendem Fingerzeig

Von Burkhard Budde


Im Harzvorland zwischen Goslar und Salzgitter sowie in der Nähe von Wolfenbüttel gibt es einen kleinen beschaulichen Ort, der jedoch Niedersachsengeschichte geschrieben hat. Die Rede ist von der Gemeinde Liebenburg mit einem Schloss, das der Fürstbischof Clemens August von Hildesheim (1700 bis 1761) ab 1754 als barockes Jagd- und Sommerschloss errichten ließ und zu dem eine Barockkirche gehört.

Zuvor stand auf dem Burgberg die „Lewenburg“, die der Bischof Siegfried der II von Hildesheim 1292 bauen ließ, um sein Bistum gegen die Herzöge von Braunschweig und Wolfenbüttel zu schützen. Die damals stärkste Burg im Harzvorland erlebte verschiedene Herrschaften - neben den Hildesheimer Bischöfen den Herzog Heinrich den Jüngeren von Braunschweig-Wolfenbüttel, der auf der Burg seine Geliebte Eva von Trott in den Jahren 1541 bis 1542 versteckte, aber auch im Dreißigjährigen Krieg die Feldherren Wallenstein und Tilly, die die Burg längere Zeit als Hauptquartier nutzten. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts zerfiel die Burganlage immer mehr; heute sind noch drei ehemalige Wehrtürme zu sehen sowie einige Burgmauern und ein alter Burggang.

Als einer der schönsten Aussichtstürme des nördlichen Harzvorlandes gilt der Hausmannsturm mit Blick auf den Brocken.


Auch wegen der Schlosskirche lohnt sich ein Besuch Liebenburgs. Der Barockmaler Joseph Gregor Wink, 1710 in Deggendorf in Niederbayern geboren und 1781 in Hildesheim gestorben, hat die Schlosskapelle 1758 mit Fresken – u.a. Episoden aus dem Leben des Heiligen Clemens, der von 88 bis 97 nach Christi Papst von Rom war - so plastisch und präzise sowie farbenprächtig und leidenschaftlich glühend gestaltet, dass sie zum Staunen Anlass gibt. Es existiert wohl kein weiterer Freskenmaler dieser Qualität in der norddeutschen Kunstszene des 18. Jahrhunderts. Die Schlosskirche „Mariä Verkündigung“ ist heute zugleich katholische Pfarrkirche, wird liturgisch genutzt und atmet wie im 18. Jahrhundert die besondere Nähe des Himmels auf Erden.


Eine weitere Rarität im erlebbar spirituellen Kontext sind die Werke des Malers und Grafikers Gerd Winner, der 1974 das Schloss Liebenburg als Wohn- und Künstlerhaus erworben hat, nachdem es 17 Jahre lang leer gestanden hatte. Als Gerichtsgebäude mit Gefängniszellen diente das Schloss bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. Nun wirkt der Ehrenbürger von Liebenburg in Liebenburg und darüber hinaus.

Seine Biografie  – er ist Zeitzeuge des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges in Europa - erzählt spannende Geschichten und gehört mit seinen vielfältigen Werken bereits zur Kunstgeschichte u.a.  mit seinen Grafikzyklen „London Transport“. „London Docks“, „Roadmarks“, „New York Times Square“, aber auch – gemeinsam mit seiner 1998 verstorbenen Frau Ingema Reuter - mit dem „Haus der Stille“ als begehbaren Raum zur Meditation und Reflexion auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Bergen-Belsen 1997; das „Haus der Stille“ wurde im Jahr 2000 zur Weltausstellung übergeben. 

In Braunschweig – hier 1936 geboren und zur Schule gegangen, besonders geprägt durch die Zerstörung der Heimatstadt 1944 - fand er in seinem Kunstlehrer Gottlieb Mordmüller ein Vorbild sowie einen Förderer. Von 1956 bis 1962 studierte er an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin bei Prof. Werner Volkert, wo er „hautnah“ den Kalten Krieg erlebte; anschließend war er freier Maler und Graphiker. 

In London lernte er die Siebdrucktechnik kennen; während eines Arbeitsaufenthaltes entstanden hier die Siebdruckserien bzw. die Grafikzyklen. In der Stadt Heinrichs des Löwen, wo ein Atelier für Siebdruck aufgebaut wurde, begann die Zusammenarbeit mit dem Siebdrucker Hajo Schulpius. 1972 erhielt Winner einen Lehrauftrag an der Münchner Kunstakademie; 1975 einen Ruf als Professor für Malerei und Graphik. 1974 hatte er das Schloss Liebenburg vom Land Niedersachsen erworben, um eine Siebdruckwerkstatt sowie sein Atelier aufzubauen. 

Das Pendeln zwischen seinen Arbeitsplätzen in Berlin und London sowie die Fahrten durch den „Korridor“ von Berlin in den Westen war auch wegen der Schikanen der DDR-Grenzbehörden immer schwieriger geworden.


Die Liebenburg wurde für ihn ein „Ruhepol“ bzw. eine „Fluchtburg“ und die Liebenburger Natur „Inspirationsquelle“, wenn er mehrere Wochen in New York gearbeitet hatte, und eine besondere „Wirkstätte“ gemeinsam mit dem Siebdrucker, wenn in München die vorlesungsfreie Zeit begonnen hatte, obwohl der Künstler auf die Metropolen als „geistige Quellen für Kreativität“ nicht verzichten möchte. Vor allem jedoch, so Gerd Winner im Gespräch, sei Religion eine „permanente Urkraft“ – wichtig für sein Wirken. Auch stehen Martina Winner, mit der er seit 1999 verheiratet ist sowie der Sohn Marian Maximilian, in der geschichtsorientierten, künstlerischen und spirituellen Tradition des anerkannten Künstlers.


Die Stahlskulpturen Winners, die seit 2009 im Schlosspark zu sehen sind, haben ihre Basis – ohne Sockel – direkt in der Natur. Und frisches, wachsendes Gras wird als Zeichen neuen Lebens sichtbar; das Material schafft die Verbindung zur Arbeitswelt. Vor allem jedoch sind es die nach oben gerichtete „Pfeile“, die als Symbol der Auferstehung verstanden werden können.



Oder eine kreisförmige Bodenskulptur, die ein vierteiliges Labyrinth zeigt, kann auf die vier Lebensphasen sowie auf die vier Evangelien, auf den „existentiellen Weg zu Gott“ (Winner) hinweisen. Darüber hinaus stehen die Skulpturen im Zusammenhang mit der internationalen Straße des Friedens von Paris nach Moskau und haben damit auch eine überregionale Bedeutung.


Oder in der stählernen „Himmelsscheibe“ am Hang des Parks - der aufgehenden Sonne entgegengerichtet - durchdringen sich in abstrakter Form Alpha und Omega, Zeichen von Anfang und Ende, so Winner, aber wohl auch von ewigem Leben, eine Hoffnung auf Neuanfänge ohne Ende - durch Gott und zu ihm hin.


Und seine Zeichnungen? In mehrschichtigen Reflektionen und Durchdringungen, erläutert Gerd Winner, verschmelzen die persönlichen Eindrücke und Erlebnisse mit den Folgen des Leidens. Und „in der Summe richten sich meine Anfragen zur Passion der Menschen direkt und indirekt an die Passion Christi“, gibt der Künstler zu bedenken.


Winner-Kunst mit religiösen Perspektiven gibt an vielen Orten - in Braunschweig (z.B. in den Dominikaner Kirchen St. Albertus Magnus), Salzgitter-Bad („Jakobsleiter“, „Schwerter zu Pflugscharen“), Wolfenbüttel („Turm der Technik“) und darüber hinaus.

Im Jahr 2002 gestaltete Gerd Winner den „Christuskopf“ an der Stirnseite des Altenpflegeheimes Bethanien in Braunschweig. „Wir haben vorher darüber gesprochen“, erinnert sich der Künstler im Gespräch mit dem Verfasser dieses Artikels, der ihn damals mit dem Vorstand in Liebenburg besucht hatte. Es sollte kein abstraktes Kunstwerk entstehen, sondern eines, das die Menschen mitnimmt, dass sie neu und persönlich anrührt, menschlich zu bleiben und in Bewegung versetzt. Damit in dem Haus der Diakonie christliche Nächstenliebe erfahrbar bleibt, mutige Schrittmacher der Liebe gestärkt werden sowie Spuren des Göttlichen und letzte Geborgenheit entdeckt werden können.

Winners verstorbene Frau Ingema Reuter hatte einen Entwurf des Christuskopfes angefertigt. Und Gerd Winner hat das Kunstwerk „posthum“ technisch, aber auch als „geistliches Programm“ vollendet.


Doch die Fragen an den Schmerzensmann, der mit seinem Geist der schöpferischen Liebe neues Vertrauen und Hoffnung schenken möchte, bleiben. Und der Betrachter muss die Botschaft angesichts von Konflikten und anderen Herausforderungen immer wieder neu entschlüsseln. 

Und der Künstler kann mit seiner Kunst dabei helfen – ohne pädagogischen Zeigefinger, wohl aber mit spirituellem Fingerzeig.


(Veröffentlicht auch  im Wolfenbütteler Schaufenster am 18.10.2020) 


Moment mal

Provozierender Neuanfang II


Fesselt der Neid? Verhindert der Tunnelblick Neuanfänge?


Der ältere Sohn ist stinksauer auf seinen Vater. Für seinen jüngeren Bruder, der aus der Ferne zurückgekehrt ist, wo er sein Erbe „mit Dirnen“ verprasst hat, wird zum Dank noch ein Fest ausgerichtet. (Etwa) mitfeiern? Nein, danke!


Der Vater ergreift – wie beim jüngeren Sohn – wieder die Initiative und versucht auch seinen älteren Sohn zum Mitfeiern zu überzeugen. Er erntet aber nur schwere Vorwürfe: Die Feier sei ungerecht. Für ihn, der seinem Vater viele Jahre lang gedient und auf ihn gehört habe, habe es nie eine Feier gegeben.


Wieder – wie beim jüngeren Sohn – reagiert der Vater überraschend: Er verurteilt auch ihn nicht, hält ihm keine Moralpredigt, redet ihm nicht ins Gewissen. Er lädt ihn vielmehr zum Nachdenken und Weiterdenken ein, ja zum spontanen Weit-Genug-Denken: „Du bist allezeit bei mir. Alles, was mein ist, ist dein.“

Und in der Tat: Wer in einer guten Gemeinschaft lebt, hat Halt, findet Sinn und kann gerade deshalb beweglich sein, sogar sich mitfreuen, mitfeiern. Wenn der verlorene Bruder wiedergefunden worden ist, vor allem noch lebt, wieder auflebt.


Was für ein Vater. Er befreit beide Söhne von ihren Fesseln – der Bindungsunfähigkeit („ Jüngerer Sohn“) und der Unbeweglichkeit („Älterer Sohn“).


Und dieser Vater erinnert an Jesus selbst, der diese Geschichte erzählt, der Tischgemeinschaft mit Zöllnern und „Sündern“ hatte und deshalb von den frommen Gutmenschen der damaligen Zeit heftig kritisiert wurde.


Und diese Botschaft ermutigt, die vielen Fesseln wie Neid und Angst, aber auch Verletzungen und „Ungerechtigkeiten“ zu sprengen, indem an die bedingungslose Liebe geglaubt wird, die die Freiheit wirklich frei macht und nur Neuanfänge kennt.

Burkhard Budde


(auch veröffentlicht im Westfalen-Blatt am 10.10.2020 in Ostwestfalen und Lippe)


Wait a minute


Provocative New Beginning II


Does envy captivate? Does tunnel vision prevent new beginnings?


The older son is furious with his father. In gratitude for his younger brother, who has returned from afar, where he has squandered his inheritance "with prostitutes," another celebration is held. Celebrate with them? No, thanks!


The father takes the initiative again - as with the younger son - and tries to convince his older son to join in the celebration. However, he only receives serious reproaches: the celebration is unjust. For him, who had served his father for many years and listened to him, there had never been a celebration.


Again - as with the younger son - the father reacts surprisingly: He does not condemn him either, does not preach morality to him, does not talk into his conscience. Rather, he invites him to reflect and think further, yes, to spontaneously think far enough: "You are with me always. Everything that is mine is yours."


And indeed: Whoever lives in a good community has stability, finds meaning, and precisely for this reason can be mobile, even join in the joy, celebrate. When the lost brother has been found again, above all still lives, revives.

What a father. He frees both sons from their fetters - the inability to bind ("Younger Son") and immobility ("Elder Son").


And this father reminds us of Jesus himself, who tells this story, who had table fellowship with publicans and "sinners" and was therefore severely criticized by the pious do-gooders of the time.


And this message encourages to break the many fetters like 

envy and fear, but also injuries and "injustices" by believing in unconditional love, which really makes freedom free and only knows new beginnings.

Burkhard Budde


(also published in the Westfalen-Blatt on 10.10.2020 in Ostwestfalen and Lippe)


Ja, Dankbarkeit

Artikel in DIE WELT

 

Dankbarkeit ist eine kostbare Mangelware, die leider häufig in Nischen der Kommunikation versteckt wird. Sie ist kein kostenloser Luxus, der einfach ins Schaufenster einer Begegnung gestellt wird. Sie sollte nicht als kostspielige Gegenleistung in einer Beziehung angesehen werden, berechnend oder kalkulierend sein. Als Echo des Herzens erinnert sie vielmehr an persönlich Wichtiges und sozial Bedeutsames und vergisst nicht das wahrhaft Gute und Richtige, das Nötige und Mögliche, das alle immer wieder im Leben als Gabe und Aufgabe empfangen.

 

Im Schlaraffenland gibt es Zauberwörter, aber keine Ernte. Im Land der fleißigen und tüchtigen Menschen wird gearbeitet, gesät sowie geerntet. Doch Wachstum und Gedeihen, das Überraschende und Nochkommende in der einmaligen Lebenszeit – viele Früchte des Lebens – sind nicht einfach machbar und vermehrbar, sondern nur als Geschenk dankbar annehmbar.

 

In Dankbarkeit der Autorin gegenüber, aber auch dem Geber aller guten Gaben - dem Schöpfer allen Lebens, der das Herz beschenkt und den Kopf sowie Hände bewegt.

 

Burkhard Budde

 

(Leserbrief, gekürzt erschienen in DIE WELT am 9.10. 2010 bezogen auf den Kommentar „Dankbarkeit ist ein großes Gefühl“ von Andrea Seibel am 5. 10. 2010) 


Moment mal

Überraschender Neuanfang I


Soll man (etwa) Dummheiten oder Ungerechtigkeiten vergeben? Größenwahn oder Minderwertigkeitsgefühle (einfach) verzeihen?


Eine neue Spur zeigt das Verhalten eines Vaters auf, der seinen beiden Söhnen, die glücklich sein wollen, vertraut und ihnen ohne Wenn und Aber die Freiheit über ihr eigenes Leben schenkt. Der jüngere Sohn sucht sein Glück durch einen maßlosen Egotrip in der Ferne, der ältere durch einen ängstlichen Anpassungstrip in der Nähe des Vaters.


Die Rede ist von der Geschichte vom „Guten Vater und seinen beiden Söhnen“, die Jesus erzählt hat und die im Lukasevangelium überliefert ist.


Der jüngere Sohn, der in der Ferne offenbar „Mist“ gebaut hat, erinnert sich an seinen „guten Vater“ und kehrt „reumütig“ zu ihm zurück. Als ihn sein Vater aus der Ferne sieht, läuft er ihm – in der damaligen Zeit eigentlich „unter der Würde“ eines Vaters – entgegen, fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Dann – nachdem sein Sohn sein Anliegen vorgetragen hat, nämlich nur ein normaler Mitarbeiter seines Vaters sein zu wollen – lässt der Vater ein Fest feiern. Und der Sohn erhält noch ein Festgewand („Ehrengast“!), einen Ring („Vollmacht“!) und Schuhe („Freier Mann“!). Denn, so begründet der Vater sein Verhalten, sein „verlorener Sohn“ sei tot gewesen, wiedergefunden und wieder lebendig geworden.


Was für eine Überraschung! Der Vater verstößt seinen Sohn nicht, rechnet nicht mit ihm ab, hält ihm keine Standpauke. Und stellt ihm auch keine Bedingungen. Er würdigt vielmehr seine freiwillige Rückkehr - weil er sich an ihn erinnert hat, ihm vertraut und zu ihm zurückgekehrt ist.


Die bedingungslose Annahme des Vaters ist das Ende der Flucht des Sohnes vor der Gemeinschaft mit dem Vater. Und der Anfang der Frucht, sich von den Fesseln der Bindungsunfähigkeit zu befreien, seine neu gewonnene Freiheit in Verantwortung vor dem Vater wahrzunehmen, der ihm einen Neuanfang schenkt.


Ob dieses Beispiel verfeindeten, verletzten oder voneinander entfremdeten Menschen hilft, einander zu vergeben oder zu verzeihen?


Vielleicht warten wir zunächst die Reaktion des älteren Sohnes ab, über die das nächste „Moment mal“ berichtet.


Burkhard Budde 


(Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt am 3. 10 2020 in Ostwestfalen und Lippe.)


Wait a minute

Surprising new beginning I


Should one (perhaps) forgive stupidities or injustices? Forgive megalomania or feelings of inferiority (simply)?


A new trace shows the behavior of a father who trusts his two sons, who want to be happy, and gives them freedom over their own lives without any ifs and buts. The younger son seeks his happiness through an excessive ego trip in the distance, the older one through an anxious adaptation trip near the father.


We are talking about the story of the "Good Father and his two sons", which Jesus told and which is handed down in the Gospel of Luke.


The younger son, who has obviously "messed up" in the distance, remembers his "good father" and returns to him "repentant". When his father sees him from a distance, he runs toward him - in those days actually "beneath the dignity" of a father - falls around his neck and kisses him. Then - after his son has expressed his wish to be just a normal employee of his father - the father has a party celebrated. And the son receives a festive garment ("guest of honor"!), a ring ("power of attorney"!), and shoes ("free man"!). For, so the father justifies his behavior, his "prodigal son" had been dead, found again and come back to life.


What a surprise! The father does not repudiate his son, does not settle accounts with him, does not give him a lecture. Nor does he impose any conditions on him. He rather appreciates his voluntary return - because he remembered him, trusted him and returned to him.


The unconditional acceptance of the father is the end of the son's flight from communion with the father. And the beginning of the fruit of freeing himself from the fetters of bondage, of exercising his newly won freedom in responsibility before the Father, who gives him a new beginning.


Will this example help people who are enemies, injured or alienated from one another to forgive or forgive each other?

Perhaps we will first wait for the reaction of the older son, which the next "Moment mal" will report about.


Burkhard Budde 


(Published also in the Westfalen-Blatt on 3. 10 2020 in East Westphalia and Lippe.)


Glück beglückt

Tag der Deutschen Einheit


Der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2020 macht Menschen glücklich, die unglücklich waren: Wer unter der DDR-Diktatur mit ihrer Willkürherrschaft, der Unfreiheit, dem Stacheldraht und Schießbefehl sowie sozialistischer Umerziehung gelitten hat, ist heute besonders dankbar für ein Leben in Würde, für gelebte Demokratie, echte Rechtsstaatlichkeit und unabhängige Medien.

Und an einem Tag wie diesem besonders glücklich.


Eine autoritäre Welt mit ideologischen Scheuklappen, totalitärem Denken, einer Angst- und Bespitzelungskultur gehört der Vergangenheit an, die aber besonders im Blick auf die Opfer der Verletzung der Menschenrechte noch perspektivisch aufgearbeitet werden muss. Denn wenn das Benennen von Unrecht unter den Teppich gekehrt oder politisch verharmlost wird, schafft man den Nährboden für neues Unrecht.


Es gibt nach der Wiedervereinigung keine heile Welt, aber eine heilbarere – als Daueraufgabe aller Demokraten, die die Gemeinsamkeiten mehr betonen als die Unterschiede, um das Unvollkommene und Unvollendete besser überwinden zu können – nicht um alles gleich zu machen, aber um das gleichwertig Unterschiedliche produktiv für das Ganze fruchtbar zu machen, um die Einheit in Vielfalt auf dem Fundament eines offenen Patriotismus im Geiste des Grundgesetzes anzustreben.

Der Brocken, der höchste Berg Norddeutschlands, der 28 Jahre militärisches Sperrgebiet war, ist immer noch Symbol dieser Sehnsucht – nach Freiheit und Weite, Begegnung und gemeinsamer Zukunft.

Auch Prof. Dr. Reza Asghari (r.) freute sich über die vielen fröhlichen Menschen auf dem „Vater Brocken“, die gemeinsam an die geglückte Wiedervereinigung dachten.

Burkhard Budde


Königslutter:

Wunderbarer Brunnen der Geschichte

Von  Burkhard Budde


Ein Blick lohnt sich: Kein flüchtiger, auf keinen Fall ein böser, auch kein gleichgültiger oder überheblicher. Aber ein neugieriger und kritischer Blick in wunderbare Brunnen spannender Geschichte und Geschichten ermöglicht immer wieder neue Entdeckungen in der Tiefe des Lebens, die man nicht so schnell vergisst.

Die Kleinstadt Königslutter, die am Nordrand des Elms liegt und das Tor zum Naturpark „Elm-Lappwald“ ist, bietet solche Brunnenerlebnisse.


Da ist zum Beispiel der Brunnen der Erd- und Naturgeschichte:


Im Geopark- Informationszentrum An der Stadtkirche 1 in Königslutter befindet sich eine Gesteinssammlung, die „steinreich“ ist. Der Kaufmann Otto Klages, gestorben 1982, hat sie – über zweitausend „erzählende Steine“ - 1972 seiner Vaterstadt Königslutter übergeben. Aus tiefer Ehrfurcht vor dem Leben, das Jahrmillionen im Kern der versteinerten Kruste eingeschlossen war, sammelte Klages leidenschaftlich Fossilien, Steine und Mineralien. Vor allem in der Landschaft zwischen dem Harz und dem Flechtinger Höhenzug wurde er fündig. Aus der Tiefe dieses „Brunnens“ konnte so die Vielfalt des Lebens vergangener Zeiten - 290 Millionen Jahre Erdgeschichte – das Licht der Gegenwart erblicken.

Ingrid Ehrlichmann, seit 10 Jahren ehrenamtliche Mitarbeiterin dieses Museum, das gleichzeitig das Eingangsportal zum UNESCO „Geopark Harz. Braunschweiger Land. Ostfalen.“ ist, weiß, dass es kaum ein vergleichbares Gebiet in Europa gibt. „Die Gegend ist einmalig. Die gesamte Erdgeschichte liegt vor den Füßen. Wir leben in dieser Region auf einem Schatz“, sagt die Naturliebhaberin mit leuchtenden Augen. Durch Salzaufstieg im Untergrund sowie durch Meeresvorstöße sei eine einzigartige Landschaft entstanden. Und ihr Lieblingsberg? Frau Ehrlichmann muss nicht lange nachdenken: „Das Naturschutzgebiet Heeseberg bei Jerxheim im Landkreis Helmstedt mit den Steinbrüchen, den Adonisröschen und der Hünenburg bei Watenstedt.“


Und bei diesem Lebensraum kann man sich vorstellen, dass Homo erectus und Homo sapiens – überhaupt die Vorfahren der Menschen aus der Steinzeit – ihre Spuren hinterlassen haben, etwa bei Salzgitter-Lebenstedt (50 000 Jahre altes Jägerlager der Neandertaler) oder bei Schöningen/Paläon 1 (Speere aus der Zeit vor 300 000 Jahren).


Ein weiteres Beispiel ist der Brunnen der Kultur- und Musikgeschichte:


Im Museum Mechanischer Musikinstrumente (MMM) Vor dem Kaiserdom 3-5 arbeitet seit 2004 Britta Edelmann als Museumsleiterin.

Die Sammlung von internationalem Rang informiert über 250 Jahre Geschichte mechanischer Musikinstrumente bzw. über ihre kulturgeschichtliche und technische Entwicklung. Stolz berichtet Frau Edelmann, dass alle etwa 235 Instrumente – darunter eine Spieluhr, die die Größe eines 1 Cent-Stückes hat und eine Karussellorgel mit einer Größe von 3X 4 Meter – „funktionieren und mit dem Klang vergangener Jahrhunderte die Ohren des Besuchers zum Besuch in eine fremde Musikwelt einladen.“  Im ausgehenden 18. Jahrhundert ließen Adel und vermögendes Bürgertum sich vor allem durch Flötenuhren unterhalten. In bürgerliche Wohnzimmer kamen kleine Walzenspieldosen, Tischdrehorgeln sowie erste elektrische Klaviere zum Einsatz. In privaten Salons und Vergnügungsetablissements waren Orchestrien beliebt, die ein ganzes Orchester zu imitieren versuchten. Und auf Jahrmärkten im 19. Jahrhundert hörte man Leierkästen bzw. Drehorgeln.

Auch die studentische Aushilfe im Museum, Anna Dziatzka (27), ist begeistert von der musealen Präsentation: „Große und kleine Ohren lernen, neu zu hören, die alte Zeit ohne Musikknopf im Ohr besser zu verstehen und die Gegenwart bewusster zu erleben“.


Der Regionalhistoriker Manfred Gruner aus Bad Harzburg erinnert an den Braunschweiger Kaufmann Jens Carlson, dem das Museum die einmalige Sammlung zu verdanken hat. Der hatte zunächst Kaufangebote aus Japan und den USA sowie aus Braunschweig, akzeptierte jedoch schließlich das Angebot aus Königslutter, um die ehemalige Wassermühle neben dem Kaiserdom zur neuen Heimat der Exponate zu machen.


Ein weiteres unverwechselbares Beispiel ist der Brunnen der Stadt- und Kirchengeschichte:


Der Kaiserdom – eigentlich die Stiftskirche St. Peter und Paul - gehört zu den bedeutendsten Bauwerken der Romanik in Deutschland. 1135 stiftete Lothar von Süpplingenburg - Herzog von Sachsen, 1125 König, 1133 Kaiser - ein Benediktinerkloster mit der Klosterkirche St. Peter und Paul als Grablege für sich und seine Familie sowie als Zeichen seiner Macht im Quellgebiet der Lutter. Als Lothar III zwei Jahre später starb, wurde er in einer unvollendeten Kirche beigesetzt. Erst um 1170 wurde der Bau unter seinem Enkel Heinrich dem Löwen fertiggestellt. Vor allem der nördliche Teil der klassischen romanischen bzw. kreuzförmigen Pfeilerbasilika mit seinen zehn Säulen, die ganz unterschiedlich gestaltet sind, gehört zu den Besonderheiten in Norddeutschland.


Und welche Überraschungen kann der Besucher beim Blick in diesen „Brunnen“ noch erleben?


Im Rahmen dieses Artikels können nur einzelne Entdeckungen geschildert werden:


Beim Blick auf das „Löwenportal“, dem Hauptzugang in die Kirche, fallen die reich verzierten Säulen auf, aber auch zwei Löwen; der linke mit einem menschlichen Opfer, das er fest in seinen Pranken hält; der rechte mit einem Widder, den er scheinbar schützt oder „nur“ festhält. Der König der Tiere – hier ein Symbol für brutale Macht oder für empathische Fürsorge?


Beim Blick auf den „Jagdfries“, eine 1135 von Steinmetzen aus Oberitalien aus der Schule des Baumeisters Nikolaus von Verona gestaltete Bildfolge an der Außenseite des Kaiserdoms, die den Kampf der Jäger mit den Hasen zeigt, fällt besonders die Szene in der Mitte der Apsis auf:

Zwei Hasen, die grimmig blicken, fesseln den Jäger, der eben noch den erlegten Hasen am Stock davon trug. Verdrehte Rollen? Wird der Jäger zum Gejagten, der Gejagte zum Jäger? Kann die Jagd nach Macht, Geld und Ruhm im Spannungsfeld von Himmel, Erde und Unterwelt überhaupt vom „gefesselten“ Menschen gewonnen werden? Gibt es Scheinsiege der starken Schwachen oder der schwachen Starken? Siegt am Ende der „Teufel“ in den Hasen oder der „Löwe von Juda“, Christus? Es bleibt eine rätselhafte Symbolik, die jedoch die Phantasie beflügelt.


Beim Blick auf die „Kaiserliche Grablege“, die mit ihrer barocken Grabplatte aus dem Jahr 1708 bzw. mit ihren Liegefiguren an Kaiser Lothar III (gest. 1137), an seinen Schwiegersohn Herzog Heinrich den Stolzen (gest. 1139) und an die Kaisergemahlin Richenza (gest. 1141) erinnert, fallen die Herrschaftszeichen wie Reichsapfel, Zepter und Krone auf. Und erinnern damit auch an die ehrgeizigen und unbedingten Machtansprüche einer vergangenen Zeit, in der es keine Demokratie oder Menschrechte gab, wohl aber viel Pioniergeist sowie einen von der Frömmigkeit geprägten Willen, Macht zu erhalten und zu vermehren, um sich im Brunnen der Geschichte zu verewigen, obwohl alles vergänglich und endlich ist und bleibt.


Beim Blick auf die „Kaiser-Lothar-Linde“, die auf dem Gelände des ehemaligen Klosterhofes – heute des AWO Psychiatriezentrums – steht und ein geschätztes Alter von 800 bis 1000 Jahren hat – vielleicht auch von Kaiser Lothar bei der Grundsteinlegung der Kirche selbst gepflanzt worden ist – fallen der Stammumfang von fast 13 Metern sowie die Krone mit einem Durchmesser von 30 Metern auf. Die Sommerlinde ist trotz des Alters „vital, kräftig im Wuchs und verzeichnet einen jährlichen Kronenzuwachs“, wie der Landkreis über das „einzigartige Naturdenkmal“ schreibt. Weckt dieser Lebensbaum nicht Ehrfurcht vor dem Alter, vor der Natur, vor dem Leben als Teil der Natur? Anlass zum Staunen und dem Schöpfer auf die Spur zu kommen?


Beim Blick auf das Mahnmal „Weg der Besinnung“, das im Berggarten westlich des Kaiserdoms zu sehen ist und 2002 vom Königslutteraner Bildhauer Günter Dittmann geschaffen wurde, fällt es dem aufmerksamen Besucher wie Schuppen von den Augen: Das Mahnmal soll nicht nur an die „Euthanasie“- Maßnahmen während der NS-Diktatur erinnern, bei den zwischen 1939 und 1945 mindestens 130 000 Kinder und Erwachsene ermordet wurden. Es soll die Verantwortung wecken, nie wieder wegzuschauen mitzuwirken, wenn wie ab 1934 in den damaligen Neuerkeröder Anstalten und in der damaligen Landes-Heil- und Pfleganstalt Königslutter kranke Menschen umgebracht wurden: „Wir wollen hinschauen, wenn Unrecht geschieht und uns einmischen.“ Ein Appell an die Menschlichkeit und Würde, der eine bleibende Bedeutung behält.


Fernab vom Trubel, von der Hektik und der Lautstärke kann man in Königslutter in viele „Brunnen“ schauen. Manfred Gruner nennt u.a. noch das dreigeschossige „Leidenfrosthaus“ mit zweigeschossigem mittigen Erkern auf hohen Säulen dem Jahr 1674, den Markt als Zentrum der Stadt mit Häusern aus dem 16. Und 17, Jahrhundert oder die Pfarrkirche St. Sebastian und St. Fabian hinter den beiden Rathäusern.


Brunnen können verschüttet, vergessen, versteckt oder ignoriert werden. Wunderbare Brunnen jedoch, die viel zu erzählen wissen, sind nicht nur ideale Orte der Stille, Treffpunkte von Gemeinschaften, sondern auch sprudelnde Quellen, aus denen neue Erkenntnisse und Einsichten sowie Erfahrungen geschöpft werden können. Und wer tief genug in die Tiefe eines solchen Brunnen blickt und geistig bohrt, kann sogar sich selbst, vielleicht auch neuen Lebenssinn entdecken.  


(veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster

am 4.10.2020)


Moment mal


Gefährliche Quallen


Im Meer tauchen plötzlich Quallen auf. Manche sind harmlos, andere giftig. Viele ekeln sich vor diesen hirnlosen Wesen, sind achtsam, um keine Bekanntschaft mit ihnen zu machen. Vorsorge ist ja auch besser als die Gesundheit zu gefährden.


Im Meer des Lebens gibt es auch „glibberige Schwimmer“, die zwar gefährlich, aber transparent und  kontrollierbar sind. Leider darüber hinaus „Quallen“, die unsichtbar, jedoch an Leib und Seele schmerzhaft erfahrbar sind, und sich schnell vermehren können.


Was tun? Ein Lachs antwortet: „Du übertreibst. Solche Quallen hat es schon immer gegeben.“ Ein Goldfisch erwidert: „Was nützt so ein Vergleich, wenn ich hier und jetzt vernichtet werde.“ Ein Haifisch meint: „Die Quallen sind doch harmlos, wenn man genau hinsieht. Und die Zahl der Opfer ist in unserer Umgebung erträglich.“ Eine Forelle widerspricht: „Weil fast alle von uns diszipliniert sind und Abstand von den Quallen halten, hat es noch keine Katastrophe gegeben.“ Und ein Hecht sagt: „Zahlen sind mir zu abstrakt, das individuelle Schicksal ist mir wichtiger.“


Viele machen sich Gedanken über die Quallen. Viele wünschen sich, nicht von Quallen getötet zu werden, besonders wenn sie vorsichtig gewesen sind. Viele ahnen jedoch, dass auch sie selbst bei aller Umsicht tödliches Opfer werden können. Und alle sehnen sich nach einem sicheren und friedlichen, freien und glücklichen Leben, ohne zu meinen, den anderen durch Selbstgerechtigkeit fressen zu müssen oder sich von ihm durch Selbstlosigkeit fressen zu lassen.


Quallen haben kein Gehirn und können nicht zur Verantwortung gezogen werden, wohl aber „quallenartige Menschen“, die das Gift der Unvernunft verspritzen und sich selbst sowie unschuldige Menschen gefährden.


Deshalb gilt für Menschen mit Gehirn und Herz: In den Stürmen des Lebens sind Bojen klugen Verhaltens, die im Recht verankert sind, lebenswichtig. Ebenfalls ein innerer Kompass der individuellen Würde, der die Eigenverantwortung und Rücksichtnahme stärkt. Auch unsichtbare Quellen des Glaubens, die dem Leben aller dienen. Weil sie immer wieder für frisches Wasser zuversichtlichen Grundvertrauens – auch neuen Gottvertrauens – sorgen. Und für verantwortungsvolle Vernunft im Einsatz gegen Quallen. Sowie für Fische, die noch nicht geboren sind.


Burkhard Budde


(veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 26.92020)

 

Wait a minute


Dangerous jellyfish


Jellyfish suddenly appear in the sea. Some are harmless, others are poisonous. Many are disgusted by these brainless creatures, are careful not to make any acquaintance with them. Precaution is better than endangering one's health.


In the sea of life there are also "slippery swimmers", which are dangerous, but transparent and controllable. Unfortunately, there are also "jellyfish" which are invisible, but painful to the body and soul, and can reproduce quickly.


What to do? A salmon answers: "You are exaggerating. Such jellyfish have always existed." A goldfish replies: "What good is such a comparison if I am destroyed here and now. A shark replies, "The jellyfish are harmless if you look closely. And the number of victims is bearable in our environment". A trout contradicts: "Because almost all of us are disciplined and keep distance from the jellyfish, there has not yet been a catastrophe." And a pike says: "Numbers are too abstract for me, the individual fate is more important to me."


Many people are concerned about the jellyfish. Many wish not to be killed by jellyfish, especially if they have been careful. Many suspect, however, that even they themselves can become a deadly victim, despite all caution. And all of them long for a safe and peaceful, free and happy life, without thinking that they have to eat the other person through self-righteousness or to let themselves be eaten by him through selflessness.


Jellyfish have no brains and cannot be held accountable, but they are "jellyfish-like people" who spray the poison of irrationality and endanger themselves and innocent people.

Therefore the following applies to people with brains and hearts: In the storms of life, buoys of wise behavior anchored in law are vital. Also an inner compass of individual dignity that strengthens personal responsibility and consideration. Also invisible sources of faith, which serve the life of all. Because they always provide fresh water of confident basic trust - also new trust in God. And for responsible reason in the fight against jellyfish. And for fish that have not yet been born.


Burkhard Budde


(also published in the Westfalen-Blatt in East Westphalia and Lippe on 26.92020)


Moment mal


Kluge Appelle


Sind Appelle immer nur heiße Luft, zu allgemein, zu unverbindlich? Oder wie Süßholzraspeln, um andere Menschen zu streicheln, vor allem zu gewinnen? Aber ohne allzu großen Erfolg?!


Bei manchen Mitmenschen gehen selbst dringende Appelle ins eine Ohr hinein und wenig später durch das andere Ohr wieder heraus. Wie bei einer Stichflamme gibt es beim Hören nur ein kurzes (Auf-)Flackern; dann ist alles wieder beim Alten.


Bei anderen Menschen entfachen flammende Appelle nur ein Strohfeuer: Gefühle werden zwar bewegt, aber trotz der anfänglichen Begeisterung dringen sie nicht tief, weit und lang genug ins Bewusstsein vor. Und können das eigene Denken nicht durchdringen.


Auch ist es möglich, dass unverbindliche Appelle einen geistigen Schwelbrand verursachen, der glimmt, aber nicht zum Brennen kommt. Weil der Hörer kein Vertrauen in den Appellierenden hat. Es fehlt einfach genügend Sauerstoff, Offenheit und Glaubwürdigkeit. Und vielleicht existieren auch schlechte Erfahrungen mit ähnlichen Appellen oder ähnlichen Appellierenden.


Klar, wer seine Ohren mit Vorurteilen zustopft, hört nichts. Und wer nur das hört, was er hören will, weil es ihn bestätigt, hört nichts Neues. Aber einmal ehrlich: Kann man nicht auch Appelle hören, die dem eigenen und fremden Leben dienen (könnten), die einleuchten, nachvollziehbar und damit notwendig sind?


Kluge Appelle an die Vernunft – den gesunden Menschenverstand – und zugleich an das Gewissen – an das menschliche Herz – können Not wenden. Sie entzünden gleichsam ein inneres Lagerfeuer, das die Kälte einer Seele erwärmt, die Dunkelheit des Geistes erleuchtet und träge Füße des sozialen Miteinanders bewegt.


Und die Liebeserklärung Gottes „Jeder Mensch ist unendlich geliebt“, die nicht täuschen oder überrumpeln will, kann durch notwendige Appelle an die Menschlichkeit und unantastbare Würde einen Flächenbrand  auslösen - politische Verantwortung sowie den Kampf um mehr Freiheit und Gerechtigkeit.


Burkhard Budde


(auch veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 19.9.2020)


Wait a minute


Clever appeals


Are appeals always just hot air, too general, too non-binding? Or like sweet talk to caress other people, especially to win? But without too much success?!


In some people, even urgent appeals go in one ear and out the other a little later. As with a tongue-in-cheek flame, there is only a brief (up-)flickering when listening; then everything is as it was before.


In other people, flaming appeals only ignite a straw fire: feelings are moved, but despite the initial enthusiasm, they do not penetrate deep, far and long enough into consciousness. And cannot penetrate their own thinking.


It is also possible that noncommittal appeals cause a mental smouldering fire that smoulders but does not burn. Because the listener has no confidence in the person making the appeal. They simply lack sufficient oxygen, openness and credibility. And perhaps there are also bad experiences with similar appeals or similar appellers.


Of course, if you plug your ears with prejudices, you won't hear anything. And those who only hear what they want to hear because it confirms them, hear nothing new. But let's be honest: Can't we also hear appeals that (could) serve our own and other people's lives, that are plausible, comprehensible and therefore necessary?


Clever appeals to reason - to common sense - and at the same time to conscience - to the human heart - can turn trouble around. They ignite, as it were, an inner campfire that warms the coldness of a soul, illuminates the darkness of the spirit and moves sluggish feet of social togetherness.


And God's declaration of love "Every human being is infinitely loved", which does not want to deceive or take people by surprise, can trigger a conflagration through necessary appeals to humanity and inviolable dignity - political responsibility as well as the fight for more freedom and justice.


Burkhard Budde


(also published in the Westfalen-Blatt in East Westphalia and Lippe on 19.9.2020) 


  • Moment mal
  • Bewegendes Spiel
  • Nur ein Spiel unterschiedlicher Haltungen? Ein Gartenzwerg - der nur gute oder schlechte Mitspieler kennt, lebt in einer scheinbar heilen Welt. Rumpelstilzchen - will unerkannt bleiben,  aber nichts eingestehen, verstehen und wissen. Herkules - der als heldenhafter Spielmacher auf der Bühne erscheint, fordert zwar mehr Brot für alle, denkt aber nur an sein eigenes gefülltes Weinglas. Eine Primadonna - die unbedingt die Hauptrolle haben will, spricht hinter den Kulissen verächtlich über andere.
  • Verwundert fragt sich ein Zuschauer: Ist das nicht alles ein mieses Spiel?
  • Im wirklichen Leben, das mehr als Spielerei ist, gibt es zum Glück  auch Mitspieler, die über den Gartenzaun hinaus blicken können, die ihren Namen nicht verheimlichen und Gesicht zeigen, die versuchen glaubwürdig zu sein.
  • Es gibt im Spiel des Lebens die Chance auf eine gemeinsame Kultur: 
  • Höflichkeit als Visitenkarte gehört dazu, damit eine Begegnung gelingt. 
  • Freundlichkeit als Kitt, damit Wertschätzung erlebbar ist. 
  • Gesprächsbereitschaft als Brücke, damit eine Beziehung erfahrbar ist. 
  • Bereitschaft zur Empathie als Türöffner, damit Verstehen möglich wird.  
  • Bereitschaft zur Fairness als Wegweiser, damit Wege zur Wahrheit gesucht werden. 
  • Bereitschaft zur Verantwortung als Schlüssel, damit der Raum zur Verständigung aufgeschlossen wird.
  • In diesem spannenden Spiel, in dem jeder Spieler mal Gewinner mal Verlierer sein kann, werden alle gebraucht, sind alle aufeinander angewiesen und alle miteinander unterwegs.
  • Und bequeme Schwarzweißmalerei, liebgewordenes Schubfachdenken und denkfaule Gewohnheiten können leichter überwunden werden, wenn sich alle ihrer Geschöpflichkeit, Fehlerhaftigkeit, Verletzlichkeit und Endlichkeit bewusst bleiben.
  • Die Energie des christlichen Glaubens kann Haltungen verändern:
  • Wer freiwillig vor dem lebendigen Gott auf die Knie geht, wird von seinem Geist der Liebe aufgerichtet. Und kann vor Menschen aufrecht gehen – auf Augenhöhe, mit Rückgrat und mit dem Rückenwind der liebenden Vernunft.
  • Burkhard Budde
  • (veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 12.9.2020)
  • (Kunstwerk - s.o.- ist von Marion Dollenberg, WF)
  • Wait a minute
  • Moving game
  • Just a game of different attitudes? A garden gnome - who only knows good or bad players - lives in a seemingly intact world. Rumpelstiltskin - wants to remain unrecognized, but wants to admit, understand and know nothing. Hercules - who appears on stage as a heroic playmaker, demands more bread for everyone, but thinks only of his own filled wine glass. A prima donna - who absolutely wants to have the leading role, talks contemptuously about others behind the scenes.
  • In astonishment a spectator asks himself: Isn't all this a lousy game?
  • In real life, which is more than just a game, there are fortunately also players who can look beyond the garden fence, who do not hide their name and show their face, who try to be credible.
  • In the game of life there is the chance of a common culture: politeness as a business card is part of it, so that an encounter is successful. - Friendliness as putty, so that appreciation can be experienced. - Willingness to talk as a bridge, so that a relationship can be experienced. - Willingness to empathy as a door opener, so that understanding becomes possible. - Readiness for fairness as a signpost, so that ways to the truth are sought. - Readiness for responsibility as a key, so that the space for understanding is opened up.
  • In this exciting game, in which every player can be a winner or a loser, everyone is needed, everyone depends on each other and everyone travels together.
  • And comfortable black-and-white painting, cherished drawer thinking and lazy habits can be overcome more easily if everyone remains aware of their creatureliness, flawedness, vulnerability and finiteness.
  • The energy of Christian faith can change attitudes: Whoever voluntarily kneels before the living God is lifted up by his Spirit of Love. And can walk upright before people - at eye level, with backbone and with the tailwind of loving reason.
  • Burkhard Budde


Walkenried: Kirchlicher Konzern mit Verfallsdatum?

Von Burkhard Budde


Von einem kirchlichen Konzern, der einmal mächtig, prächtig, und ruhmreich war, sind (fast) nur noch Reste und Trümmerhaufen übriggeblieben, die jedoch sehenswert sind. Der weitvernetzte Arbeitgeber der Region, der vielen Menschen Brot und Lohn sowie soziale Sicherheit gab, hatte viele Gönner und Förderer. Und Gutgläubige, die sich von der Konzernspitze täuschen ließen, sowie Neider und Konkurrenten, die den Reichtum des Konzerns nicht ertragen konnten. Das Kloster Walkenried, ein expandierendes und florierendes Wirtschaftsunternehmen in seiner Blütezeit, war vor allem erfolgreich, weil Mönche noch besser, einflussreicher, cleverer, kapitalintensiver, effizienter und radikaler sein wollten als andere. Zur bitteren Ironie der Erfolgsgeschichte des „Weißen Konzerns“ – das Ordenskleid der Mönche war weiß, ursprünglich grau - gehörte, dass gerade dieses Erfolgskonzept ein Verfallsdatum trug.


Aber der Reihe nach: Mönchsvater des abendländischen Mönchstums war der Heilige Benedikt von Nursia (um 480-574). Sein Leitbild für Mönchsgemeinschaften lautete „Bete und arbeite“ („ora et labora“), das mit einem religiösen Leben in „Armut, Keuschheit und Gehorsam“ verknüpft war. Da jedoch im Laufe der Zeit aus diesen Quellen immer seltener geschöpft wurde und sich die großen Reichsklöster der Benediktiner zu politischen und wirtschaftlichen Magneten entwickelt hatten, wurde der Ruf nach Reformen, nach Spiritualität im Geiste des Mönchsvaters – insbesondere im Blick auf das Ideal radikaler Armut um der Nachfolge Christi willen - lauter.


Das war die Stunde der Reformer, die 1098  in Frankreich in Cîteaux (deutsch „Zisterz“) das Mutterkloster aller Zisterzienser gründeten. Die Erneuer des Mönchstums waren in die Einöde geflüchtet, um Reichtum und Politik hinter sich zu lassen, Verzicht und Askese zu üben, körperlich zu arbeiten und zu beten – ganz im Einklang mit den Idealen Benedikts.

Explosionsartig und wirkmächtig breitete sich der neue Reformorden zwischen 1124 bis 1151 aus. Er war straff organisiert und seine Verfassung „Charta caritatis“ prägte alle folgenden Ordensgründungen. Etwa 79 Tochterklöster hatte allein Bernhard von Clairvaux gegründet, als er 1153 starb. In ganz Europa gab es 343 Klöster, die zu diesen Zisterziensern gehörten. Die erste Zisterze in Deutschland war 1123 das Kloster Kamp oder Altencampen am Niederrhein; schon bald wurden 14 Tochter- und etwa 50 Enkelklöster gegründet (darunter 1127 Ebracht in Bayern, 1135 Amelungsborn im Weserbergland, 1145 Riddagshausen in Braunschweig, 1146 Michaelstein in Blankenburg).

Doch es dauerte nicht lange, dass die guten Regeln des Mönchsvaters aus dem 6. Jahrhundert wieder in den Hintergrund traten und das alte Lied von Macht immer lauter gesungen wurde.


Und Walkenried am Rande des Südharzes? Das drittälteste Zisterzienserkloster in Deutschland und später reichste Kloster in Niedersachsen – der Klosterkonzern als Eckpfeiler aller Wirtschaft im Nordharz - wurde 1127 von der Gräfin Adelheid von Klettenberg gestiftet.


Jürgen Henkel, Museumsführer von Walkenried, erläutert die Geschichte des Klosters: „1129 kamen die ersten Mönche vom Kloster Kamp, um mit dem Bau des Klosters zu beginnen, der nach 10 Jahren fertiggestellt werden konnte“. Zum ersten Konvent gehörten zwölf Mönche und ein Abt („die Mindestbesetzung“). Sumpfgebiete wurden trockengelegt, Felder und Fischteiche (insgesamt etwa 60) angelegt. Fisch war wegen des Fleischverbotes ein Hauptnahrungsmittel für die Mönche.


Die „Gottesmänner“, berichtet Jürgen Henkel stolz, seien die „Urväter der Oberharzer Wasserwirtschaft“ gewesen. Um 1220 ist im Harz wahrscheinlich von den Mönchen die Technik des Antriebs von Schmelzöfen mit Hilfe von Blasebälgen mit Wasserkraft eingeführt worden, die seit 1200 in Oberitalien praktiziert wurde. Auf jeden Fall sollen „göttlich inspirierte Männer von Verstand“ Vorreiter im Blick auf Förderung und Verarbeitung des Kupfererzes des Rammelsberges, sowie des silberhaltigen Bleierzes und des Eisenerzes des Oberharzes gewesen sein.


In der Zeit der höchsten Blüte im 15. Jahrhundert gehörten zum Machtzentrum des Klosters u.a. viele Ländereien, acht Mühlen, Grubenbesitz am Rammelsberg, Hüttenbesitz im Ober- und Unterharz, Anteile an den Salzgütern zu Lüneburg, Weinberge in Franken bei Würzburg, aber auch Privilegien, Zoll- und Steuerfreiheit sowie Schenkungen. Selbstständige „Profit-Center“ an 30 Orten außerhalb des Klosters, den Grangien - (lat. granum= Korn) urspr. Getreidespeicher, dann umfriedeter Hofbezirk, später landwirtschaftlicher Gutskomplex - sorgten für Gewinne und Überschüsse. Und auch die Erlöse von Begräbnissen und von Erbbegräbnissen für den Adel wurden in die Erhaltung von Gebäuden oder in Grundbesitz investiert. 


Die Mönche, die Ordensleute und zugleich Unternehmer waren, jedoch persönlich kein Geld haben durften, hofften als Lohn auf das göttliche Himmelreich und arbeiteten zu Lebzeiten für die Vergrößerung des Klosterparadieses. Allerdings – wie in der damaligen Gesellschaft üblich – im Rahmen der „Stände-Ordnung“. Museumsführer Jürgen Henkel: „Es gab eine Zweiklassengesellschaft. Etwa bis zu 100 Priestermönche, die dem Adel angehörten, hochgebildet waren, weil sie schreiben und lesen konnten, und in der Verwaltung oder als Steinmetze arbeiteten. Und auf der anderen Seite etwa 250 Laienbrüder aus dem Volk, die ungebildet waren und auf dem Feld oder im Steinbruch arbeiten mussten.“ Die Priestermönche arbeiteten im schlichten Kapitelsaal des Klosters nicht – wie vielleicht manche Besucher zunächst denken - an der Vervielfältigung der Bibel, sondern wohl akribisch an der Buchhaltung des Konzerns.


Laienbrüder – auch Arbeitsmönche oder Konversen genannt – und Priestermönche beteten jedoch getrennt in der Klosterkirche. Mit dem Bau der Klosterkirche wurde 1206 begonnen und nach 84 Jahren Bauzeit 1290 eingeweiht. Sie ist 100 Meter lang gewesen, 50 Meter breit und 23 Meter hoch, mit Gewölbe und Dach 35 Meter hoch, „denn Gottes Anwesenheit sollte weit sichtbar sein“, meint Jürgen Henkel. Und erläutert, was das Markenzeichen beim Kirchenbau war: Zum Beispiel beim Chor ein gerader Abschluss, zahlreiche Altäre, keine Krypta unter dem Chor, schlichte Westfassade, kleiner Dachreiter, besonders jedoch der doppelschiffige Kreuzgang, die Lichtdurchflutung und der Hallencharakter. Da die Mönche in Armut lebten, wurden Verzierungen gemieden. In der Ruine der gotischen Kapelle, die zu dem Krankenhaus des Klosters gehörte, ist jedoch ein Gesicht zu sehen.


Stolz zeigt Jürgen Henkel den Kopf, aus dessen Mund Ranken wachsen, „die das Gebäude umschlossen und geschützt haben.“ Die steinernen Handwaschbecken mit Rohrverbindung zur Erde - gleich in der Nähe – sind ohne Schmuck -, dennoch hatten sie Symbolkraft durch das Wasser bei rituellen Waschungen: „Von der Erde kommt es - leihe es, nutze es und gebe es zurück.“


Die Klostergeschichte ist Teil der Kirchen- und Weltgeschichte, wozu auch der Bauernkrieg, die Reformation und der Dreizigjährige Krieg gehören. Die Geschichte des Konzerns kennt kein „Happy End.“ Am 3. Mai 1525 fand der Hass der Bauern gegen die „verhassten Pfaffen“ und den „übermüthigen Adel“ ein Ventil in dem Kloster, so Chronisten. 800 Bauern kamen ins von den Mönchen verlassene Kloster, um es zu plündern und die Kirche zu beschädigen. Von da an ging es mit dem eines der mächtigsten Unternehmen Nord- und Mitteldeutschlands bergab. Und die beschädigte Klosterkirche zerfiel immer mehr.

Regionalhistoriker Manfred Gruner fasst das Ende des Klosters kurz zusammen: 1546 Einführung der Reformation. 1593 Ende der Schirmherrschaft der Grafen von Hohnstein; Beginn der Schirmherrschaft der Herzöge von Braunschweig. 1618-1648 mehrmaliger Besitzerwechsel. 1648 Säkularisierung des Klosters, das zum Steinbruch des Dorfes wird.


Aber es gibt Hoffnung:


Seit 2006 existiert das „ZisterzienserMuseum“ Kloster Walkenried – eine wahre Bildungsstätte für Menschen, die aus der Geschichte lernen wollen. Und sei es, dass sich auch alles ganz anders entwickeln kann, als man denkt und plant.

Seit 2006/2008 laden der sanierte Kreuzgang und die sanierte Klosterruine des ehemaligen Zisterzienserklosters zu einer historischen Reise ein, um eine Ahnung von der künstlerischen Pracht und der Bedeutung religiöser Botschaften einer untergegangenen Zeit zu vermitteln.


Nicht ohne Grund steht das Erbe der Mönche seit 2010 auf der UNESCO-Weltkulturerbeliste. Vergangenheit und Gegenwart sind miteinander perspektivisch verschmolzen und sollen erhalten bleiben.


Mauerreste und Trümmerhaufen, die nicht auf der Müllhalde des Vergessens entsorgt werden, wecken Erinnerungen und Hoffnungen auf Neues. Steine aus der Walkenrieder Kirche befinden sich u.a. in sechs Kirchen der Umgebung, im benachbarten Jagdschloss der Herzöge von Braunschweig (1725-1727) und in vielen Privatgebäuden.


Alle Steine – ob sichtbar oder versteckt - sprechen immer noch eine Botschaft, die kein Verfallsdatum kennt: Aus Trümmersteinen können neue Häuser entstehen. Und Häuser des Lebens sollten nicht nur schöne Fassaden haben oder wirtschaftliche Schätze vermehren. Werke von Menschen – auch Konzerne - sind vergänglich, letztlich vergeblich. Und häufig eitel, wenn sie sich selbst erhöhen oder selbst erniedrigen.


Geistig-geistliche Fundamente jedoch bleiben. Und schenken Zuversicht und Mut, in der jeweiligen Zeit auf neuen Wegen nach dem schöpferischen und liebenden Willen Gottes  zu suchen.


„Corona – Was kommt danach?“


Austausch mit China


Tang ist Inhaber des China Restaurants „Golden Palast“ in Bad Harzburg. Und Chinese, der sich mit seiner Frau und seinen Mitarbeitern täglich den Corona-Herausforderungen stellt. Auch Tang nimmt am 8. September 2020 an der Veranstaltung „Corona - Was kommt danach?“ im Harzburger Hotel Seela teil. Eingeladen hatte das Deutschen Kontaktbüro in Bad Harzburg für die chinesische Stadt Dongguan, die 80 Kilometer von Hongkong entfernt in Südchina liegt und in der über 10 Millionen Menschen leben.


Bürgermeister Ralf Abrahms (62), seit 2002 Bürgermeister von Bad Harzburg, freut sich über die Tagung in seiner Stadt, die eine „alltagstaugliche Infrastruktur“ habe, seit einigen Jahren einen Aufschwung erlebe und deshalb von der Einwohnerzahl her nicht schrumpfe. Er persönlich habe eine „Affinität“ zu China, besonders durch seine Hochzeitsreise im Jahr 1992, aber auch durch eine Rundreise im letzten Jahr.


Der Arzt Helmut Schwesinger hat fast drei Jahre in China gearbeitet. Dongguan sei eine der ersten Städte in China gewesen, die sich Fremden gegenüber geöffnet habe. Im Blick auf den Umgang mit Corona sei China - nach anfängliche Schwierigkeiten - bislang mit seiner Strategie, Maßnahmen zu erläutern und nicht ständig zu ändern, erfolgreicher als andere Staaten. Von China könne man zum Beispiel auch beim Thema Präventionsmedizin lernen.


Deutschland, so Schwesinger, sei einmal die Apotheke der Welt gewesen; heute jedoch durch schwierige politische sowie bürokratische Rahmenbedingungen nur noch „verlängerte Werkbank ausländischer Pharmaunternehmen.“ Und Verbote wie medizinische Infos von Patienten nicht per E-Mail verschicken zu dürfen, seien nicht vernünftig. Moderne Wege wie beispielsweise „Online-Sprechstunden für Patienten“ seien wichtig, um Herausforderungen angesichts von Corona besser meistern zu können.


Der Investor Dieter Köhler – besonders bekannt wegen seiner Pläne, den Harzburger Hof wieder aufzubauen – spricht von der neuen Erdung der Menschen, vom Wertewandel, vom neuen Reiseverhalten, aber auch von Veränderungen innerhalb der Wirtschaft: „Produktion verlagert sich dorthin, wo sie gebraucht wird.“ Er beklagt ein typisch deutsches „Jammern auf hohem Niveau“ und die Angst vor dem wirtschaftlichen Risiko: „Der Deutsche liebt kein Risiko“.


Dr. Thomas Stumpf, Dipl.-Ingenieur und langjähriger Geschäftsführer der Goslarer Fels-Werke, spricht von der „größten Krise in Friedenszeiten“, die zwar mit finanziellen Maßnahmen gemildert worden sei, aber nicht „mit populistischer Fortsetzung der Maßnahmen“ weitergeführt werden dürfe. Der wirtschaftliche Einbruch habe allerdings positive Auswirkungen auf das Klima, besonders wenn die investierten Mittel klimafreundlich und nachhaltig umgelenkt würden.


IT-Manager Ulf Barth betont, dass „Homeoffice“ funktioniere und auch in der Zukunft für Städte wie Bad Harzburg eine Chance darstelle. Bei der Digitalisierung sei Bad Harzburg aktuell „gut aufgestellt“.


Auf dem fernen China gibt es mit Hilfe der Übertragung eines Kongresses in Dongguan chinesische Stimmen, die simultan übersetzt werden, zum Beispiel die vom örtlichen Parteichef Weidong Liang, der vor allem über die wirtschaftliche Situation seiner 14 Millionen Stadt spricht. Viele spezifisch chinesische Gedanken sind auch über europäische Ohren interessant und bedenkenswert, zum Beispiel, dass nach der alten Phase „Von der Armut zum Wohlstand“ es in der neuen Phase auf „Qualitative Entwicklung und Effizienzsteigerung“ und nicht allein auf Geschwindigkeit ankomme. Und der „innere Kreislauf“ der Wirtschaft den „internationalen Kreislauf“ ergänzen soll.


Eine Diskussion über die Vorträge im Vorfeld der Live-Übertragung gibt es wohl aus Zeitgründen nicht. Es wäre spannend gewesen, die Meinung der China-Kenner und -Freunde zum Beispiel auch zu den Themen Wirtschaft und Menschenrechte, Investitionsschutzabkommen mit der EU, Huawai oder Honkong zu erfahren. Aber vielleicht ist das bei der nächsten Konferenz möglich.


Denn vorrangig muss Corona Pandemie an vielen Stellen der Erde bekämpft, wenigstens eingedämmt oder präventiv angegangen werden - auch in Bad Harzburg.  

Burkhard Budde


Das Corona-Virus wie ein Dieb?!


Kampf des Rechtsstaates


Wie soll der Dieb, der Leben „stiehlt“, ja zerstört, bekämpft werden? Das Corona-Virus ist wie ein Dieb plötzlich aus dem Dunkeln aufgetaucht – unsichtbar, unbekannt und unberechenbar. Und es verbreitet weltweit Angst und Schrecken, gefährdet Gesundheit und Sicherheit aller, Frieden und Wohlstand.


Was soll und kann ein liberaler Rechtsstaat tun? Den Dieb gewähren lassen? Das wäre unmenschlich, unsolidarisch und unverantwortlich. Den gefährdeten Bürgern mit Appellen zur Vorsicht mahnen oder mit der Moralkeule einschüchtern? Ihnen Fesseln in Form von Gesetzen und Verordnungen anlegen, damit sie durch braven Gehorsam geschützt werden? Sie in ein enges Korsett von Vorschriften einschnüren, das die Luft zur Eigenverantwortung und zu Kompromissen in konkreten Situationen nimmt?


Patwntrezepte  gibt es nicht, wohl aber notwendige Versuche, „Regelgerechtigkeit“ für alle zum gegenseitigen Schutz und Nutzen zu suchen. Das bedeutet, immer wieder eine verantwortungsbewusste Balance zwischen bundeseinheitlichen Standards und landesspezifischen Umsetzungen zu finden, die vor Ort sachgerechter, bürgernäher und schneller entschieden werden können.


Denn wenn überall der gleiche, aber falsche Weg beschritten würde, könnte der Dieb überall sein Unwesen treiben. Wenn aber flexibel und entschlossen sowie zugleich einheitlich und geschlossen gehandelt wird, haben „Diebe“ und „geheime Mächte“ auf Dauer keine Chance.

Burkhard Budde


(Leserbrief erschienen am 9.9.2019 in der Goslarschen Zeitung - zum Artikel von Chefredakteur Jörg Kleine „Über Kleinstaaterei und geheime Mächte“ GZ vom 29. August 2020)

 


Im Garten des Lebens


Die Königin der Blumen stellt sich als Erste vor: „Meine Schönheit beflügelt die Gefühle. Mit meinem Duft betöre ich die Sinne. Und ich spreche auch dann, wenn ich nichts sage.“


Nach der Rose kommt ein Kaktus zu Wort: „Meine Macht liegt in meinen Stacheln. Meine Blüten sind zwar selten zu sehen, aber dann machen sie Geduldige froh. Und ich bin selbst pflegeleicht, weil alle wissen, woran sie bei mir sind.“


Auch andere Blumen im Garten des Lebens weisen auf ihre Besonderheiten hin. Zum Beispiel auf ihr Wurzelwerk - auf ihre Leistungen, aber auch auf ihre Werte -, mit dem sie Dürrezeiten leichter überstehen können. Oder auf ihre verzweigten Ranken - auf ihre Netzwerke -, die wichtig fürs Wasserfinden und fürs Überleben sind. Und darüber hinaus noch Schutz für andere bieten.


Aber es gibt darüber hinaus Blumen, die verschämt schweigen. Die zum Beispiel flach wurzeln, ständig Angst und Sorgen haben, und deshalb bei Trockenheit – Krisen und Hilflosigkeit – besonders leiden. Die meinen, dass ihnen Zuwendung fehle und sie nicht geliebt würden: Weil sie nicht so schön und anerkannt wie Rosen oder nicht so streitsüchtig und mächtig wie Kakteen seien.


Doch im Garten als Sehnsuchtsort des Glücks aller gibt es nicht nur Gartenzwerge, die die Nase rümpfen und nur „gute“ oder „schlechte“ Beete kennen, Verlierer und Überlebenskünstler, sondern auch Gärtner, die jenseits von panischer Ordnungssucht und leichtfertigem Wildwuchs ihre Mitverantwortung für den ganzen Garten mit den vielen unterschiedlichen Blumen wahrnehmen.


Sie hoffen auf Neuschöpfung: Denn im Sommer des Lebens wird die Blütenpracht bewundert. Im Herbst einer Krise jedoch erschöpfen die Blüten. Und im Winter einer Dauerkrise verwelken sie. Aber im Frühjahr neuen Lebens wachsen sie wieder und blühen auf. Weil ihre Samenkörnen nur „geschlafen“ haben.


Der Eigentümer des Gartens – Gott selbst – will Christen und Nichtchristen ermutigen, diese Hoffnung tatkräftig zu leben, weiter in Liebe und Vernunft pflanzen. Und auf Frucht hoffen.

Denn Gott stellt sich vor - in Jesus Christus als Liebhaber neuen Lebens.

Burkhard Budde

In the garden of life


The queen of flowers is the first to introduce herself: "My beauty inspires feelings. With my fragrance I beguile the senses. And I speak even when I say nothing." After the rose, a cactus speaks: "My power lies in my thorns. My blossoms are rarely seen, but then they make patient people happy. And I myself am easy-care, because everyone knows where they are with me."


Other flowers in the garden of life also point out their special features. For example, to their roots - to their achievements, but also to their values - with which they can survive periods of drought more easily. Or to their branched tendrils - to their networks - which are important for finding water and for survival. And also offer protection for others.


But beyond that, there are flowers that are bashfully silent. For example, those that root shallowly, are constantly afraid and worried, and therefore suffer particularly during drought - crises and helplessness. They think that they lack attention and are not loved: Because they are not as beautiful and recognized as roses or not as quarrelsome and powerful as cacti.


But in the garden as a place of longing for happiness for all, there are not only garden gnomes who turn up their noses and only know "good" or "bad" beds, losers and survival artists, but also gardeners who, beyond panicky orderliness and frivolous uncontrolled growth, take their share of responsibility for the whole garden with its many different flowers.


They hope for a new creation: because in the summer of life the splendor of the flowers is admired. In the autumn of a crisis, however, the flowers are exhausted. And in the winter of a permanent crisis they wither. But in the spring of new life they grow again and blossom. Because their seeds have only "slept".


The owner of the garden - God himself - wants to encourage Christians and non-Christians to live this hope actively, to continue planting in love and reason. And hope for fruit.

For God presents himself - in Jesus Christ - as the lover of new life.

Burkhard Budde

 

Stadt Hornburg – Dornröschen im Harzvorland


Von Burkhard Budde


Muss Dornröschen - noch oder wieder - wachgeküsst werden? Für Manfred Gruner (77) gehört „sein Dornröschen“ zur „historischen Puppenstube“ Norddeutschlands. Die Rede ist von der Stadt Hornburg im nördlichen Harzvorland, die zu den schönsten Kleinstädten Niedersachsens gehört.


Bereits als Zehnjähriger lernte Manfred Gruner die mittelalterliche Altstadt mit ihren etwa 400 Fachwerkhäusern auf dem Weg zu Verwandten von Braunschweig nach Osterode am Fallstein kennen. Hornburg war eine Zwischenstation; von hier ging es zu Fuß weiter, zunächst über die Hornburger Wasserstraße, die erst 1875 überwölbt worden war, weil seit dem 16. und 17. Jahrhundert ein Abzweig des „Ilse“-Flüsschens zum Antrieb von Mühlen den Ort durchfloss und der Weg begehbar und befahrbar werden sollte.

Der junge Manfred war fasziniert vom historischen Flair der reichlich verzierten Fachwerkstadt - auch wenn er damals nicht wissen konnte, dass die Fächerrosetten an den Häuserfassaden aus der Blütezeit der Fachwerksymbole stammen, nämlich der Renaissancezeit, Mitte des 16. bis Anfang des 17. Jahrhunderts. Und dass diese typische Kunst, die die Freude am Leben zum Ausdruck bringt, nur im Harzvorland existiert sowie bis ins Ostfälische – zum Beispiel bis nach Höxter – ihre Spuren hinterlassen hat.

Und heute? Manfred Gruner, ehemaliger Rektor in Braunschweig und Stadtheimatpfleger für ganz Braunschweig, ist immer noch - sowie immer wieder neu - begeistert von dem Ort, der einem großen Kunstmuseum mit spirituellen Quellen unter freiem Himmel ähnelt, indem etwa 3000 Einwohner leben.


Denn tatsächlich kann fernab vom stressigen Trubel – als wäre die Zeit (fast) stehengeblieben - vergangene Schönheit und Pracht „en détail“ entdeckt werden. Aber auch bleibende Botschaften und Erfahrungen aus alter Zeit stellen die Gegenwart in ein neues reflektierendes Licht. Das „romantische Stadtwerkstädtchen am Harz“ – die Stadtrechte wurden 1460 verliehen – wirkt wie ein „Ruhepol“, ja wie ein „mystischer Ort“ im Ilsetal am Fuße des Fallsteins in der „Toskana des Nordens“, wie Bürgermeister Andreas Memmert im Hornburger Gästeführer einleitend schreibt. Und Regionalhistoriker Manfred Gruner, der seit 2011 in Bad Harzburg lebt, spricht darüber hinaus nicht nur von der „Gemütlichkeit“ des Ursprünglichkeit und Authentizität atmenden Hornburgs, sondern auch von den vielen historischen Entdeckungen und Zeitreisen, die den Besucher überraschen und neugierig machen.

In Dornröschens Puppenstube gibt es beispielsweise das Neidhammelhaus, das 1563 erbaut wurde und seinen Namen dem am Haus angebrachten „Neidkopf“ verdankt. Der steckt die Zunge aus dem Mund, um die Hausbewohner – wie früher gedacht wurde - sowohl vor bösen Geistern als auch vor Neidern zu beschützen. Der Bauherr, der Stadtkämmerer Valentin Mitgau, ließ darüber hinaus sein Haus mit einem religiösen Spruch in niederdeutscher Sprache verzieren: „Godt Fruchten is de wisheit de rike maket unde bringet alle gudt mit sick. Se Erfullet dat gantze hus mit erer gave unn alle gemack mit orem schatte. Jhesus Sirach am ersten capittel Anno dm 1563.“ Vermutlich hat ein Buchstabendreher dafür gesorgt, dass es nicht „Furchten“ heißt, sondern „Fruchten“. Dann heißt der Spruch übersetzt:  "Gott fürchten ist die Weisheit, die reich macht und bringt alles Gute mit sich. Sie erfüllt das ganze Haus mit ihrer Gabe und alle Gemächer mit ihrem Schatze. Jesus Sirach, erstes Kapitel. Im Jahr 1563.“ Auch eine Lilie in einer Rosette erzählt etwas von der Frömmigkeit der damaligen Zeit, vom Glauben an den gnädigen Gott und an Jesus als das Licht der Welt, aber auch von der Marienverehrung und der Gnade Gottes. Und auch das ans Haus angebrachte Familienwappen mit einem Lebensbaum als Symbol für das Leben sowie mit einem Herz mit Amors Pfeil als Symbol für die Liebe spricht Bände: Menschen damals bekannten sich zu ihren Weisheiten und Gewissheiten, zu ihren Wünschen und Ängsten, zu ihrer Religion und Frömmigkeit, aber auch zu ihrem Reichtum und zu ihrem Glück. Dass sich dabei Gottesfurcht und Aberglaube mischten, war für sie offensichtlich kein Problem.

Am Marktplatz „unserer“ Puppenstube befindet sich – um ein weiteres Beispiel zu nennen – das heutige Schuhaus Apelrote aus dem Jahr 1609. Die untere Balkeninschrift warnt vor Hochmut und ermutigt zur Demut: „Wir Menschenkinder trachten nach hohen dingen. Und wenn wir solches thun erwerben. So legen wir uns nieder und sterben. Anno 1609.“

Und das 1560 erbaute Storchenhaus mit seiner reichen Renaissanceornamentik, vor allem mit dem Storch als Fruchtbarkeitssymbol will offensichtlich Mut zum Leben machen und Hoffnung auf Neuanfänge wecken.

Das Schulhaus der ehemaligen jüdischen Gemeinde, Renaissance-Haus Damm Nr. 20, wurde 1569 erbaut. Im Hof gab es seit 1766 eine barocke Synagoge, die jedoch 1925 abgetragen wurde, als das letzte jüdische Gemeindeglied gestorben war. Die Inneneinrichtung kann heute im Jüdischen Museum des Braunschweiger Landesmuseums „Hinter Aegidien“ besichtigt werden.


Wer weitere Entdeckungen in Dornröschens Puppenstube erleben will, sollte zudem die ev. Kirche Beatae Mariae Virginis von 1614 besuchen – wenn sie denn trotz Corona geöffnet ist. Sie ist der älteste evangelische Kirchenbau im Braunschweiger Land und vermutlich nach Entwürfen von Paul Francke entstanden, der die Hauptkirche BMV in Wolfenbüttel baute. Und sie hat mit ihren seltenen barocken Wandmalereien eine besondere Anziehungs- und Ausstrahlungskraft. Die fünf Engelsfiguren des Orgelprospektes aus dem Jahr 1710 sind deutschlandweit einmalig.

Und die Burg Hornburg, Wahrzeichen der Stadt, gab den Anlass, dass sich Menschen um die Burg herum ansiedelten und die Stadt Hornburg entstand. Vermutlich wurde die Burg in der Zeit Karls des Großen (742-814) wegen der Feldzüge gegen die Sachsen gegründet. 1181 war sie Ausgangsort von Kaiser Barbarossa (1122-1190) im Kampf gegen Heinrich den Löwen (1129-1195). Mehrmals wurde sie zerstört (1113, 1179, 1430), war Grenzburg der Halberstädter Bischöfe und wurde 1645 - im Dreißigjährigen Krieg – von kaiserlichen und schwedischen Truppen endgültig zerstört. 1922 wurde sie teilweise als privater Wohnsitz rekonstruiert. 


Stolz ist der Bürgermeister von Hornburg darauf, dass der erste deutsche Reformpapst, Papst Clemens II (1046-1047), in Hornburg 1040 geboren wurde. Im Heimatmuseum der Stadt wird an ihn in besonderer Weise gedacht. Aber auch die Hornburger katholische Kirche, die seinen Namen trägt, ehrt ihn als den größten Sohn Hornburgs, der auf den Namen Suidger getauft wurde. Zunächst Priester, dann Kaplan, schließlich Bischof von Bamberg. Als Bischof und als sein Kanzler begleitete er 1046 König Heinrich III. (1016-1056) nach Rom, wo drei Päpste gleichzeitig auf Petri Stuhl regierten. Als die Päpste abgesetzt worden waren, wurde 1046 der Niedersachse, der Sohn Konrads von Hornburg und Marsleben sowie Amulradas, einer Schwester des Erzbischos Walthard von Magdeburg, der Nachfolger Petri. Clemens päpstliche „Papstkrone“ (Tiara) brachte ihm angesichts der Intrigen der römischen Geistlichen und des Adels kein Glück, sondern nur die „Dornenkrone“. Er kämpfte gegen den Sittenverfall der Geistlichkeit sowie gegen die „Simonie“, die Übertragung von geistlichen Ämtern an Laien durch Zahlung von Geld, aber nur nach neun Monaten und sieben Tage Amtszeit wurde er „mit einem Welschen Süpplin (Süpplein) davongeholfen“, wie die Chronisten berichteten. Im Dom zu Bamberg fand er endlich seine letzte Ruhestätte.


Die Fachwerkstadt Homburg ist zugleich eine historische Hopfenstadt, ja die Hopfenproduktion und der Handel mit Hopfen hatte im 16. Jahrhundert die wirtschaftliche Blütezeit der Stadt und damit auch die Entstehung der Renaissance-Ackerbürgerstadt (Bauernhof in der Stadt und Ländereien vor der Stadt) mit ihrer traufenständigen Bauweise und ohne Baulücken erst möglich gemacht. 1803 gab es noch 69 Braustellen. Um 1870 wurde jedoch das Geschäft mit dem Hopfen eingestellt.


Heute ist Hornburg eine stolze Fachwerk- und Hopfenstadt sowohl mit Liebe zur Geschichte als auch mit Liebe zur Natur, einem „Grünen Band“, einem „Erlebnispfad“ sowie einem „Garten für die Sinne“.


Und dieser Kontext, die äußere Hülle als Seele des Inneren, so Manfred Gruner, schließt moderne Technik ein. Denn wer wolle heute noch ständig mit der Öllampe herumlaufen?!

Aber immer können Geheimnisse der Puppenstube neu erlebbar werden. Wenn man sich öffnet und Dornröschen, das auf den Besucher wartet, persönlich mit Kopf und Herz wachküsst.


Moment mal im Westfalen-Blatt


Kostbare Perlen


Manche Menschen können wie schöne Perlen sein, faszinieren und Herzen erfreuen. Solche kostbaren Perlen gehören nicht in ein Schmuckkästchen. Sie sollten allerdings auch nicht abheben. Die wahre Perle überzeugt anders – zum Beispiel mit Empathie, Vernunft und Verantwortung.

Perlen entwickeln sich jedoch unterschiedlich.


Eine Perle – ein Mensch - denkt nur an die Gegenwart, entsorgt mit einer Handbewegung „alte Hüte“ sowie die Lebensleistungen anderer, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken.


Eine andere Perle instrumentalisiert Vergangenes, vergleicht Unvergleichbares, be- und verurteilt alles und jeden einzig und allein nach eigenen Maßstäben.


Wieder eine andere Perle verklärt die „gute alte Zeit“. Sie verpasst die Züge neuer Möglichkeiten, die den Horizont erweitern und vertiefen.


Perlen, die sich als Glieder einer gemeinsamen Kette verstehen, sehen ihre Gegenwart eingebunden in die Geschichte. Vergangenheitsbewältigung bedeutet für sie, sich ein eigenes und differenziertes Bild von historischen Quellen zu machen, auch von Zusammenhängen, Mehrdeutigkeiten, Widersprüchen, Brüchen sowie Entwicklungen. Um Vergangenes besser zu verstehen, vor allem daraus zu lernen und neue Wege für die Zukunft finden zu können.


Keine Perle ist selbst die Kette, nur endlicher Teil eines unendlichen Ganzen. Jede Perle ist geschaffen und vergänglich, auch die Schönste und Prachtvollste. Aber jede Perle birgt auch etwas Neues in sich.


Wie Perlen an einer Kette haben Christen ihre Erfahrungen aneinandergereiht: Der Schöpfer allen Lebens sucht auch oder gerade verlorene oder kaputte Perlen, weil er sie bedingungslos liebt und ihnen neues Leben im Geiste Christi schenken möchte.


Könnte es sein, dass Gott wie eine unsichtbare Kette wirkt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zusammenhält, um Perlen sowie ihre Mit- und Nachwelt noch heute schöpferisch zu erneuern?!


Burkhard Budde


(Veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt

am 29.8.2020 in Ostwestfalen und Lippe)

 


Moment times in the Westfalen-Blatt


Precious pearls


Some people can be like beautiful pearls, fascinate and delight hearts. Such precious pearls do not belong in a jewelry box. However, they should also not take off. The real pearl convinces differently - for example with empathy, reason and responsibility.


Pearls develop differently, however.


A pearl - a human being - thinks only of the present, disposes with a hand movement "old hats" as well as the life achievements of others to put itself in the right light.


Another pearl instrumentalizes the past, compares incomparable things, judges and condemns everything and everyone solely according to its own standards.


Yet another pearl transfigures the "good old days". It misses the traits of new possibilities that broaden and deepen the horizon.


Pearls, who see themselves as links in a common chain, see their present integrated into history. Coming to terms with the past means for them to form their own and differentiated picture of historical sources, including connections, ambiguities, contradictions, breaks as well as developments. To understand the past better, above all to learn from it and to find new ways for the future.


No pearl is itself a chain, only a finite part of an infinite whole. Every pearl is created and transient, even the most beautiful and splendid. But every pearl also contains something new within itself.


Christians have strung their experiences together like pearls on a necklace: the Creator of all life also or especially seeks lost or broken pearls because he loves them unconditionally and wants to give them new life in the spirit of Christ.


Could it be that God acts like an invisible chain, holding together past, present and future to creatively renew pearls as well as their fellow men and posterity even today?


Burkhard Budde

 


(Also published in the Westfalen-Blatt on 29.8.2020 in Ostwestfalen and Lippe)

 

     

Musik weckt Lebensgeister


Ein junger Mann singt spontan einen Ohrwurm. Er ist überglücklich. Die emotionalen Dämme sind gebrochen. Eine Frau hört einen alten Song, erinnert sich wehmütig an die erste große Liebe und den  ersten Kuss. Ein Mann sitzt im Konzert und gerät mit glänzenden Augen ins Schwärmen. Ein Pianist spielt ein Werk eines Komponisten und interpretiert es neu.


Musik ist mehr als eine schöne Berieselung, die großzügig einkaufen, beschwingt konsumieren oder bewegt kommunizieren lässt. Sie schafft auch nicht einfach eine romantische Gänsehaut, um mit Herzklopfern einem Menschen näher zu kommen. Sie ist auch mehr als eine Seelenmassage einer Gruppe, damit der einzelne nicht so schnell aus der Reihe tanzt.


Musik kann vielmehr so etwas wie die universale Sprache der Gefühle sein.


Die richtige Musik im richtigen Augenblick bringt einen Menschen, dessen Geschmack getroffen ist, in Bewegung. Und in Begegnung mit seiner eigenen Seele.

Bei Liebeskummer beispielsweise wird sie zu einem Trostpflaster, bei geschlucktem Ärger zu einem befreienden Ventil, bei Einsamkeit zu einem sozialen Kitt, bei Hoffnungslosigkeit zu einer Quelle neuer Kraft, bei Krankheit zu einem Therapeutikum.


Nicht die Noten, Texte, Instrumente sind das Entscheidende, wohl aber ereignet sich im Vollzug der Musik – im Hören, Mitsingen, Mitmachen oder Interpretieren – ihr Geheimnis.


Und Türen zu neuen Erlebnissen und Erfahrungen werden aufgeschlossen.


Vielleicht auch zum Raum neuen Grund- und Gottvertrauens - trotz aller Krisen, wenn in der Finsternis der Seele auf eine unsichtbare, aber singende „Nachtigall“ gehört wird: „Dein Schöpfer lässt sein geliebtes Geschöpf nicht im Stich“. Und Lebensgeister wie Vertrauen und Zuversicht, Verantwortung und Rücksichtnahme werden neu geweckt.

Burkhard Budde


(veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt

am 22.8.2020 in Ostwestfalen und Lippe)

 

Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt

 

Music awakens spirits

A young man spontaneously sings a catchy tune. He's overjoyed. The emotional barriers have been broken. A woman listens to an old song, remembers wistfully the first big love and the first kiss. A man sits in concert and goes into raptures with shining eyes. A pianist plays a work by a composer and reinterprets it.

 

Music is more than just a beautiful sprinkling that allows you to shop generously, consume exhilarated or communicate in a moving way. Nor does it simply create romantic goose bumps to get closer to a person with palpitations of the heart. It is also more than just a soul massage for a group, so that the individual does not get out of line so quickly.

 

Music can rather be something like the universal language of feelings.


The right music at the right moment sets a person whose taste is met in motion. And in encounter with his own soul. In lovesickness, for example, it becomes a consolation, in anger swallowed it becomes a liberating valve, in loneliness it becomes a social cement, in hopelessness it becomes a source of new strength, in illness it becomes a therapeutic agent.

 

It is not the notes, lyrics, instruments that are the decisive factor, but rather the execution of the music - in listening, singing along, participating or interpreting - that is the secret. And doors to new experiences and adventures are opened.

 

Perhaps also to the space of new basic and God-confidence - despite all crises, when in the darkness of the soul an invisible but singing "nightingale" is listened to: "Your Creator does not abandon his beloved creature". And life spirits such as trust and confidence, responsibility and consideration are awakened anew.

 

Burkhard Budde

 

(also published in the Westfalen-Blatt on 22.8.2020 in Ostwestfalen and Lippe)


Das Leben kann wie ein Aquarium sein, in dem sich viele Goldfische, aber auch Haifische tummeln, die ihr Unwesen treiben. Manchmal schlummert in einem Goldfisch ein Haifisch. Aber manchmal lebt auch in einem Haifisch ein Goldfisch.

Alle Fische brauchen frisches Wasser zum Leben. Ein Aquarium ohne Wasser bedeutet für alle der Anfang vom Ende, ein Aquarium mit dem Wasser der Spiritualität die Chance zum umfassenden sowie schöpferischen Neuanfang ohne Ende.

Doch welche Fische, die noch nicht geboren sind, werden mitten unter uns leben?

                                                                      Burkhard Budde  

Sehr geehrte Damen und Herren,


ich freue mich, dass mein Roman “Haifische im Aquarium. Mitten unter uns” jetzt im Books on Demand-Verlag in Norderstedt erschienen ist.


Andreas Klein, die Hauptfigur des Romans, der die Herausforderungen eines kirchlichen Unternehmens im Spannungsfeld von Ethik und Monetik schildert, gerät in eine Schlangengrube:


Macht- und Intrigenspiele, aber auch Eitelkeiten und Eifersüchteleien, Inkompetenz und Größenwahn verhindert immer mehr ein ganzheitliches Management, das Wirtschaftlichkeit, Soziales und Christliches als Einheit versteht. Der Protagonist ganzheitlichen Denkens scheitert, aber im Scheitern leuchtet eine Hoffnung auf umfassende, auch spirituelle Erneuerung auf.


Der Wechsel von fiktiven Anekdoten und ethischen Reflexionen, die Mischung von Ironie und Satire, die Prophezeiungen in den Parabeln, Fabeln und Träumen, machen die fiktionale und literarische Komposition des Romans zu einem spannenden Erlebnis, das die Seele des Lesers bewegen möge.


Das wünsche ich jedenfalls allen Lesern


Burkhard Budde


P.S. Über ein Echo sowie eine Weiterempfehlung des Romans würde ich mich sehr freuen.

Bestellungen sind in jeder Buchhandlung sowie im Internet im BoD Buchshop, bei Amazon, Thalia, Lovelybooks u.a. möglich. Es kostet 9,99 Euro (E-Book 3,49).

 

Life can be like an aquarium, in which many goldfish, but also sharks, which do their mischief, cavort. Sometimes a shark slumbers inside a goldfish. But sometimes a goldfish lives in a shark.

All fish need fresh water to live. An aquarium without water means the beginning of the end for everyone, an aquarium with the water of spirituality the chance for a comprehensive and creative new beginning without end.

But which fish, which are not yet born, will live among us?                                                                                                    Burkhard Budde


I am pleased that my novel "Sharks in the Aquarium. Mitten unter uns" has now been published by Books on Demand in Norderstedt.


Andreas Klein, the novel's main character, who describes the challenges of a church enterprise in the field of tension between ethics and monetics, gets caught in a snake pit: power games and intrigues, but also vanities and jealousies, incompetence and megalomania increasingly prevent a holistic management that understands profitability, social issues and Christianity as a unity. The protagonist of holistic thinking fails, but in failure a hope for comprehensive, also spiritual renewal shines out.


The alternation of fictional anecdotes and ethical reflections, the mixture of irony and satire, the prophecies in the parables, fables and dreams, make the fictional and literary composition of the novel an exciting experience that may move the soul of the reader.


At least that is what I wish to all readers

Burkhard Budde


P.S. I would be very happy about an echo and a recommendation of the novel.

Orders can be placed in any bookstore as well as on the Internet at the BoD Book Shop, Amazon, Thalia, Lovelybooks, etc. It costs 9.99 Euro (e-book 3.49).


Bad Gandersheim –

Türöffner zur Geschichte und zum Harz


Von  Burkhard Budde

Sie muss eine ungewöhnliche Frau gewesen sein: Bescheiden, fromm und zugleich selbstbewusst, weltoffen. Sie lebte in alten Traditionen und wirkte gleichzeitig als mutige und kluge Pionierin. Roswitha von Gandersheim (um 935 bis um 980) gilt als eine der bedeutendsten Schriftstellerinnen des Mittelalters, die mit ihrem Werk – christliche Legenden, antike Dramen und historische Werke - anderen Frauen und natürlich auch Männern Türen zur Literatur geöffnet hat. Die „erste deutsche Dichterin“, die wohl aus einer sächsischen Adelsfamilie stammte, lebte bereits als Kind im Frauenstift Gandersheim, wo sie eine Ausbildung erhielt, ein religiös geprägtes Leben führte und literarisch tätig war.

Eine kleine Kostprobe: „Daher, o Leser, wer du auch seiest, wenn du nur gerecht und gottesfürchtig bist, lass dich nicht verdrießen, diese Blätter wohlwollend aufzunehmen, obwohl kein Gelehrter ihnen Ansehen verleiht. Weise Gott zu, was vielleicht richtig ist, meiner Nachlässsigkeit aber alle Fehler. Tadele nicht, sondern übe Nachsicht, denn des Tadels Kraft verliert dort seinen Sinn, wo der Fehler in Demut bekannt wird.“ (Roswitha an die Leser ihrer Legenden; aus dem Lateinischen übersetzt von Kurt Kronenberg) Später wurden im Kanonissenstift Gandersheim während der Mahlzeiten aus den Werken der Roswitha vorgelesen. Seit 1959 finden die Gandersheimer Domfestspiele auch im Gedanken an ihr Werk statt; seit 1973 gibt es in Bad Gandersheim den „Roswitha Preis“ (Literaturpreis); seit 1975 wird in der „Roswitha-Stadt“ auch der „Roswitha-Ring“ (Schauspieler-preis) verliehen. Roswitha hinterlässt als Vorbild und Beispiel weiterhin Spuren.

Wer in die „kleine Stadt inmitten der sanften Hügel des Harzvorlandes“ (Bürgermeisterin Franziska Schwarz) kommt, der findet jedoch auch viele historische Türen, die zu spannenden Entdeckungsreisen einladen, um die Wiege der ottonischen Dynastie – Könige und Kaiser des Reiches im 10. und frühen 11. Jahrhundert - kennenzulernen.


Um 800 kämpfte Karl der Große mit „eiserner Zunge“ gegen die Götter der Sachsen und für die Bekehrung der „Heiden“. Es gab erzwungene Massentaufen, aber auch freiwillige Taufen – zum Beispiel gehörte die sächsische Adelsfamilie der Liudolfinger dazu.


852 gründeten Graf Liudolf und seine Gemahlin Oda auf dem Hügel Brunshausen – heute zwei Kilometer von der Altstadt Bad Gandersheim entfernt - ein geistliches Frauenstift. 856 wurde die Stiftskirche in der heutigen Altstadt gebaut, wo im Jahr 881 die Stiftsdamen ihr neues Quartier fanden. In der folgenden Zeit wuchs um diese Kirche herum die Stadt Gandersheim. Und als erstes sächsisches Geschlecht kamen die Nachkommen Liudolfs und Odas auf den Königsthron – die Ottonen.


Gandersheim hat in der Zeit der Ottonen Reichsgeschichte geschrieben; ihre Handschrift hinterlassen haben auch Frauen – zum Beispiel die Gemahlin Kaiser Ottos II, Theophanu, die das Stift in Gandersheim mehrmals besuchte. Oder die Tochter Ottos II, Adelheid, die zugleich Äbtissin der bedeutenden Frauenstifte Gandersheim, Quedlingburg und Gernrode war.


Einige wichtige Daten und Ereignisse im Blick auf den Klosterhügel Brunshausen: Um 1100 wird ein Benediktinerkloster errichtet; ein Frauenkonvent zieht 1206 ins Kloster ein, das vom Gandersheimer Reichsstift dominiert wird. Seit dem 13. Jahrhundert vergrößert sich der Einfluss welfischer Herzöge auf Gandersheim. 1568 setzt Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel die Landesreformation durch, aber erst 1586 wird der Konvent evangelisch bzw. ein ev. Damenstift. 1714 wird ein Sommerschloss mit barocker Gartenanlage für die Gandersheimer Fürstäbtissin Elisabeth Ernestine Antonie von Sachsen-Meiningen gebaut. 1810 kommt es im Zuge der Säkularisation zur Aufkösung des Klosters und wird Teil der Domäne Clus.


Zur Geschichte Brunshausen gehört auch, dass das Sommerschloss im Juli 1944 als „Kinderpflegstätte“ genutzt wurde, an der osteuropäische Zwangsarbeiterinnen gezwungen wurden, ihre Säuglinge abzugeben, und dass vom Oktober 1944 bis 4. April 1945 dort ein Außenkommando des Konzentrationslagers Buchenwald war, von dem aus Häftlinge im Rüstungsbetrieb der Heinkel-Werke eingesetzt wurden. Ein Ort des Schreckens, der nicht vergessen werden darf, damit sich Menschenverachtung und Gewalt nicht wiederholen.

Ein Blick durch die Tür auf die Gegenwart: Seitdem im Jahr 2006 in Bad Gandersheim das „Portal zur Geschichte“ in der Stiftskirche und im ehemaligen Kloster Brunshausen geöffnet ist, können Kirchenschätze des ehemaligen Reichsstiftes an authentischen Orten erlebt werden. 1995/97 waren Teile des Schatzes des Frauenstiftes bei Renovierungsarbeiten in der Stiftskirche wiederentdeckt worden. Die wohl wertvollsten Objekte der Sammlung sind ein Bergkristallgefäß mit der Hl.-Blut-Reliquie (um 1000), ein Tragaltar (11.Jh.), ein Kästchen aus Süditalien (12.Jh) sowie wertvolle Stoffe (9.Jh.).

Maria Julia Hartgen, seit 2016 Museumsleiterin von „Portal zur Geschichte“, ist stolz auf die Ausstellung „Starke Frauen – Feine Stiche“. Byzantinische Seide, kostbare Paramente und die Biographien der „Starken Frauen“ stehen im Zentrum der Präsentation in Brunshausen.


Auch weist die Museumsleiterin gerne auf die Ausstellung „Barocke Sammelleidenschaft“ hin. Die Intention der Bauherrin Fürstäbtissin von Sachsen-Meiningen wird aufgegriffen: Auch vor 300 Jahren war hier schon ein frühes Museum mit Kunst- und Naturalienkammer eingerichtet worden. „Die farbenprächtigen Wandmalereien sind die größte Überraschung: ägyptische Pyramiden, der Maidān von Isfahan, Persepolis, aber auch römische Architekturen und der Tempel von Jerusalem entführen auch heute noch in weite Fernen“, weiß Maria Julia Hartgen zu berichten. Und genauso aktuell sei auch noch der Hinweis des 18. Jahrhunderts: „Beschau hier jedes Stück, wohin Dein Aug Dich führt, doch halt die Hand zurück und lass es unberührt!“

 

Franziska Schwarz öffnet gleichsam die Tür für weitere Perspektiven: „Bad Gandersheim ist gleichwohl ein bekannter Kurort. Ortsspezifisches Heilmittel ist die Sole“. Gekurt werde in den drei Kliniken mit ständig mehr als 600 Patienten aus allen Teilen Deutschland insbesondere gegen Rheuma, Gelenkerkrankungen und Erkrankungen der Atmungsorgane. Und die vielen Freizeitangebote wie Campingpark, Wohnmobilstellplatz, Segel-und Motorflugplatz sowie Rad- und Wanderwege machten die Stadt zusätzlich attraktiv.

Die Bürgermeisterin nennt dann noch eine besondere Attraktion, die im Jahr 2022 stattfinden wird: die Landesgartenschau Niedersachsen, wobei das Element „Wasser“ eine „wesentliche Rolle einnehmen wird.“


Und der Leser gestatte noch eine persönliche Anmerkung: Sehr gerne denke ich an die Zeit mit Dr. Thomas Labusiak zurück, der von 2007 bis 2010 Museumsleiter von „Portal zur Geschichte“ war und mit dem ich in dieser Zeit als Vorsitzender des Trägervereins eng zusammengearbeitet habe. Der im Jahr 2017 viel zu früh verstorbene Thomas Labusiak verstand es als einer von der „großartigen Vergangenheit Gandersheim“ Begeisterter andere Menschen bei der Schatz- und Spurensuche zu begeistern. Fernab vom Trubel und Stress hat er auch mir die Tür zur Zeitreise in die Vergangenheit geöffnet, die für die Gegenwart Bleibendes zu berichten hat.

Thomas Labusiak war ein besonderer Mensch und Historiker; ich bin dankbar, ihn kennen- und schätzen gelernt zu haben.


(veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster

am 23. August 2020)


Moment mal


Bewegende Träume


Mit Schweißausbrüchen wird er wach. Ein Albtraum hat ihn gequält. Ein Lehrer ist zwar schon lange tot, er selbst ist in Rente. Dennoch: In seinen nächtlichen Träumen taucht der Schulmeister immer wieder auf – als einer, der vor dem „Herrn Direktor“ buckelt, den Willen einzelner Schüler jedoch, die er auf dem Kieker hat, brechen will. Vor allem als einer, der seine Seele mit Füßen tritt, indem er behauptet: „Du bist und bleibst ein Versager“. Und mit seinem Rohrstock bedrohlich dazu wedelt. Gut, dass dieser Traumspuk auch vorüber geht. Und ein neuer Tag beginnt!


Ein anderer wird mit Glanz in den Augen wach. Ein Vogel, so träumte er, war seinem Käfig entkommen. Und genießt jetzt neue Perspektiven: Gefährliche Raubtiere sehen aus der Ferne ganz „artig“ aus. Die kleinkarierten Löcher der grauen Mäuse verschwinden aus seinem Horizont.  Eitle Pfauen, die ihm zu verstehen geben, dass sie etwas Bedeutsameres seien, werden unwichtig und klein. Gut, dass es auch solche Träume gibt, dass keiner im Käfig eigenen Denkens und Erlebens sitzen bleiben muss, sondern dass jeder neue Sichtweisen entwickeln und neue Erfahrungen sammeln kann!


Manche meinen, Träume seien nur Hüter des notwendigen Schlafes; nur Mülleimer, um seelischen Abfall zu entsorgen; nur Ventile, um aufgestaute Ängste loszuwerden; nur Relaisstationen für unbewusste Vorgänge und Sehnsüchte. Vielleicht haben die vielen unverstandenen und unkontrollierbaren Träume mit Erinnerungsfetzen, alten Wiederholungen oder auch neuen Szenen  den Sinn, wieder fit für den Alltag zu werden.


Träumende entdecken manchmal, dass Gott durch Träume zu ihnen sprechen kann; zwar mit verschlüsselten Botschaften, die aber bedeuten können: „Hab keine Angst. Ich bin bei dir. Ich schenke dir Zuversicht und Kraft.“ Nur ein unerfüllbarer Wunschtraum aus dem Jenseits? Oder doch ein Weckruf, endlich aufzustehen? Weil dieser Traum ein Wink des Himmels ist, mögliche Albträume auf Erden mutig und klug zu bekämpfen?


Und der Traum vom  gerechten  Leben in Freiheit und Verantwortung kann morgen oder übermorgen zur Wirklichkeit werden.


Burkhard Budde


Osterwieck – wertvolle Perle unter kostbaren Perlen

Von Burkhard Budde


Lust auf eine Reise in die Vergangenheit?! Am liebsten sucht Manuela Hennig einen Ort auf, an dem sie wunderschöne „große Dinge“, aber auch faszinierende „kleine Dinge“ entdecken kann. Manuela Hennig, die aus Thüringen stammt und seit 1989 in der Stadt Osterwieck in Sachsen-Anhalt im nördlichen Harzvorland lebt, spricht begeistert von der Stephanikirche mit ihrer Doppelturmanlage aus romanischer Zeit im 12. Jahrhundert, dem Wahrzeichen der „Einheitsgemeinde“ (etwa 11.300 Einwohner) mit ihren beeindruckenden Fachwerkhäusern in der Altstadt.  

Das Mitglied der Kantorei Osterwieck übertreibt nicht: St. Stephani ist der erste große reformatorische Stadtkirchenbau. Und lädt als Denkmal christlicher Mission im Nordharzer Raum zu einer lohnenden sowie lustvollen Reise in die Geschichte ein.


Der romanische Bau war 1495 durch ein Unwetter bzw. durch das folgende Hochwasser der Ilse, einem Zufluss der Oker, baufällig geworden. Der Chor der Kirche wurde in den Jahren 1515 bis 1517 im spätgotischen Stil erneuert, das romanische Kirchenschiff in den Jahren 1552 bis 1557 abgerissen und nach „protestantischen Vorstellungen“ neugebaut (die Reformation war in Osterwieck um 1535 eingeführt worden).


Etwa 1000 Osterwiecker Bürger – u.a. Steinbrecher, Fuhrleute, Steinmetze, Grobschmiede, Kalkbrenner, Maurer – sollen bei diesem Bauprojekt geholfen haben. Die überwältigende Pracht im Inneren der Kirche ist so authentisch erhalten geblieben, dass sie noch heute erlebbar ist:

Es gibt – wie Manuela Hennig zu Recht sagt – „große Dinge“ zu bewundern wie den bronzenen Taufkessel (um 1300) , dem ältesten erhaltenen Kunstwerk aus dem mittelalterlichen Vorgängerbau.

- Den gotische Schnitzaltar (um 1484), dem wandelbaren Altaraufsatz mit einer „Festtagsseite“, die die Marienkrönung zeigt, und einer „Passionsseite“ mit der Leidensgeschichte Christi.

- Die Renaissance-Kanzel mit den Evangelisten, Aposteln, Engeln und den Darstellungen der klassischen Tugenden sowie mit der Figur des hl. Stephanus (aus barocker Zeit), der die Kanzel trägt und das Osterwiecker Stadtwappen – die Rose - sowie ein Buch – mit Steinen als Zeichen seines Martyriums – in seinen Händen hält.

- Das Chorgestühl im Stil der Spätrenaissance (um 1620). - Der Schlussstein (HIC LAPIS ANGULARIS EST CHRISTUS; übersetzt: „Dieser Eckstein ist Christus“), der das „neue“ protestantische Kirchenverständnis („Allein Christus“) zum Ausdruck bringt.

Auch wird der interessierte Besucher sofort in den Bann gezogen, wenn er die Nordempore, die Gildenprieche  und die Ratsempore (für die Ratsherren und Vorsteher der Sieben Gilden in Osterwieck bis 1575) betrachtet, die 1585 mit 32 Bildern aus dem Alten und Neuen Testament gestaltet wurden. Und er staunt nicht schlecht über die v. Gustedt`schen Adelsprieche (1773) sowie über die Halberstädter Voigt-Orgel (1866).


Aber in den „kleinen Dinge“ steckt eine einzigartige Begeisterungsmöglichkeit, die zugleich Köpfe besonders nachdenklich machen und Herzen besonders bewegen können: Die Osterwiecker Bürger zeigten im Zuge der Reformation und des Langschiffneubaus von St. Stephani nicht nur ein solidarisches Zusammengehörigkeitsgefühl in ihrer Stadt und für ihre Kirche als Mittelpunkt der Stadt, die auch für die wirtschaftliche Existenz vieler wichtig war, sondern zugleich eine Spürnase für Schönes und Wahres, Bleibendes und Elementares. Und für authentisch Menschliches in Krisenzeiten und Außeralltäglichem:

In 129 Inschriften an Wänden und Pfeilern, auf Bögen und Brüstungen, auf 240 Sandsteinreliefs, Wappen und vielen Epitaphien haben sich Osterwiecker sowie Freunde und Förderer der Stadt verewigt.


Kunst und Erinnerungskultur bedeuteten für viele Stadt- und Landbewohner nicht das missverstandene Beschwören eigener Bedeutsamkeit, schon gar nicht eine gleichgültige Haltung gegenüber den Vorfahren, der Mit- und Nachwelt, sondern ein Spiegel ihrer (Glaubens-) Überzeugungen, ein Kommentar ihrer eigenen (Lebens-) Geschichte sowie eine Quelle ihrer Hoffnung auf Nicht-Vergessen-Werden.


Eine Mutter beispielsweise betrauert auf einem Epitaph drei Kinder. Hintergrund ist der Dreißigjährige Krieg. Zu sehen ist u.a. Christus am Kreuz, drei Frauen sowie Johannes, Maria und Maria Magdalena, darunter die klagende Mutter – geweint und geklagt wird um die drei Kinder, aber auch über Christi Kreuzestod. Texte der Tafeln sprechen noch deutlicher: „Mein Sohn Johan Abrh…ist uf diese welt gebohren in wulffenbüttel…ungefehr eineinhalb …hat ihn der Allerhöchste von dieser betrübten welt…zu sich in sein freudenreich gefordert undt ist alhier in osterwic begraben…Er woll…am jüngsten tage eine frelige auffersthung geben undt verleihen.“

Wer sich so in der offenen Bürgerkirche noch zu seinen Lebzeiten (!) verewigt, ist nicht eitel, sondern bleibt durch die Hoffnung auf den Ewigen auf dem Teppich – und schenkt damit vielleicht auch der Nachwelt Trost?! 

Auch die historische Altstadt mit ihren etwa 400 denkmalgeschützten Fachwerkhäusern, die reich verziert sind, zeigt viele Spuren tiefer Frömmigkeit und reformatorischer Gesinnung.

So taucht zum Beispiel der Kampfspruch der Reformation „verbum dm manett in eterum“ (= “Des Herren Wort bleibet in Ewigkeit“) am „Eulenspiegelhaus“ in der Schulzenstraße 8 auf. In der Stadt, die auch die „Fachwerkstatt der Reformation“ genannt wird, gibt es 41 Hausinschriften mit reformatorischen Botschaften.

138 Fassaden der Häuser, die bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges erbaut worden sind, spiegeln zudem Stilgeschichte wider:


Elemente der Romanik (Zeit von etwa 1000 bis 1250 mit frühchristlichen und byzantinischen sowie spätantiken Bauelementen wie Rundbögen, Pfeiler, Säulen und Wölbung), der Gotik (in Deutschland von vor 1200 bis nach 1500 mit Spitzbögen, Kreuzrippengewölbe gleichsam himmelhoch aus dem Boden wachsend),

der Renaissance (vor allem in Italien von etwa 1420 bis 1600 mit der Erhaltung und Fortsetzung antiker Kunstelemente sowie mit der Harmonisierung von Bauteilen und der Bevorzugung naturalistischer Bauornamente),

des Barock (von etwa von 1600 bis 1780 mit kraftvollen Formen und kurviger Linienführung, mit Pracht und Prunk als neues Raumerlebnis),

des Klassizismus (von etwa 1770 bis 1830 als Gegenbewegung zum Barock mit „edler Einfalt“ und „stiller Größe“).

Sämtliche niedersächsische Fachwerkstile aus 500 Jahren – u.a. charakteristische Fächerrosetten, Balkenköpfe in Walzenform, Stockschwelle in Schiffskehlenform – sind zu sehen, beispielsweise in der „Alten Vogtei“ aus dem Jahr 1533 in der Schulzenstraße 3.

In Mode waren zur Zeit der Renaissance (in Deutschland von etwa 1580 bis 1640) lateinische Verse sowie Zauberknoten, Runen und Lebensbäume.


Manfred Gruner, Historiker aus Braunschweig, hat schon zu DDR-Zeiten Osterwieck kennen- und schätzen gelernt. Die Altstadt – die „Perle von Sachsen-Anhalt“ - wirke heute „wie Phönix aus der Asche“. Manfred Gruner empfiehlt einen Besuch im Heimatmuseum am Markt 1, dem früheren Rathaus aus dem Jahr 1265, mit Umbauten in den Jahren 1554 bis 1560. Denn auch im Museum gibt es viele Dinge, die etwas zu erzählen haben, zum Beispiel vom Osterwiecker Rat, von den sieben Gilden, vom Ledergeld, von Waffen und natürlich von der Reformationszeit. Und jeden ersten Sonnabend im Monat wird um 11 Uhr - vom Markt 11 ausgehend - eine Stadtführung angeboten, um die Stadt noch besser entdecken zu können.


Und dann wird sicherlich berichtet, dass Kaiser Karl der Große im Jahr 780 in „Ostrewic“ (wic= Handelsplatz) – wohl zunächst „Saligenstede“ genannt – eine Kirche und ein Missionszentrum gegründet haben soll, das 804 nach Halberstadt verlegt wurde. Und sicherlich werden viele weitere kleine Zeitreisen unternommen.

Und manche Besucher werden beim Rundgang durch die Fachwerkstadt oder beim Eintauchen in die Aura der Kirche den historischen, aber auch spirituellen und ästhetischen Geist vergangener Zeiten wahrnehmen, der gerade aufgeklärte Zeitgefährten bewegen kann, ihren kritischen Drive mit historischer Verantwortung zu verbinden - um nicht in der Gegenwart durch Geschichtsvergessenheit abzuheben, sondern stets dankbar, menschlich sowie erneuerungsfähig, ja neugierig zu bleiben.

Manuela Hennig drückt es so aus: „Mich begeistert diese Stadt einfach. Und ich entdecke immer wieder etwas Neues.“


(Veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster

am 16.8.2020)


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt


Der bewegte Wanderer


Warum er denn so gerne wandere? wird ein Mann gefragt, der gerade in seine Wanderkarte schaut. Er blickt erstaunt auf und antwortet: Immer, wenn er sich unter freiem Himmel bewege, fühle er sich frei. Und dann fügt er noch hinzu: Ich habe keinen Aufpasser, der alles kontrolliert. Keine Spaßbremse, die alles madig macht. Keine Fee, die alles für mich macht. Keinen Götzen, der alles von mir fordert.


Der Fragende versteht nicht so recht. Der Wanderer schildert seine Erfahrungen: Wenn er auf das Singen der Vögel lausche, höre er auch etwas Wichtiges über sich selbst. Wenn er über die Schönheit der Blumen staune, dann sehe er auch etwas Prächtiges in seinem Leben. Überhaupt, wenn er das Werden und Vergehen in der Natur beobachte, dann könne er auch eine unsichtbare und schöpferische Hand entdecken. Deshalb suche er Orte der Stille, gehe manchmal wie auf Zehenspitzen durch den Wald, wolle ungestört, unbeobachtet und unkontrolliert etwas Frieden und Geborgenheit erleben.


Aber wenn die Natur Stress mache, weil plötzlich der Nebel den Blick verstelle, dunkle Wolken und ein gefährliches Gewitter die Gefühle verändere? Oder wenn er an einer Wegkreuzung stehe und sich verlaufen habe, er eine Entscheidung fällen müsse - was dann?


Langsam wird deutlich: Ein Wanderer in Schönwetterzeiten, vor allem jedoch ein Wanderer, der durch schwere Zeiten gut hindurchkommen will, lebt von verschiedenen Begabungen, die wie unterschiedliche Geschwister sind. Sie verstehen sich nicht immer, kämpfen manchmal sogar gegeneinander, aber sie werden alle gebraucht, wenn ein Mensch (über-) leben will:

Die rationale Begabung des Menschen kann die Wanderkarte lesen, analysieren und neue Wege begründen.

Die poetische Begabung nimmt die Ästhetik der Bäume, Tiere und Pflanzen wahr, die auf keiner Karte verzeichnet ist.

Und die intuitive Begabung erahnt, dass der ganze Mensch mit all seinen Sinnen etwas finden kann, was er vielleicht gar nicht gesucht hat, aber als Gottes Gabe und Liebe spürbar ist:

Eine Sonne, die den Nebel der Sorgen und Ängste vertreibt. Einen Himmel im Menschen, der Freiheit und Freude schenkt.

Burkhard Budde


(veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt am 8.8.2020 in Ostwestfalen und Lippe)



Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt


The moving wanderer


Why does he like to hike so much? a man is asked who is just looking at his hiking map. He looks up in amazement and answers: Whenever he walks under the open sky, he feels free. And then he adds: "I don't have a supervisor who checks everything. I have no buzzkill to put a damper on everything. No fairy to do everything for me. "No idol who demands everything of me.


The questioner doesn't quite understand. The wanderer describes his experiences: When he listens to the birds singing, he hears something important about himself. When he is amazed at the beauty of the flowers, he also sees something magnificent in his life. In general, when he observes the coming and going of nature, he can also discover an invisible and creative hand. That is why he looks for places of silence, sometimes walking through the forest as if on tiptoe, wants to experience some peace and security undisturbed, unobserved and uncontrolled.


But what if nature causes stress, because suddenly the fog blocks the view, dark clouds and a dangerous thunderstorm change the feelings? Or if he stands at a crossroads and gets lost, he has to make a decision - what then?


Slowly it becomes clear: a hiker in good weather, but especially a hiker who wants to get through difficult times well, lives from different talents, which are like different brothers and sisters. They do not always get along with each other, sometimes even fight against each other, but they are all needed if a person wants to (survive):

The rational talent of man can read the map of trails, analyse it and create new paths.

The poetic talent perceives the aesthetics of the trees, animals and plants, which are not recorded on any map.

And the intuitive talent foresees that the whole human being can find something with all his senses that he may not have been looking for, but which can be felt as God's gift and love: a sun that dispels the mist of worries and fears. A heaven in man that gives freedom and joy.

Burkhard Budde


(also published in the Westfalen-Blatt on 8.8.2020 in Ostwestfalen and Lippe)


YOU SILENCE I BIRD

im Wolters Kulturgarten
in Braunschweig am 6.8.2020
mit neuen Songs und viel Schwung.

Der Indie-Pop-Abend im Einklang mit den "Corona-

Spielregeln" war wieder ein Gewinn für Freunde des musikalischen Dialoges zwischen Natur und Kultur.




Der Musikfreund konnte sich mit Hilfe der universellen Sprache der Gefühle im freiheitsliebenden Kleid der Indie-Pop-Musik bewegt bewegen lassen.

Danke!

Burkhard Budde


Wernigerode – ein Magnet, der begeistert

Von  Burkhard Budde


Welches liebevolle Prädikat soll man diesem beeindruckenden Magneten geben, der trotz oder gerade wegen seines Alters immer noch, sogar immer mehr ausstrahlt und anzieht? Die „Bunte Stadt am Harz“? Das „Venedig des Nordens“?  Die „Stadt mit dem Neuschwanstein des Harzes“? Die „Stadt mit exotischer Note“? Der „Diamant mit vielen historischen Perlen“? Wie auch immer: Es gibt in Wernigerode am Nordrand des Harzes auf jeden Fall eine Vielzahl von faszinierenden Magneten, die selbst Neugierige noch neugieriger machen.

Diese unstillbare Neugier kannten bereits große und unvergessene Dichter, die erlebnis- und zugleich wissensdurstig waren. Und deshalb den Ort Wernigerode in Sachsen-Anhalt, der sich in zwei Tälern erstreckt und in den Harz hineinreicht, aufsuchten;

zum Beispiel 1777 Johann Wolfgang Goethe, unermüdlicher Schöpfer deutschsprachiger Dichtung mit Meisterwerken der Weltliteratur;

1860 Wilhelm Raabe, Schriftsteller aus dem Weserbergland, der mehrere Jahre in Wolfenbüttel und in Stuttgart, etwa 40 Jahre in Braunschweig lebte und 1873 in Bad Harzburg während eines Sommeraufenthaltes die Geschichte „Zum Wilden Mann“ schrieb;

1880 Theodor Fontane, Schriftsteller, der eine Liebeserklärung im Blick auf den zum Kur- und Erholungsort gewordenen Wernigerode verfasst hat: "Ich liebe diesen Ort so, dass ich, ich will nicht sagen, hier sterben, aber hier begraben sein möchte." (gestorben und begraben ist Fontane allerdings 1898 in Berlin)

Oder 1907 Hermann Löns, Natur-, Heide- und Heimatdichter, der die Bezeichnung Wernigerode als „Die bunte Stadt am Harz“ prägte und dem 1929 ein Gedenkstein im Stadtteil Hasserode errichtet wurde.


Neugierig auf diese Stadt ist in diesem Jahr auch erneut der Autor dieses Artikels. Die Stadt mit den Harzbergen als Silhouette, die sich gleichsam in die Natur hineinkuschelt, und das „Schloß Wernigerode“, das auf einer Anhöhe rund 100 Meter oberhalb der Stadt liegt, dessen Glanz und Würde man bereits aus der Ferne erahnt, weckt die Lust auf neue Abenteuer: Welche Geheimnisse schlummern hinter den historischen Mauern und in kulturellen Häusern schlummern und können neu entdeckt werden?

Doch beim diesjährigen Ausflug in die Stadt mit etwa 34 000 Einwohnern gibt es zunächst eine andere Überraschung. Aus der Ferne grüßt das Riesenrad „Grand Soleil“ der Familie Göbel. Gerne wird dieser Gruß erwidert. Denn in 48 Meter Höhe gewinnt man einen Überblick: Man sieht die mittelalterliche Stadt, aber auch ihre zeitgeschichtliche Bauentwicklung, vor allem jedoch die Vorharzlandschaft und den Oberharz.

Anschließend geht es mit der Schlossbahn vom Schlossparkplatz Anger zum „Schloß Wernigerode“, dem Wahrzeichen der Stadt, die 1121 erstmals urkundlich erwähnt wird. Unterwegs berichtet der Fahrer der modernen E-Bahn, dass die Stadt im letzten Jahr etwa zweieinhalb Millionen Tagesgäste gehabt hat. Aber dann verzaubert das Schloss selbst die Gäste. Es ist von Gärten eingerahmt und bietet mit seiner Aura noch einen anderen einmaligen Ausblick auf Stadt und Umgebung als ein Riesenrad. 

Und manche scheinen sich auch für die Bau- und Eigentümergeschichte zu interessieren:

Zunächst „Castrum Wernigerode“ (1213),

Grafenburg (1268 belehnt Markgraf von Brandenburg den Grafen Konrad von Wernigerode mit der Burg),

Burg des Erzbischofs von Magdeburg als Lehnsherrn (1381), Residenz der Familie zu Stolberg-Wernigerode (1429 war das  Geschlecht der Wernigeröder Grafen erloschen und Wernigerode kommt zur Grafschaft Stolberg),

Verwüstung im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648),

Umbau zum Barock- und Residenzschloss (1671-1676), wieder Sitz der Grafen zu Stollberg-Wernigerode (ab 1710), Repräsentationsschloss als historistisches Gesamtkunstwerk im neogotischen Stil (1862-1885 durch den Grafen Otto zu Stolberg-Wernigerode, Stellvertreter Otto von Bismarcks und Vizekanzler des Deutschen Reiches, sowie durch den Architekten Carl Frühling, auf den auch die Terrassengestaltung des Weingartenbereichs am Schloss zurückgeht),

Museum (seit 1930) mit überraschenden Erlebnissen und Einblicken in die Wohnkultur des deutschen Hochadels im 19. Jahrhundert (weitere Infos: www.schloss-wernigerode.de)

Manfred Gruner, Braunschweiger Historiker, ist seit Mitte der 1950er Jahre immer gern in Wernigerode gewesen. Besonders „gruselig“ erlebte er im damaligen „Feudalmuseum“ des Schlosses die Folterkammer, die heute nicht mehr zur Besichtigung freigegeben ist.


Auf dem ältesten Teil von Wernigerode, dem „Klint“, steht das Gebäude der St.-Sylvestri-Kirche. Benediktinermönche aus dem Kloster Corvey bauten der Legende nach an dieser Stelle eine Kapelle, die den Mittelpunkt der Siedlung Wernigerode bilden sollte. Ein Umbau in eine dreischiffige, kreuzförmige romanische Basilika erfolgte im 10. Jahrhundert, ein weiterer Umbau in eine frühgotische Basilika anlässlich der Gründung eines Chorherrenstiftes 1265, schließlich ein Umbau im neugotischen Stil mit der Errichtung eines neuen Turms in den Jahren 1880 bis 1886, erzählt Manfred Gruner.


Der höchste Punkt von Wernigerode ist übrigens der Brocken (gerundet 1141 Meter hoch), da das Brockenplateau zum Stadtgebiet von Wernigerode gehört. Und der bekannteste Mann der Stadt ist der „Brocken-Benno“, der in Wernigerode lebt und der zu seinem 88. Geburtstag am 20. Mai 2020 zum 8.888 Mal auf den Brocken stieg.

Der bunte, ausstrahlende und anziehende Magnet Wernigerode bietet eine Fülle von offenen Geheimnissen, die jeden liebenswürdigen Neugierigen begeistern können; zum Beispiel das Rathaus als eine Perle des mittelalterlichen Fachwerkhauses am Marktplatz; das „Kleinste Haus der Stadt“ mit nur zehn Quadratmetern Wohnfläche; der Miniaturenpark „Kleiner Harz“ im Bürgerpark, der mehr als 80 kulturhistorische Bauwerke des Harzes zeigt; die Harzer Schmalspurbahnen, die mit Dampf betrieben werden und auch von Wernigerode aus starten, wenn man zum Brocken will; das Harzplanetarium. Oder die vielen Museen, Kirchen, Galerien, Wandertouren, die kulturellen und gastronomischen Angebote (nähere Infos erteilt gerne die Tourist- Information, www.wernigerode-tourismus.de).

Manfred Gruner übrigens genießt zudem mit seiner Frau Hella bei Besuchen der Stadt, der ehemaligen „DDR-Vorzeigestadt“, die guten Einkaufsmöglichkeiten auf den Flaniermeilen Westernstraße und Breite Straße. Und er empfiehlt, sich den Wohltäterbrunnen auf dem Marktplatz vor dem Rathaus genauer anzusehen. Er entstand im Stil der Neogotik, ist in einer Eisengießerei zu Ilsenburg gegossen worden und befindet sich seit 1848 auf dem Platz. Er stellt eine Erinnerung an Menschen dar, die sich um das Wohl der Stadt verdient gemacht haben. „Wappenschilde am oberen Beckenrand verweisen auf Namen von Angehörigen des Grafengeschlechts und Adligen der Stadt, während am mittleren Beckenrand Namen von Bürgern und Bürgerinnen aufgeführt sind“, erläutert Gruner. Namen sind eben mehr als Schall und Rauch, auch Programm, manchmal stehen sie auch für Taten, die wegen ihrer bleibenden Qualität bis heute sichtbar sind und  neugierig machen.


Immer bleibt die unstillbare Neugierde, die immer größer wird, wenn man sich diesem Magneten nähert. Denn wer einmal in Wernigerode ist, muss nicht begeistert werden – der ist es schon. Und darum könnte das Prädikat dieser Stadt auch heißen „Ein bunter Magnet, der begeistert.“


(Veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster

am 9.8.2020)


Geistlicher Impuls


Licht in der Schlangengrube


Neugierig blickt ein kleiner Hund in eine dunkle Schlangengrube. Und erschrickt. Etwas Unheimliches und Rätselhaftes, Vieldeutiges und Gegensätzliches blitzt in den Augen der Schlangen auf.


Eine grimmig blickende Schlange, die aber wohl Mitleid mit der kleinen Kreatur hat, richtet den Oberkörper auf und zischt: „Fall nicht in die Grube! Hier wird Gift gespritzt sowie auch schnell und überraschend zugebissen“. Und es werde genau gerechnet, akribisch und detektivisch auf- und abgerechnet, besonders bei noch offenen Rechnungen. Was nicht fair ausgetragen worden sei, werde fies nachgetragen.


Eine andere Schlange, die sich gerade gehäutet und erneuert hat, mischt sich ein und faucht: „Da übertreibst du aber. Es geht nur darum, sich geschickt anzupassen und keine Blöße zu zeigen. Dann wirst du überleben und auch fette Beute machen.“ Und sie kriecht und schleicht sich mit ihrer gespaltenen Zunge stolz davon. Und hinterlässt auf ihrem Weg schleimige Spuren voller Gier.


„In dieser Grube“, flüstert eine scheue Schlange dem Hund gleichsam ins Ohr, „findest du Unheil, aber auch Heil; Unglück, aber auch Glück; Dummheit, aber auch Weisheit – stets schöpferisch Unerschöpfliches. Spring und sieh selbst.“


Gerade will der kleine Hund in die Grube springen, als er die Rufe seines Halters hört. Und er ruft zum Abschied noch in die Grube: „Ich muss los. Kommt doch auch zu meinem Halter, der alle Geschöpfe unendlich liebt. Und jedes einzelne Geschöpf mit liebenden Augen sieht.“ Da müssen alle Schlangen spontan lachen. Manche lauter. Manche in sich hinein.


Aber eine hört auf zu lachen, als sie oberhalb der Grube einen Sonnenstrahl sieht, der ein wenig Licht in die Grube wirft. Diese Schlange reibt sich den Schlafsand aus den Augen und denkt über einen liebenden Blick nach, gleichsam über den Schöpfer aller Kreaturen. Und wird neugierig auf Neuanfänge innerhalb und außerhalb der Grube, auf einen ewigen Lichtstrahl in zeitlicher Finsternis.


Burkhard Budde


(veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt am 1.8.2020 in Ostwestfalen und Lippe)


Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt


Light in the snake pit


Curiously a small dog looks into a dark snake pit. And scared. Something eerie and mysterious, ambiguous and contradictory flashes in the eyes of the snakes.


A grim-looking snake, who is probably taking pity on the little creature, raises its upper body and hisses: "Don't fall into the pit! Poison is sprayed here and also bitten quickly and surprisingly". And it is precisely calculated, meticulously and detective-like, especially when there are still outstanding bills. Anything that was not carried out in a fair manner was badly resenacted.


Another snake, which has just shed its skin and renewed itself, interferes and hisses: "You're exaggerating. It's all about skilfully adapting and not showing any nakedness. Then you'll survive and make a great plunder too." And she crawls away proudly with her forked tongue. leaving behind slimy traces of greed.


"In this pit," whispers a shy snake in the dog's ear, as it were, "you will find misfortune, but also salvation; misfortune, but also happiness; stupidity, but also wisdom - always creatively inexhaustible. Jump and see for yourself."


The little dog is about to jump into the pit when he hears the cries of his owner. And he calls out into the pit to say goodbye: "I must go. Come to my owner, who loves all creatures infinitely. And who sees every single creature with loving eyes." All snakes have to laugh out loud. Some laugh louder. Some inside themselves.


But one of them stops laughing when it sees a ray of sunlight above the pit, which throws a little light into the pit. This snake rubs the sleeping sand out of its eyes and thinks about a loving look, as it were about the creator of all creatures. And becomes curious about new beginnings inside and outside the pit, about an eternal ray of light in temporal darkness.


Burkhard Budde


(also published in the Westfalen-Blatt on 1.8.2020 in Ostwestfalen and Lippe)


Faszination Bergstädte im Oberharz

Von  Burkhard Budde


Die Sehnsucht ist groß. Und sie wird mächtiger, wenn man asphaltierte Wege verlässt und die Natur hautnah erlebt. Sinnliche Erfahrungen des Ursprünglichen und Elementaren, nach der sich viele Menschen sehnen, können beim Gehen im Freien, beim Spaziergang oder bei der Wanderung durch Mutter Natur, erlebbar werden. Und begeistern.


Denn unter der Oberfläche gewachsener Kultur- und Techniklandschaft schlummert in der Tiefe wilde Natur, die vom neugierigen Besucher entdeckt werden kann. Und umgekehrt berührt die Natur den staunenden Besucher - zum Beispiel mit einem Sonnenstrahl, der durch ein Blätterdach fällt, und die Nase des Wanderlustigen zärtlich streichelt. Oder mit dem harzig, würzigen Waldgeruch, der langsam  in seine Nase kriecht.


Der Wanderer - früher auch der Pilger, der Handwerksbursche oder der Schausteller -, der zu Fuß aufbricht, bewusst eine Auszeit vom Alltag nimmt, will entschleunigen, sich erholen oder ablenken, Energie tanken oder Freundschaften stärken, Regionen erwandern oder sich einfach über kleine Dinge in der Natur freuen. Er will und muss nicht alles mit dem Kopf begreifen, aber er kann versuchen, alles ganzheitlich und sinnlich wahrzunehmen: Die brennende Sonne, den erfrischenden Regen, die entspannende Ruhe. Und die eigene Unruhe und seinen eigenen Stress zu bewältigen.

Aber wo gibt es solche natürlichen Wellnessoasen, die in der Natur fit für den Alltag machen oder einfach zweckfrei ein beglückendes Freiheitserlebnis vermitteln? Viele Rückzugs- und Erholungsorte sind bekannt und anerkannt. Doch nicht jeder kennt die Bedeutung der Bergstädte im Oberharz: Von Wiesen, Wäldern und Bergen umgeben, mit ihren Flüssen, Teichen und Seen, Talsperren und historischen Besonderheiten wie Bergwerksmuseen und Gruben sind alle sieben Bergstädte Oasen faszinierender Einheit von Kultur und Geschichte sowie Technik und Natur.

Die Bergstadt Bad Grund (etwa 8238 Einwohner), die erstmals 1317 als Forstort urkundlich erwähnt wurde und damit die älteste der Bergstädte ist, war wegen des Erzbergbaus bereits um 1450 zu einem Berg- und Hüttenort geworden. Heute gehört der seit dem 19. Jahrhundert anerkannte Kurort mit dem einzigen Moorbad im Harz zu den Harzer „Leuchttürmen“. Und seine Schachtanlage Knesebeck (mit dem einzigartigen Hydrokompressorenturm) zum Weltkulturerbe.


Darüber hinaus nennt Volker Höfert, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, als weitere Besonderheit die Iberger Tropfsteinhöhle mit dem Museum im Berg. Überhaupt sei Bad Grund fernab vom Massentourismus ein „überschaubarer, ruhiger Urlaubsort“. Und die Heilklimawege sowie die Wander- und Bike-Routen seien besonders zu empfehlen.

In der Bergstadt Lautenthal (etwa 1513 Einwohner), die 1538 als Bergmannssiedlung gegründet und 1580 Stadt wurde, ist nach Ortsbürgermeister Hartmut Arndt das alte Aussehen „größtenteils unverfälscht erhalten“ geblieben. Teilweise stehen ganze Straßenzüge unter Denkmalsschutz, damit dieser Charakter – anfangs gab es einen langgestreckten Straßenmarkt im Tal der Laute, die neben dem Fluss der Innersten die Stadt durchfließt - nicht verloren geht. An die alte Zeit erinnern auch der historische Marktplatz mit der Barock-Kirche aus dem Jahr 1659, das Bergbaumuseum „Lautenthals Glück“ sowie ein etwa vier Kilometer langer Bergbaulehrpfad auf dem Kranichsberg, der an dem „Lautenthaler Kunstgraben“ (Teil des Weltkulturerbes Oberharzer Wasserwirtschaft) entlang führt. Und der Ortsbürgermeister hat noch einen Tipp: Stellplätze für Wohnmobile neben dem beheizbaren Freibad mit Liegewiese und Spielplatz.

Die Bergstadt Clausthal-Zellerfeld (etwa 14.561 Einwohner) - mit dem offiziellen Titel „Berg- und Universitätsstadt“ -  wurde wohl als erste Besiedlung im heutigen Zellerfeld Anfang des 13. Jahrhunderts durch Mönche des Benediktinerklosters „Cella“ geschaffen. 1431 wurde das Kloster geschlossen. Anfang des 16. Jahrhunderts erfolgte eine zweite Besiedlung durch Sächsische Einwanderer aus dem Erzgebirge, die von den braunschweigischen Herzögen für den Bergbau im Oberharz gewonnen werden konnten. Zellerfeld erhielt 1529 Stadtrechte; 1554 bekam auch Clausthal die Bergfreiheit. Beide Bergstädte, die zunächst selbstständig waren, wurden 1924 zusammengeschlossen. Seit 1930 wird im Stadtgebiet kein Bergbau mehr betrieben.


Die heutige Stadt, so Bürgermeisterin Britta Schweigel, „punktet“ neben dem ältesten Bergwerksmuseum Deutschlands mit der Marktkirche zum Heiligen Geist auf dem Marktkirchenplatz, die 1642 geweiht wurde, der größten erhaltenen Holzkirche in Deutschland - umringt von historischen Gebäuden wie „Rathaus“ und „Oberbergamt“. Die Bürgermeisterin betont mit berechtigtem Stolz das „internationale Flair und das multikulturelle Studentenleben“ ihrer Stadt. Es gibt etwa 4000 Studenten, etwa 1000 Mitarbeiter und etwa 80 Professoren an der Uni. Und natürlich „unberührte Natur“, wo „ruhiges Wandern in beschaulichen Wäldern“ sowie an vielen Teichen entlang möglich ist.

Die Bergstadt Wildemann (etwa 786 Einwohner), 1529 auch von Bergleuten aus dem Erzgebirge gegründet, 1534 zur Stadt erhoben, schlängelt sich mit vielen Bergmannshäusern entlang der Innersten. Am Rande des Ortes liegt der Bergbauernhof „Klein Tirol“. Geworben wird insbesondere mit einer der bedeutendsten erhaltenen Anlagen des Oberharzer Silberbergbaus, der 1924 zum Erliegen kam, nämlich dem Bergwerk „19-Lachter-Stillen“ mit der „Grube Ernst August“.

Die Bergstadt Altenau (etwa 1758 Einwohner), die 1617 Stadtrechte erhielt, auch vom Bergbau geprägt ist, liegt mitten im Harz - zum Gipfel des Brockens, der mit 1142,2 Meter Höhe der höchste Berg des Mittelgebirges ist - sind es zwölf Kilometer. In Altenau entspringt die Oker, die die stark bewaldete Stadt mit zahlreichen Tälern und Hügelkuppen durchfließt. Besondere Attraktionen sind die Holzkirche St. Nikolai (errichtet 1669), der Kräuterpark (2004 eröffnet), die Thermen- und Saunalandschaft „Kristall Heißer Brocken“ (Neubau 2007) und „Die Altenauer Runde“, die zu Fuß den heilklimatischen Kurort bzw. die „Fünf-Täler-Stadt“ mit Dammgraben, dem Hütten- und Okerteich (Teil des UNESCO Weltkulturerbes) von der schönsten Seite entdecken lässt. Und wenn man will, kann man sich anschließend mit Altenauer Bier erfrischen, das es seit 400 Jahren gibt.

Die Bergstadt Sankt Andreasberg (etwa 1601 Einwohner), die 1535 Stadtrechte erhielt, war eine blühende Bergmannssiedlung. Um 1575 gab es in und um Sankt Andreasberg über 300 Gruben. Vor allem 1527 waren auch hier Bergleute aus dem böhmischen und sächsischen Erzgebirge sowie aus dem Mansfelder Land zum höchstgelegenen Ort des Harzes gekommen. Der Glockenturm auf dem Glockenberg (627 Meter hoch), das Wahrzeichen der Stadt, wurde 1688 errichtet, 1835 abgerissen und neu gebaut.

Stolz sind die Sankt Andreasberger im Naturpark Harz am Rande des Nationalparks Harz auf die Sternwarte Sankt Andreasberg (eröffnet 2014), auf die Dachdeckerschule (seit 1966), vor allem jedoch auf die Grube Samson (Teil des UNESCO-Weltkulturerbe zusammen mit dem Bergwerk Rammelsberg, der Goslarer Altstadt und der Oberharzer Wasserwirtschaft), in der die weltweit einzige, noch betriebsfähige Fahrkunst und zwei Wasserräder von neun Meter und zwölf Meter Durchmesser zu sehen sind. Und auf die Grube Catharina Neufang, die Einblick in den Bergbau um 1500 gibt. Aber auch das weltweit einmalige Kanarienvogelmuseum gehört zu den Schätzen der Bergstadt. Der „Harzer Roller“, der unter Tage vom geruchlosen Kohlenmonoxid am schnellsten betroffen war und dadurch die Bergleute warnen konnte, wurde früher von Bergleuten gezüchtet und verkauft, um eine zusätzliche Einnahmequelle zu haben.

Für besonders Wissbegierige bietet sich das Nationalparkhaus Sankt Andreasberg mit seinen Infos über Geologie, Ökologie und Bergbau an. Für besonders Erlebnishungrige können die Sommerrodelbahn sowie das Skigebiet Matthias-Schmidt-Berg genannt werden. Und für Goethe-Fans wird interessant sein, dass sich der Dichterkönig in Andreasberg 1777 über den Bergbau informierte und 1783 entlang des Rehberger Grabens wanderte. (Und sich übrigens auch 1777 in Altenau und überhaupt im Harz aufhielt.)

Wer – wie Goethe oder wie ein Natur-und Kulturfreund unserer Tage - den Oberharz besucht, wird es nicht bereuen: Er kann sich an der frischen Luft erfreuen, schöpferische Ruhe in einer idyllischen Landschaft und in verwegenen Wäldern finden, aber auch die Spuren der Vorfahren freundlicher Harzer entdecken, die als Pioniere des Bergbaus hart gearbeitet, vor allem die Weichen für die Zukunft gestellt haben.


Und wer mit allen Sinnen die Natur- und Kulturwelt „erwandert“, kann sich ihrem Bann nicht entziehen. Und seine Sehnsüchte können gestillt werden.


P.S.

Dass einst freie Bergstädte heute nicht mehr „frei“ sind, sondern sich mit anderen Städten „gefunden“ haben – dass beispielsweise Sankt Andreasberg zu Braunlage gehört – sei nur angemerkt: Doch wen kümmert das schon, wenn er die Freiheit in der Bergwelt erlebt?!


(veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster

am 2.8.2020)


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt

Die Denke bedenken?!


Gefreut haben sich schon viele über großzügiges, geärgert über pingeliges Denken. Entsetzt sind viele, wenn das Denken nur um sich selbst kreist, boshaft oder intrigant geprägt ist; erleichtert, wenn einer seine verkrustete Denke erneuert, beweglich und lernfähig ist.


Jeder Mensch kann in eine zermürbende Reflexionsmühle geraten: Ist ein Mitmensch ein Heuchler, der sich geschickt verstellt? Ein Intrigant, der hinterhältig ist? Ein Rächer, der es anderen heimzahlt? Ein Ahnungsloser, der sich über den Tisch ziehen lässt? Ein Langweiler, der gedankenfaul ist? Bin ich selbst etwa ungeliebt („Keiner mag mich!“), ein Opfer („Alle sind gegen mich!“), ein Versager („Ich mache alles falsch!“), ein Fiesling („Gehe ich über Leichen?“).


Solche oder ähnliche finstere Gedanken sind wie schweres Gepäck, das ermüdet, unbeweglich, lustlos und unzufrieden macht. Und manche Befürchtung wird dann wie von Geisterhand erfüllt. Denn was gedacht wird, muss zwar nicht stimmen, kann aber das Verhalten und die Handlung bestimmen.


Zum Glück können negative Gedanken im Kopf mit positiven Gedanken in Schach gehalten, gesteuert oder überwunden werden: zum Beispiel der Gedanke, der Angst macht, mit einem Gedanken, der Vertrauen stärkt und Mut weckt – natürlich nur, wenn der Betroffene immer wieder neu das Steuer verantwortungsbewusst in die Hand nimmt.


In einem offenen und weiten Raum des Denkens ist sogar Platz für die Sehnsucht nach der Macht der Liebe. Am Gedanken, dass ich ein „Gedanke Gottes“ bin und dass Gott selbst ein „glühender Backofen voller Liebe“ (Luther) ist, kann ich mich erwärmen, die Gewissheit erfahren, bedingungslos geliebt zu sein, ohne abzuheben oder blind fanatisch zu werden. Vor allem kann dieser „liebende Gedanke“ einem Menschen die Kraft zum Um- und Neudenken schenken.


Diese Haltung ist erlebbar. Und trainierbar: Zum Beispiel mit der positiven Perspektive gegenseitiger Wertschätzung; der konstruktiven Perspektive empathischer Achtsamkeit; der eigenständigen Perspektive unabhängiger Mündigkeit.

Auf jeden Fall lohnt es sich, die Denke kritisch zu bedenken.

Burkhard Budde


(veröffentlicht auch im Westfalen-Blatt am 25.7.2020 in Ostwestfalen und Lippe)


Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt


Thinking?!



Many have been delighted by generous thinking, but annoyed by fussy thinking. Many are horrified when the thinking is only about itself, malicious or scheming; relieved when one renews his encrusted thinking, is flexible and capable of learning.


Every person can get into a gruelling reflection mill: Is a fellow human being a hypocrite who cleverly disguises himself? A schemer who is devious? A revenger who gets back at others? An unsuspecting man who lets himself be taken over? A bore who is lazy in thought? Am I myself unloved ("Nobody likes me!"), a victim ("Everyone is against me!"), a failure ("I do everything wrong!"), a meanie ("Will I kill myself?").


Such or similar dark thoughts are like heavy baggage that makes you tired, immobile, listless and dissatisfied. And some fears are then fulfilled as if by magic. For what is thought may not be true, but it can determine behavior and action.


Fortunately, negative thoughts in the head can be kept in check, controlled or overcome with positive thoughts: for example, the thought that makes you afraid, with a thought that strengthens trust and inspires courage - of course, only if the person concerned takes the wheel responsibly again and again.


In an open and wide space of thinking there is even room for the longing for the power of love. The thought that I am a "thought of God" and that God himself is a "glowing oven full of love" (Luther) can warm me up, I can experience the certainty of being unconditionally loved without taking off or becoming blindly fanatical. Above all, this "loving thought" can give a person the strength to rethink and rethink.


This attitude can be experienced. And trainable: For example with the positive perspective of mutual appreciation; the constructive perspective of empathic mindfulness; the independent perspective of independent maturity.

In any case, it is worthwhile to critically consider the thinking.

Burkhard Budde


(also published in the Westfalen-Blatt on 25.7.2020 in Ostwestfalen and Lippe)


Einzigartiger Fingerabdruck der Stadt Goslar

Von Burkhard Budde

Eine einzigartige Stadt am Rande des Harzes lädt zu einer faszinierenden Reise ein. Es geht um keine 08/15-Reise, die mit Stress und Langeweile kämpft und nur wenig vom Alltagsleben ablenkt. Auch ist an keine Luxusreise gedacht, die superteuer, status- und genussverliebt angeboten wird. Die Reise nach Goslar in eine Stadt mit etwa 51 000 Einwohnern, vor allem mit 1800 Fachwerkhäusern, Plätzen und Altstadtgassen, ist vielmehr eine Begegnung mit einem unverwechselbaren Fingerabdruck insbesondere deutscher Kultur und Geschichte – für erlebnishungrige und zugleich geistoffene Besucher.


Diese Erlebnisreise in die Welt der Vorfahren befreit nicht nur von den Fesseln einer genervten und getriebenen Seele, sondern auch von der bedrückenden Enge des oberflächlichen und bequemen Geistes. Sie kann die Gegenwart verstehbarer und erlebbarer, aber auch gegenwärtige Herausforderungen für die Welt der Nachfahren verantwortbarer machen.

Der Markplatz in Goslar


Die Reise führt in das „Nordische Rom“ – im Mittelalter war die Stadt mit Königspfalz, Kaiserresidenz, Silberbergbau, mit 47 Kirchen, Klöstern und Kapellen ein pulsierendes Zentrum der Macht und des Glaubens; in eine Weltkulturerbestätte der UNESCO, wozu die Altstadt gemeinsam mit dem ehemaligen Erzbergwerk Rammelsberg am Stadtrand gehört. Die Reise führt vor allem zum „Geist des Ortes“, zum genius loci, der beim Eintauchen in die Aura Goslars sowie beim Betrachten historischer Details geweckt wird. Und zu einem unvergesslichen Erlebnis verschmilzt: durch Wahrnehmung - ohne einfache Ablenkungsmanöver, durch faire Erinnerung - ohne einseitige Gegenwartsfixierung, durch neues Wissen - ohne sture Überheblichkeit sowie durch eigene Deutung - ohne blinde Gefolgschaft einer Interpretation.


Und welche „Augenöffner“ kann der Oberbürgermeister dieser ehemaligen kaiserlich freien Reichsstadt (von 1340 mit der Verleihung des Heerschildrechts durch Kaiser Ludwig des Bayern bis 1802 mit der preußischen Besetzung) empfehlen? „Ein absolutes Muss, um Goslar kennenzulernen, ist ein Spaziergang durch die historische Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern und mittelalterlichen Bauten,“ meint OB Dr. Oliver Junk (Foto: Stadt Goslar/Klingebiel) und fügt hinzu: „Anschließend bietet es sich an, durch die Wallanlagen zu schlendern, die 2018 umgestaltet wurden und mittels Infostelen Erklärungen und geschichtliche Hintergründe zu den Teichen, der Stadtbefestigung und bergbaulichen Anlagen bereithalten.“


Da im 15. Jahrhundert das Raubritter- und Fehdewesens sein Unwesen trieb, wurden die Befestigungen der aufstrebenden und blühenden Stadt, die besonders aus Berg-, Hütten- und Forsteinkünften zu Wohlstand gekommen war, immer wichtiger. Bis heute spiegeln Häuser, das Rathaus, die Gilde- und Bürgerhäuser im Zentrum der Stadt diesen Wohlstand wider, die von 1267 bis 1566 zum Städte- und Kaufmannsbund der Hanse gehörte, aber auch Handel (mit Kupfer und Silber, Bier, Schiefer, Vitriol bzw. Galitzenstein) mit Städten der Region trieb. Die Bürgerstadt, die im 14. Jahrhundert ein Holzröhrensystem hatte, mit dem alle Häuser mit fließendem Wasser versorgt werden konnten. Die bis 1511 alleiniger Besitzer aller Gruben am Rammelsberg war. Die Auseinandersetzungen mit den Braunschweiger Herzögen vor allem wegen der Rechte am Rammelsberg hatte, ab 1568 mit Herzog Julius, der als Schutzherr von Goslar das Unterharzer Berg- und Hüttenwesen umgestalten ließ. Wie viele andere Städte erlebte die stolze Handelsstadt Goslar in der nachmittelalterlichen Zeit einen Verlust der Unabhängigkeit und Selbstständigkeit durch das Erstarken der Territorialstaaten.


Aber zurück zur Gegenwart. Oliver Jung hat noch einen persönlichen Tipp: „Mein Geheimtipp ist der Blaue Haufen. Er bietet einen Blick auf Goslar von unten und von oben.“ Und in der Tat: Am Rammelsberg gibt es Bergwiesen, wo sich der sogenannte „Blaue Haufen“ aus ehemals blauschwarzem und heute mit Gras und Gebüsch überwucherten Schiefer-Hügel aus dem Jahr 1572 befindet. Hier muss sich ein Lichtloch zum 88 Meter tiefen Schacht befunden haben, um die Bergleute im Stollen mit Frischluft versorgen zu können. Heute ist diese „erlebnisreiche Schnittstelle zwischen unsichtbarer Vergangenheit und sichtbarer Gegenwart“ ein bevorzugter Platz vieler Jugendlicher.


Lutz und Heidrun Pfeifer vor ihrem "Glas & Holz" Studio


Nicht nur Bürger, Kaufleute, Händler und Ministerialadel, haben die Stadt geprägt, sondern zunächst haben Könige und Kaiser die Weichen gestellt. Und viele historische Spuren hinterlassen.


Zum Beispiel König Heinrich (919-936): 922 wurde Goslar im Tal der Gose, ein Nebenfluss der Oker, als eine Marktsiedlung gegründet.


Oder Kaiser Otto I (936-973): 968 begann der Bergbau im Rammelsberg.


Oder Kaiser Heinrich II (1002-1024): Die Königspfalz wurde von Werlaburgdorf bei Schladen an der Oker nach Goslar verlegt. Die Kaiserpfalz (Kaiserhaus) sowie der Dom (Stiftskirche Simon und Judas) wurden errichtet; vom Dom ist nur noch die Vorhalle unterhalb der Kaiserpfalz erhalten. Goslar wurde zur Lieblingspfalz und zum Zentrum des Reiches.


Die Kaiserpfalz


Oder Kaiser Friedrich I (1152-1190): Der Staufer hatte Konflikte mit einem Welfen, dem Herzog von Sachsen Heinrich dem Löwen, der ihm die Unterstützung beim Italienfeldzug verweigerte, weil der Kaiser ihm Goslar mit dem Rammelsberg nicht übertragen wollte. Der Löwe, der Goslar kriegerisch nicht erobern konnte, wurde am Ende vom Kaiser geächtet.


Oder Kaiser Otto IV (1198-1218): Der Welfe, Sohn Heinrichs des Löwen, konnte 1206 Goslar erobern. Er starb 1218 auf der Harzburg.


Schließlich Kaiser Friedrich II (1212-1250): Der Welfe hielt 1219 den letzten großen Reichstag in Goslar ab. Und es kam zum Ausgleich zwischen Welfen und Staufern; aber es begann auch das Ende des hochmittelalterlichen Kaisertums.


Die Marktkirche


Und wie denkt heute Propst Thomas Gunkel aus Goslar über seine Stadt mit so viel Geschichte und Geschichten, mit so viel Kultur und Traditionen? Was empfiehlt der Kirchenmann? Ein „Muss“ ist für ihn der Besuch der Marktkirche, der ehemaligen Klosterkirche Neuwerk sowie der Frankenberger Kirche und der St. Annenkapelle. In der Altstadt ist für ihn das historische Rathaus ein „Highlight“, das allerdings wegen Restaurierungsarbeiten wohl erst im Laufe des nächsten Jahres wiedereröffnet wird. Im Blick auf das Museum im Rammelsberg sollten Besucher zwei Tage einplanen, weil das Museum zwischen mittelalterlichem und neuzeitlichem Teil unterscheidet.


Und dann freut sich Thomas Gunkel noch auf ein „Kleinod“, das voraussichtlich ab Frühjahr 2021 „entdeckt“ werden kann: Im Besitz der Marktkirche bzw. in der reformations-zeitlichen Bibliothek befindet sich das älteste Gemeinde-Gesangbuch, von dem es nur noch ein Exemplar gibt, das sogenannte Erfurter Ferbefaß-Enchiridion, sowie das September-testament, ein Druck, den Martin Luther nach der Übersetzung des Neuen Testamentes auf der Wartburg anfertigen ließ.


Kinder, die Hoffnungs- und zukünftigen Verantwortungsträger der Gesellschaft, können einen Spielplatz im Garten des St. Annenhauses oder den Steinbergspielplatz nach einer Wanderung durch das Trüllketal zum Steinberg kennenlernen, empfehlen Gerald de Vries, Goslarer Propsteikantor, und seine Frau Franziska. Zudem sei die Lohmühle mit Zinnfigurenmuseum und Zwinger mit Mittelaltermuseum  auch für Kinder geeignet. Und für den Kantor an der Marktkirche ist selbstverständlich auch die Besteigung des Nordturms der Marktkirche ein „Leuchtturm“.


Dem schließt sich Lokalhistoriker Manfred Gruner gerne an: „Nach 232 Stufen aufwärts steht man 56 Meter über dem Erdboden in einem sechseckigen Raum des Turm der Marktkirche und hat einen herrlichen Blick über die Dächer bis ins Harzvorland.“ Einen weiteren „herrlichen Ausblick auf die Stadt“, so Manfred Gruner, bietet der Maltermeisterturm, etwa zwei Kilometer südlich der Altstadt am Rande des Rammelbergs. Wohl im 13. oder 14. Jahrhundert erbaut, diente er einst als Wachturm und läutete durch Glockengeläut zum Schichtbeginn im Bergwerk. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts wohnte der Maltermeister im Turm, der für die Verwaltung des Grubenholzes zuständig war.


Und noch zwei Tipps hat Manfred Gruner: Von der Gaststätte auf dem Steinberg westlich der Altstadt gibt es ebenfalls einen wunderschönen Blick auf Goslar. Oder vom Sudmerbergturm („Sudmerberger Warte“), der 12,1 Meter hoch ist und als Rundturm 5,6 Meter Durchmesser hat, fällt der Blick auf die Stadt, das Harzvorland und zum Brocken.

Um bei der Fülle der Schätze der Altstadt jedoch nicht den Überblick zu verlieren, empfiehlt sich eine Führung (Infos: Touristen-Information am Marktplatz). 



Aber selbst ein erster Stadtbummel durch die Gassen mit ihrem alten Straßenpflaster und mit dem Schmuck an den Fachwerkhäusern motiviert, den Ort mit den vielen historischen Details selbst sprechen zu lassen, den „Geist der Stadt“ kennenzulernen und mit ihm in einen lebendigen Dialog zu treten.


(veröffentlicht auch am 26.7.2020 im

Wolfenbütteler Schaufenster)


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt


Kampf um den Kuchen


Emotionen kochen hoch. Einer scheint Angst zu haben, nur ein kleines Stück abzubekommen. Ein anderer fürchtet, nicht das größte Stück zu ergattern. Einer will sich nicht mit Krümeln zufrieden geben. Ein anderer versucht die Rosinen herauszupicken. Manche Augen sprechen Bände. Selbst ein freundliches Lächeln auf den Lippen und schöne Seifenblasen aus dem Mund können es nicht verbergen: Diffuse Angst, zu kurz zu kommen oder gar vergessen zu werden, sondern auch Gier, Neid und Bosheit spiegeln sich in den blitzenden Augen wider. Ob in der Tiefe der erregten Seelen auch Minderwertigkeitsgefühle, Allmachtphantasien, alte Verletzungen, offene Rechnungen oder gar Dummheit eine Rolle spielen? Und was ist mit den Teilnehmern, die  am Kampf nicht teilnehmen oder anders kämpfen wollen, die keine Kraft und keine Nerven, keinen Lautsprecher und keine Fürsprecher haben?


Aber der Reihe nach: Die Eltern haben ihre Kinder – etwas verfremdet formuliert, aber jeder weiß wohl, was gemeint ist – zum „Kaffeetrinken“ eingeladen. Es gibt einen „großen Kuchen“, aber auch einen „großen Hunger“. Vielen läuft das Wasser im Mund zusammen. Nur wenige nehmen am Katzentisch Platz, merken es gar nicht oder wollen es lieber nicht wahrnehmen. Die meisten können den Mund nicht voll genug bekommen.


Vater sagt: „Es soll fair und gerecht zugehen.“ Und die Mutter ergänzt: „Weil wir euch alle gleich lieb haben. Und unsere Familienbande auch später nicht zerstört werden soll.“ Aber was ist „gerecht“? fragen sich die Kinder heimlich. Wenn alle die gleichen Chancen auf ein Stück des Kuchens haben? Wenn der Bedürftige mehr erhält als der Versorgte? Wenn breite Schultern, die schon ein Kuchenbuffet besitzen, weniger bekommen, weil sie mehr tragen können als diejenigen, die über keinen Kuchen verfügen? Wenn derjenige, der beim Herstellen des Kuchens in der Küche geholfen, mit einem leckeren Stück belohnt wird? Wenn auch an die gedacht wird, die nicht erschienen sind, aber noch dazukommen werden?


Zank und Unfrieden, Selbstgefälligkeit, Selbstgerechtigkeit und Selbstverliebtheit liegen in der Luft. Da sagen die Eltern fast wie aus einem Mund: „Bevor wir über unsere Vorstellungen mit euch besprechen, lasst uns das tun, was auch eure Großeltern schon getan haben. Und auch eure Kinder tun sollten.“


Und die Mutter spricht ein Tischgebet. Und Großvater sagt laut „Amen“, was übersetzt heißt „So sei es.“


Ob die Kinder die Botschaft verstanden haben? Die Einladung, vor der Schlacht am „Kuchenbuffet“ innezuhalten, über den Tellerrand der eigenen Bedürfnisbefriedigung in sich hineinzuhören, alle Teilnehmer als von Gott Gewürdigte wertzuschätzen? Sich zu vergewissern, dass Gesundheit und Frieden im Zweifel wichtiger sind als schnelle Befriedigung im Machtkampf um Vorteile zu Lasten oder auf Kosten anderer? Dass alle nur Gäste auf Erden sind – und Gott der Geber des Lebens aller ist? Ein Leben, das nicht nur materielle, sondern auch geistige Nahrung sowie beglückende und solidarische Gemeinschaft besonders in Krisenzeiten braucht.

Burkhard Budde


Veröffentlicht auch am 20. Juli 2020 im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe


Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt


Battle for the cake


Emotions are running high. One of them seems afraid he's only gonna get a little piece. Another is afraid of not getting the biggest piece. Another won't settle for crumbs. Another tries to pick out the raisins. Some eyes speak volumes. Even a friendly smile on the lips and beautiful soap bubbles from the mouth cannot hide it: diffuse fear of being left out or even forgotten, but also greed, envy and malice are reflected in the flashing eyes. Whether in the depths of the aroused souls also feelings of inferiority, fantasies of omnipotence, old injuries, open accounts or even stupidity play a role? And what about the participants who do not want to participate in the fight or want to fight differently, who have no strength and no nerves, no loudspeaker and no advocates?


But in order: The parents have invited their children - somewhat alienatedly formulated, but everyone knows what is meant - to "drink coffee". There is a "big cake", but also a "big hunger". For many, the water in their mouths is running down. Only a few take a seat at the cat table, don't even notice it or prefer not to notice it. Most of them cannot get their mouth full enough.


Father says, "Let it be fair and just." And mother says, "Because we love you all equally. And we don't want to see our family ties destroyed in the future." But what is "fair"? the children ask themselves secretly. When everyone has an equal chance of getting a piece of the pie? When the one in need gets more than the one being cared for? When broad shoulders who already have a cake buffet get less because they can carry more than those who do not have a cake? When the person who helps to make the cake in the kitchen is rewarded with a delicious piece? When even those who did not show up but will be added to it are remembered?

Quarrelling and discord, complacency, self-righteousness and self-indulgence are in the air. Almost as if from one mouth, parents say: "Before we discuss our ideas with you, let us do what your grandparents did. And your children should do as well."


And the mother says grace. And Grandpa says "Amen,"

which translates as "So be it."


I wonder if the children understood the message. The invitation to pause before the battle at the "cake buffet", to listen to themselves beyond their own needs, to appreciate all the participants as being worthy of God? To make sure that health and peace are more important than quick satisfaction in the power struggle for advantages at the expense or to the detriment of others? That all are only guests on earth - and that God is the giver of life for all? A life that needs not only material but also spiritual nourishment as well as a happy and solidary community, especially in times of crisis.

Burkhard Budde


Also published on 20 July 2020 in the Westfalen-Blatt in East Westphalia and Lippe


Vom Zauber der Stadt Bad Harzburg

Von Burkhard Budde

Warum den Blick wehmütig in die Ferne schweifen lassen, wenn der Zauber beglückenden Erlebens in der Nähe liegt? Bad Harzburg am Nordrand des Harzes mit viel und lebendigem Charme muss nicht vom Besucher aus einem Dornröschenschlaf wachgeküsst werden. Das Tor zum Nationalpark Harz mit einer sagenhaften Bergwelt ist keine Schlaf- und Geisterstadt mit einzelnen Touristen, die sich wie Gespenster in der Bummelallee, einer attraktiven Fußgängerzone, lustlos hin und her bewegen. Die ehemalige Enklave, die zum Landkreis Wolfenbüttel gehörte und als dessen „Bell Etage“ galt, heute zum Landkreis Goslar zählt, ist zwar kein Bienenkorb mit emsigem Treiben, das stresst und nervt, aber auch keine letzte Zufluchtsstätte für alte und einsame Herzen, die hier ihren Lebensabend verbringen wollen.


Was aber zählt zum Zauber dieser Stadt, die aufgrund der Verkehrsanbindung über die B4/B6/A36 und der A369 sowie der Zugverbindungen von und nach Braunschweig (über Wolfenbüttel) und von und nach Hannover ein beliebtes Ausflugsziel für die ganze Familie aus der Region und darüber hinaus geworden ist?


„Eine weit und breit einzigartige Attraktion, die eine Magnetwirkung hat“, so Bad Harzburgs Bürgermeister Ralf Abrahms, „ist der Baumwipfelpfad.“


Der im Jahre 2015 eröffnete Pfad, der etwa ein Kilometer lang ist und 22 Meter über dem Boden schwebt, habe bereits über eine Millionen Besucher angelockt. Aus guten Gründen: Er gibt auf dem Weg durch die Baumwipfel Einblicke in die Natur, speziell in das Kalte Tal. Und Ausblicke auf die Berge, speziell auf den Burgberg, dem 485 Meter hohen Hausberg Bad Harzburgs.


Von dem Burgberg, der nicht nur über den Baumwipfelpfad oder auf Wanderwegen, sondern auch mit einer nostalgischen Kabinenseilbahn, die 1929 in Betrieb genommen wurde, gut zu erreichen ist, ist auch der Propst von Bad Harzburg Jens Höfel begeistert. „Vom Berg aus hat man auf die Stadt und auf das nördliche Harzvorland einen grandiosen Ausblick.“

Beeindruckend sind auch die Reste der Harzburg, die König Heinrich IV. um 1065 zum Schutz gegen die Sachsen errichtet hatte. Und ein Turm, der an Kaiser Otto IV erinnert, Sohn Heinrichs des Löwen und Neffe von Richard Löwenherz, der 1218 auf der Harzburg gestorben ist. Zudem befindet sich auf dem Burgberg-Plateau -unübersehbar – ein großer Obelisk, die Canossa-Säule, die 1877 zu Ehren des Reichskanzlers Otto von Bismarck ( 1815 bis 1898) aufgestellt wurde sowie – etwas versteckt – der Uhlandstein , eine Erinnerung an den Dichter Ludwig Uhland (1787 bis 1862), der Abgeordneter im ersten gesamtdeutschen Parlament, der Frankfurter Nationalversammlung, gewesen ist und Bad Harzburg besucht hatte. Und wer die Symbiose von Natur und Geschichte auch mit dem Gaumen so richtig genießen will, kann ins Gast- und Logierhaus „Plumbohms“ einkehren und sich verwöhnen lassen.


Wer vom Berg aus wandern will – zum Beispiel zu den Rabenklippen mit dem Luchs-Schaugehege und der Waldgaststätte „Rabenklippe“ oder ein Stück des „Kaiserwegs“, benannt nach dem Fluchtweg Heinrichs IV 1074 von der Harzburg in verschiedene Zufluchtsorte – kommt an der Krodo-Statue des Kunsthandwerkes Volker Schubert mit den Symbolen Rad (ewige Sonne?), Korb mit Blumen (Fruchtbarkeit?), Rockschoß (Lebensatem?), Fisch (Wiederauferstehung?) vorbei. Nach der Überlieferung soll hier 1492 eine Statue des Sachsengottes Krodo gestanden haben.


Und dann sind es nur noch einige Schritte zur aktuellsten Attraktion Bad Harzburgs, zum Turm auf dem Antoniusplatz, zur Baumschwebebahn am Burgberg, die am 1. August eröffnet werden soll und dann die vierte „Fly-Line“ Anlage dieser Art in Deutschland ist. Der etwa einen Kilometer lange und fünf Minuten dauernde Höhenflug der Flieger, die an einer Schiene bzw. an sogenannten Laufkatzen hängen, um durch einen Steilhang hinunter ins Kalte Tal zu kommen, endet am Hinterausgang des Baumwipfelpfades. Testflieger sprechen von einem atemberaubend intensiven Erlebnis.


Und was empfiehlt Gästeführer Manfred Gruner? Für ihn steht Bad Harzburg für „Wandern –Wellness – Wohlfühlen“. Wer das erleben will, dem rät er zum Beispiel vom Burgberg zur Eckertalsperre oder „für ganz Kräftige“ den Weg zum Brocken zu wandern. Auch den „WasserErlebnisWeg“, der sich am Fluss Radau und am Kalte-Tal-Bach befindet, sowie die „AdventureGolf-Anlage (Minigolfplatz mit 18 Bahnen) im Herzen des Kurparks sollten Gäste kennenlernen. Sein „Geheimtipp“ ist jedoch der Jungbrunnen in der Stadtmitte, der vom Quedlingburger Künstler Jochen Müller gestaltet wurde und den Jugendwahn, aber wohl auch den Größen- und Machbarkeitswahn humorvoll auf die Schippe nimmt. „Die Figuren“, schmunzelt Manfred Gruner, „zeigen sehr schön die Auswirkungen der guten Luft und des Mineralwassers in Bad Harzburg, denn alle sind wieder jung und klein geworden.“


Noch ein Ausflugstipp: Bad Harburg hat einen „zweiten Kurpark“, einen reizvollen Golfplatz mit 18 Spielbahnen in traumhaft schöner Lage. Direkt daneben befindet sich ein Wildgehege, wo Hirsche, Rehe, Kitzen und Ziegen zu sehen sind. Über die reizvollen und idyllischen Gestütswiesen mit den Pferden auf den Koppeln kommt man schließlich zum Cafe Goldberg (Ortsteil Schlewecke). Und wird mit einem weiten Ausblick auf das Harzer Land – einschließlich Pferderennbahn - belohnt, so dass auch der Abstand der Seele vom Alltag größer wird.


In diesem Jahr wird in Bad Harzburg wegen Corona manche Einrichtung geschlossen bleiben, zum Beispiel die Sole-Therme mit der Sauna-Erlebniswelt, die Trink- und Wandelhalle und das Silberbornbad. Und Veranstaltungen wie das Lichterfest oder die Galopprennwoche werden nicht oder nur eingeschränkt durchgeführt.

Aber es lohnt sich immer, sich vom Charme der Stadt verzaubern zu lassen. Kaum einer weiß, dass die Bäderarchitektur in den Bergen entstanden ist und nicht an der Ostsee. Zahlreiche Bauten und Villen im Bäderstil um 1900 – überdachte Veranden und Erker, verteilt über das ganze Gebäude, als Schutz für die Gäste, die die klare Bergluft genießen sollten - sind in der Kurstadt noch zu finden, zum Beispiel an der Amsbergstraße, am Hindenburgring oder auch an der Papenbergstraße 4, früher das Hotel „Schlemm“. Früher gehörte die kleine Kurstadt mit ihrer repräsentativen Architektur zu den renommiertesten Kurorten Deutschlands und war ein attraktives Sommerziel für Adelige und das gehobene Bürgertum, um dem damaligen Lärm, der bedrängenden Enge und der schlechten Stadtluft zu entfliehen.


Heute gibt es noch weitere Beweggründe, nach Bad Harzburg zu kommen.


Da ist das ehemalige Hotel Parkhaus an der Herzog-Wilhelm-Straße, auch im Bäderstil der Zeit errichtet und 1896 eröffnet, in dessen Garten von 1901 bis 1935 eine Synagoge für jüdische Kurgäste und Bewohner der Stadt stand. Und jüdische Spuren sind immer zugleich aktuelle Mahnung und ständiger Weckruf, sich gegen Hass und Gewalt und für Demokratie und Menschlichkeit einzusetzen, insbesondere wenn man an den 11. Oktober 1931 denkt, als sich 2000 Angehörige von Hitlers SA und andere paramilitärische Verbände im Kalten Tal trafen und anschließend im Kurhaus die „Harzburger Front“ bildeten, damit rechtsradikale und nationalistische Kräfte gemeinsam die erste deutsche Demokratie zerstören konnten, um ihre menschenverachtende Ideologie in die Tat umzusetzen.


Da ist aber auch die neugotische Lutherkirche, die 1901 bis 1903 nach Plänen des Bad Harzburger Baumeisters Gustav Heine erbaut wurde und dessen ursprüngliche Ausmalung des Braunschweigischen Hofmalers Adolf Quensen (1851 bis 1911) zur Zeit restauriert wird.


Oder das Romantik Hotel Braunschweiger Hof, das die Braunschweigische Eisenbahn-Gesellschaft 1872 gründete und das seit 1894 im Familienbesitz ist. Und in dem auch die Goethe-Gesellschaft Bad Harzburg (gegründet 1947), die Deutsch-Französische Gesellschaft Bad Harzburg (seit 1972) und die Deutsch-Dänische Gesellschaft Harz (seit 1989) tagen.


Oder das Schacht- und Quellenhaus mit einer Förderanlage für vier Heilquellen an der Herzog-Julius-Straße, der Keimzelle des Heilbades. 1569 wurde die erste Solequelle mit dem „Wunderwasser“ entdeckt. Sie erhielt ihren Namen „Juliushaller“ nach dem Herzog Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel (reg. 1568 bis 1613), dem der Ort ein Salzwerk verdankte. Bis heute „sprudeln“ in Bad Harzburg drei Quellen, die „Krodo-Quelle“ seit 1894, die „Johann-Albrecht-Quelle“ seit 1907 und die „Barbarossa-Quelle“ seit 1931 – vor allem zur Freude der etwa 23 000 Einwohner der Stadt (Stand 31.12.2019) und der vielen (Kur-)Gäste, natürlich auch immer gut und belebend für die Gesundheit aller.


Bürgermeister Ralf Abrahms


Ralf Abrahms empfiehlt darüber hinaus „Cafe Winuwuk“ mit dem „Sonnenhof“, ein „Gesamtkunstwerk – wie eine Dependance der Künstlerkolonie Worpswede.“ Hier gebe es nichts Eckiges, sondern nur Rundes und Rustikales mit vielen künstlerischen Einlagen. „Es wird echte Kaffeehauskultur gepflegt.“


Aber auch das Hofcafe Schwalbennest“ im über 1000 Jahre alten Ortsteil Bettingerode liegt dem seit 2002 amtierenden Bürgermeister am Herzen. Hier - am Ziel- und Ausgangspunkt vieler Fahrradtouren - vor imposanter Kulisse der Harzer Berge gebe es nicht nur selbstgebackenen Kuchen, sondern auch zahlreiche Schwalben.


Kultur ist auch für Jens Höfel wichtig. Er genießt es, in einem der vielen Straßencafes in der Bummelallee in der Stadtmitte – besonders bekannt ist das Cafe Peters „an der Ecke“ mit seiner über 100 Jahre alten Tradition - zu sitzen und „das Leben um mich herum zu beobachten“. Und das kann spannend entspannend sein und ein bewegt bewegendes Gefühl beglückender Freiheit vermitteln.


(veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster am 19.Juli 2020)


Kommentar


Bringt’s die Quote?


Warum will sich die freie CDU freiwillig an eine Frauenquote fesseln? Eine gefesselte Partei ist wie ein Mensch mit Fußfesseln: Er kann sich kaum bewegen, nicht einmal in die Höhe springen, wenn Applaus von falscher Stelle aufbraust. Und es wird peinlich, wenn er Stimmungen um der Stimmen willen hinterherläuft. Und „gefesselt“ herumlaufen, kann ihm selbst schaden und kontraproduktiv wirken.


Eine bewegungs- und handlungsfähige Volkspartei, die aus dem Geist der Freiheit und Verantwortung, der Gerechtigkeit und Solidarität, der Integration und Nachhaltigkeit lebt, wird Fesseln vermeiden und solche sprengen, die einen Automatismus und Zwang hervorrufen, letztlich bevormunden und entmündigen sowie neue Ungerechtigkeiten schaffen. Nur wer keine Fesseln trägt, kann in einer konkreten politischen Situation neue Lösungswege im Blick auf die Bewältigung einer Aufgabe finden und gehen, ohne dabei bindungs- und grundsatzlos werden zu müssen.


Eine mutige und eigenständige Partei, die sowohl pragmatisch als auch programmatisch unterwegs ist, leidenschaftlich und argumentativ für ihre Ziele und Politikangebote kämpft, wird ohne Fesseln begründete Bindungen eingehen. Damit werden Willkür überwunden und Machtkämpfe produktiv gebändigt – zum Beispiel Bindungen an einen ethischen Kompass, an das Selbstverständnis der Partei, aber auch an Frauen-, Jugend-, Talentförderung. Wer sich bindet, kann leichter abwägen und begründet sowie individuell und zugleich aufgabendienlich entscheiden.


Wichtiger als die „schöne“ Fessel der Frauenquote oder das Denken in Quoten und Gruppen ist die Bindung an konkrete Politiker, die unabhängig vom Geschlecht oder Alter, Ansehen oder Aussehen, von der Herkunft oder von der Zugehörigkeit, vom Status oder vom Titel sich glaubwürdig bewegen können – auch um Krisen zu bewältigen, um Menschen für einen politischen Kurs zu gewinnen und um Politik „kunstvoll“, d.h. zum Wohle des Gemeinwohls zu gestalten.


Burkhard Budde

Liebeserklärung an den Harz

Von Burkhard Budde – Teil 1 -


Die Sehnsucht ist groß - nach einer Auszeit vom Stress oder von der Langeweile, von den Wechselbädern der Gefühle oder der Tretmühle des Alltags. In diesem Jahr gibt es wegen Corona viele Sehnsüchtige, die sich nicht in die Röhre eines Flugzeuges zwängen und dabei das Gefühl von Käfighaltung und Angst vor Ansteckung nicht loswerden, sondern die die Freiheit und das Abenteuer vor der eigenen Haustür suchen.

Warum auch nicht? Zwar kann man als Heimaturlauber – übrigens selbst in den eigenen vier Wänden - „böse Überraschungen“ erleben, aber man kennt sich in der Nähe besser aus als in der Ferne und fühlt sich deshalb grundsätzlich sicherer.


Der Urlaubshungrige oder Erholungsbedürftige muss nicht sensationssüchtig in die weite Welt hinausschwärmen, um dort die Leere und den Stress anzutreffen, vor dem er dachte, geflüchtet zu sein. Oder auch nicht den Kampf um Anerkennung ertragen und erleiden oder selbst zelebrieren, um nicht beliebig zu erscheinen.


Der Heimaturlaub birgt vielmehr besondere Chancen, mit offenen Augen Neues zu sehen, faszinierende Erlebnisse zu haben und zauberhafte Entdeckungen zu sammeln. Immer mehr Neugierige strömen deshalb in ihre Heimat – zum Beispiel in den Harz. Und ihre Neugierde, die sich zwischen Aufdringlichkeit („Ich will alles ganz genau wissen!“) und Fingerspitzengefühl („Ich will alles ganz genau verstehen!“) bewegt, ist begründet.


Das Mittelgebirge mit dem Brocken als höchsten Berg Norddeutschland (1141 Meter) bietet viele Natur- und Kulturerlebnisse - auch in der Sommerfrische. Hier sind „Radesel“ unterwegs; biken oder andere Outdoor-Aktivitäten können ins Auge gefasst werden.


Vor allem jedoch kann jeder Natur- und Kulturliebhaber durch einsame Wälder wandern, sich im Auf und Ab der Forstwege sowie auf den federnden Waldpfaden körperlich erholen, seelischen Stress abbauen, den Kopf frei bekommen, über Gott und die Welt nachdenken, meditieren oder sich inspirieren lassen. Und Gemeinschaft erleben, in der nicht selten die besten Gespräche zustande kommen, weil spontanes und gegenseitiges Vertrauen geschenkt wird, im zweckfreien Austausch Gedanken und Gefühle wachsen und reifen können.


Aber auch wundersame Begegnungen sind möglich – mit Vögeln, die den Wanderer zwitschernd begrüßen und begleiten, mit Bäumen, die ihn rauschend umarmen und streicheln. In Tagträumen mag sich ein Gast, der zum liebenden Freund des Waldes geworden ist, am liebsten wie ein scheues Reh verstecken, wie ein junger Vogel fliegen, wie ein starker Baum an plätschernden Bächen mit frischem Wasser verwurzeln oder wie die prächtige Knospe einer einzigartigen Blume entwickeln. Und in all dem duftenden und geheimnisvollen Geschehen lächeln und blinzen die Sonnenstrahlen durch die Wolken sowie die Blätter des bewegten und bewegenden Waldes hindurch.

 


Auch der Dichter Heinrich Heine (1797 bis 1856) war im Harz zu Fuß unterwegs. Sein Buch „Die Harzreise“ (1824) motiviert mit romantischen Tönen zum Streifzug durch malerische Täler und Orte wie Osterode, Lerbach, Clausthal-Zellerfeld und Goslar - Städte mit liebevollen Details und kulturhistorischen Überraschungen. In Heines Beobachtungen tummeln sich neben dem Staunen über die Schönheit der Natur und Kultur Herzschmerz und Spott, Witz und Nörgelei – ganz wie im echten Leben eines Entdeckers unserer Tage, der ohne Scheuklappen und ständigem Blick auf sein Smartphone seine Wege bewusst geht und neben seiner Besserwisserei auch neue Entdeckungen wahrnimmt und genießt.


Hier im Harzer Wald beeindruckt die Vielfalt der Pflanzen- und Tierwelt; hier – nur hier in Norddeutschland – gibt es Moore, Bergfichtenwälder, Felsen und Blockhalden; leider auch viele Spuren des Klimawandels wie die Waldschäden und das Waldsterben, die jedoch den Blick auf die Schönheiten grandioser Landschaften nur wenig trüben können. Der Wanderer verspürt die Eigendynamik eines Urwaldes, der sich unbeeinflusst entwickelt, sieht aber auch das Engagement der Forstwirtschaft, die ökologisch ausgerichtet ist. Und bei manchem entsteht ein Verantwortungsgefühl für das Ganze, dass Mensch und Natur, Politik und Gesellschaft in einem Boot sitzen, möglichst im Gleichschlag und im Ausgleich der Interessen in eine Richtung rudern sollten. Und das Klima- und Naturschutz auch Menschen- und Tierschutz bedeutet, um nachhaltige sowie gemeinsame Perspektiven zu haben.



Seit dem 1. Januar 1994 gibt es den Nationalpark Harz in Niedersachsen, benachbart vom Nationalpark Hochharz in Sachsen-Anhalt. Und beide liegen mitten in Deutschland, während alle anderen Nationalparke in Deutschland an den Außengrenzen liegen. Kann von dieser Mitte nicht auch ein versöhnendes Herz hörbar für die Politik und Gesellschaft kräftig schlagen, das vor allem Menschen mit ihrer besonderen Verantwortung nicht an dem Ast des Lebens sägen, auf dem sie selbst sitzen?! Sondern den alten Wald-Wild-Konflikt – die unterschiedlichen Sichtweisen der Förster und der Jäger – nicht durch Selbstregulierung, sondern durch eine gemeinsame Strategie im Blick auf einen Waldumbau zugunsten eines Mischwaldes und eines natürlichen Gleichgewichtes zu bewältigen?! Nicht nur das Reh mit seinen zarten Gliedern und Kulleraugen hat seine Unschuld verloren, weil junge Laubbäume mit jungen Trieben ganz oben auf seinem Speiseplan stehen, sondern auch eine Monokultur, die sich nur als Produktionsstandort für Holz versteht und mit Hilfe des Klimawandels zum Waldsterben einlädt.


Früher – viele Hundert Jahre lang – gehörte der Harz mit seiner Holzverkohlung, vor allem mit seinem Bergbau und der Erzverhüttung zu den bedeutendsten Industrieregionen im deutschen Sprachraum. Etwa 50 Prozent des Silbers stammte ab Mitte des 16. Jahrhunderts aus den Bergwerken des Harzes. Offiziell endete der Harzer Bergbau erst im Jahr 2007.


Geblieben sind jedoch viele Spuren der mittelalterlichen Wasserbautechnik und einmalige Sehenswürdigkeiten des Weltkulturerbes – zum Beispiel das Wasserregal, das zum größten Teil vom 16. bis 19. Jahrhundert erbaut wurde, und heute den Rang einer Welterbestätte hat.


Das Wasserregal („Regal“ bedeutet Recht, königliches Hoheitsrecht, auf Bergbau und Wasser) ist ein Energiegewinnungs- und Verteilersystem. Dazu gehören 150 Stauseen und Teiche (z.B. der Oderteich, der 1720 erbaut wurde und bis ins 19. Jahrhundert größte Talsperre Mitteleuropas war), 500 Kilometer lange Gräben, 30 Kilometer künstliche Wasserläufe, Stollen, Schächte und Wasserräder. Das Meisterwerk ermöglichte den Abbau von Silber, Blei und Kupfer in Bergwerken, die hoch im Gebirge lagen, um die tiefgelegenen Schächte und Stollen zu entwässern, indem mit Wasser Pumpen und Räder angetrieben wurden.


„Wasserknechte“ mussten nicht länger im Schweiße ihres Angesichts das Wasser aus der Tiefe entsorgen. Ein System, eine geniale Verbindung von Natur und Technik, kam Menschen zugute. Es hat noch heute mit den Harzwasserwerken eine lebensspendende Funktion.

Im Einklang mit der Natur werden neue Sehnsüchte nach einem Wald geweckt, der die Seele verzaubern kann. 


Aktuelle Probleme werden zwar nicht einfach weggezaubert, aber der Wald wird als Kulturlandschaft erlebbar – als beglückende Freiheit neu entdeckt.

 

-         Der folgende zweite Teil handelt vom „Tor zum Oberharz“, Bad Harzburg -

(veröffentlicht im Wolfenbütteler Schaufenster am 12.7.2020)


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt


Störrischer Esel?


Ob mit oder ohne Maske: Nicht sein Gesicht, seine Stimme oder seine Hände, sondern seine Füße verraten ihn. Er scheint sich nicht von der Stelle bewegen zu können. Gerne erzählt er wie ein Wasserfall, kann aber nicht aktiv zuhören. Manchmal vernimmt er zwar einleuchtende Argumente, bleibt aber trotzdem stur bei seiner Meinung. Er nörgelt an allem und jedem herum, wagt jedoch selbst selten Neues. Einen offenen und intensiven Gedankenaustausch scheut er. Und regt sich tierisch auf, wenn sein Verhalten kritisiert wird. Kaum zu glauben, aber er verhält sich wie ein störrischer Esel auf einem Gebirgspfad.


Warum kommt der Esel nicht vom Fleck? Ist es die schwüle Luft einer diffusen Angst, die Last einer ehrlichen Auseinandersetzung nicht (er-) tragen zu können? Die unbekannte Ruhe vor einem gefährlichen Sturm, der in den tiefen Abgrund der Sinnlosigkeit und Ohnmacht treibt? Oder die glühende Hitze einer zwanghaften Regulierungswut, die die Luft zur Eigenverantwortung und Verhältnismäßigkeit nimmt? Die eisige Kälte eines autoritären Perfektionsdrills, der andere gerne bloßstellt und demütigt, um von eigenen Mängeln abzulenken?


Braucht der Esel einen Tritt in den Allerwertesten? Widerspruch und Widerstand? Eine Möhre, die verlockend riecht? Muss er ein Anderer werden?


Ein Esel wird nie zu einem Hund, zu einer Katze oder zu einem Hahn. Doch alle (vier) werden im Leben und für das Leben gebraucht – trotz ihrer Eigenarten und Widrigkeiten, ihres (hohen) Alters und ihrer (fehlenden) Leistungsfähigkeit. Keiner ist nutzlos. Wenn alle das einbringen, was sie  besonders gut können und gelernt haben, kann gemeinsame Not mutig und clever in einen gemeinsamen Neuaufbruch mit langfristigen Perspektiven verwandelt werden. Selbst ein störrischer Esel ist wegen seiner Trittsicherheit gerade im unwegsamen Gebirge der gemischten Gefühle und (Un-) Gewissheiten Teil einer solchen Lösung. Auf dem breiten Rücken seiner Erfahrungen ist viel Platz – z.B. für einen getretenen Hund, für eine vertriebene Katze und einen ungeliebten Hahn, die sich nicht länger alles gefallen lassen wollen.


Ob Hund, Katze oder Hahn, steckt nicht in jedem Menschen auch ein „störrischer Esel“ – und umgekehrt?! Ob mit oder ohne Schminke: ein leidenschaftliches Herz, ein kluger Kopf und helfende Hände können die Füße bewegen, um neue  Lebensräume zu erschließen. Und warum nicht auch den Raum des Gott- und Christusvertrauens, der die Türen zum neuen Selbst-, Grund- und Fremdvertrauen aufschließt, um nicht auf der Stelle zu treten, sondern gemeinsam Zukunft in der Gegenwart zu gewinnen?!


Burkhard Budde


(veröffentlicht im Westfalen-Blatt am 11.7. 2020 in Ostwestfalen und Lippe)


Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt


Stubborn donkey?


With or without mask: it's not his face, voice or hands, but his feet that betray him. He seems unable to move from the spot. He likes to talk like a waterfall, but cannot actively listen. Sometimes he hears plausible arguments, but still sticks to his opinion. He nags about everything and everyone, but rarely dares to try anything new himself. He avoids an open and intensive exchange of ideas. And he gets very upset when his behaviour is criticised. Hard to believe, but he behaves like a stubborn donkey on a mountain path.

 

Why doesn't the donkey get away? Is it the sultry air of a diffuse fear of not being able to bear the burden of an honest argument? Is it the unknown calm before a dangerous storm that drives into the deep abyss of senselessness and powerlessness? Or the glowing heat of a compulsive regulatory frenzy that takes the air of self-responsibility and proportionality? The icy cold of an authoritarian perfectionist drill that likes to expose and humiliate others in order to distract from its own shortcomings?


Does the donkey need a kick in the ass? Contradiction and resistance? A carrot that smells tempting? Does he need to become an other?


A donkey never becomes a dog, a cat or a rooster. But all (four of them) are needed in life and for life - despite their peculiarities and adversities, their (high) age and their (lack of) ability to perform. None of them is useless. If all of them bring in what they are particularly good at and have learned, common need can be courageously and cleverly transformed into a common new beginning with long-term perspectives.


Even a stubborn donkey is part of such a solution because of its sure-footedness, especially in the impassable mountain of mixed feelings and (im)certainties. On the broad back of his experiences there is a lot of space - e.g. for a kicked dog, a driven away cat and an unloved rooster, who no longer want to put up with everything.  


Whether dog, cat or rooster, is not in every person also a "stubborn donkey" - and vice versa?! Whether with or without make-up: a passionate heart, a clever head and helping hands can move the feet to open up new living spaces. And why not also the space of trust in God and Christ, which opens the doors to new self-confidence, basic trust and trust in others, in order not to tread on the spot, but to win the future together in the present?


Burkhard Budde


(published in the Westfalen-Blatt on 11.7. 2020

in Ostwestfalen and Lippe)

 

Kommentar

 

Träumen, ohne die Realität zu vergessen

Was gehört zu einem "gerechten Frieden“?

 

Träumen, politische Visionen haben, ist erlaubt. Und wichtig.

Die NATO, ein defensives Bündnis, träumt von einer Welt ohne Nuklearwaffen. Und setzt sich u.a. für Rüstungskontrolle und Abrüstung ein.


Politiker im Deutschen Bundestag träumen von einer Welt des Friedens in Freiheit und Rechtsstaatlichkeit. Und unterstützen deshalb das Konzept der nuklearen Abschreckung der NATO sowie die nukleare Teilhabe Deutschlands, gemeinsame Verfahren und Beschlüsse zur Nuklearpolitik. Damit der Frieden erhalten und Aggressionen abgeschreckt werden können.


Träume können aber auch den Blick für die Wirklichkeit verstellen. Wenn zum Beispiel Politiker in Deutschland  davon träumen, „Frieden ohne nukleare Waffen in Deutschland“ im Alleingang zu schaffen. Denn könnten beim Wegfall von Nuklearwaffen Aggressoren nicht verführt werden, mit konventionellen Waffen zu drohen und gezielt militärisch vorzugehen, um ihren Machtbereich zu erweitern? Die Bedrohung durch den Putinismus ist leider keine Träumerei, sondern Realität, z.B. – durch angstmachende Drohungen – im Zusammenhang mit der völkerrechtswidrigen  Okkupation der Krim sowie – durch bedrohliche Fakten -  mit der Aufrüstung neuer nuklearer Waffensysteme.


Papst Franziskus träumt davon, dass alle Atomwaffen verboten werden. Und kann offensichtlich die Strategie der nuklearen Abschreckung nicht länger tolerieren. Das erinnert mich an eine Karikatur: Zwei Igel sind im Gespräch. Im Hintergrund ist ein Fuchs zu sehen. Der eine Igel sagt: „Ich lege meine Stacheln ab. Sie provozieren nur.“ Was gut gemeint ist, muss nicht richtig sein, sondern kann gerade das bewirken, was nicht beabsichtigt worden ist. Es wäre  tragisch, wenn ausgerechnet „Friedensstifter“, die sich für Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen, Unfrieden verursachten, weil sie zwar eine notwendige ethische „Distanz“ zu Atomwaffen und überhaupt zur Gewalt, aber kaum realistische „Nähe“ zur Macht der Mächtigen und ihrer totalitären Idee haben, denen eine christliche oder humanitäre Ethik nur als Mittel zum Zweck, als Etikettenschwindel dient. 

Franziskus sollte an die Folgen seiner populären Aussagen denken, da der alte Pazifismus mit seiner militanten Prinzipienreiterei keine Renaissance erfahren sollte. Denn ein „staatlicher Pazifismus“ ist kein politisches Modell einer nachhaltigen Friedensordnung in individueller Würde und selbstbestimmter Freiheit.


Zum „gerechten Frieden“ gehören das Recht und die Pflicht des demokratischen Staates (und der NATO), sich und andere gegen Aggressionen zu verteidigen. Ferner zählen dazu politische Entscheidungen (wie das Konzept der nuklearen Abschreckung), die rechtmäßig und demokratisch legitimiert sind, die nachvollziehbare Gründe für die Bedrohung des Friedens und der Freiheit benennen können, die humane Ziele wie den Schutz der Freiheit im Auge haben, die politische Mittel wie Rüstungskontrolle und Abrüstung einsetzen, die einen erfolgversprechenden Weg zugunsten eines gerechteren und sicheren Friedens ermöglichen.


Wenn die Kirchen dazu beitragen, dass sich möglichst viele Menschen für den inneren und äußeren Frieden empathisch und klug einsetzen, dialogbereit und zugleich wehrhaft sind, wird vielleicht auch die spirituelle Tür zum persönlichen Seelenfrieden geöffnet, der im Wechselspiel mit den vielen anderen Arten des Friedens steht. Und ein Albtraum könnte vermieden werden, weil die Vision eines gerechteren Friedens in Würde und Freiheit, mit Wehrhaftigkeit und Rechtstaatlichkeit eine reale Chance behält.

Burkhard Budde 

Bislang nicht veröffentlichter Leserbrief zum Artikel „Auf ethische Distanz zu Atomwaffen“ von Thomas Jansen (F.A.Z. vom 24.6.2020)


Autokonzert in Wolfenbüttel


"You Silence I Bird"

beim SummerTime Festival in Wolfenbüttel am 4. Juli 2020

lädt mit originellen Songs zur bewegten Besinnung und zur besinnlichen Bewegung ein.

In der Corona- Zeit genau die richtige Dosis für die Seele.


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt


Das unbekannt Unbekannte


Langsam geht die Sonne unter. Das Farbenspiel am Horizont berührt das Herz. Ein Erlebnis von beeindruckender Harmonie. Doch wie aus heiterem Himmel, lautlos und unvorhersehbar, taucht das unbekannt Unbekannte auf. Die Idylle ist abrupt zu Ende. Fromme Tauben suchen schnell das Weite, kopflos. Verlogene Schlangen spritzen ihr Gift noch weiter, herzlos. Angsthasen, scheue Rehe und graue Mäuse flüchten in Panik, grundlos. Das Brüllen zahnloser Tiger ist unüberhörbar, ohne Vernunft und Verstand.


Ein eitler Pfau und eine selbstverliebte Katze streiten. „Du hast keine Ahnung von der Gefahr und redest dummes Zeug“, beleidigt der Pfau die Katze. Die Samtpfote, die zunächst um den heißen Brei herumgeschlichen ist, zeigt ihre Reizzähne: „Und du plusterst dich als Lebensretter auf. In Wahrheit geht es dir nur um deinen Ruhm und deine eigene Unsterblichkeit.“


In diesem Augenblick verschwindet die Sonne - völlig. Und Finsternis herrscht - grenzenlos. Doch beide Streithähne nutzen diese Gelegenheit - zum Nachdenken: Sollten sie jetzt völlig ausrasten und sich bis aufs Blut bekämpfen? Den anderen lächerlich machen? „Ein Typ wie du kennt sich ja bestens aus!“ Den anderen verwirren? „Gibt es noch andere Themen, über die wir sprechen können?“ Dem anderen Paroli bieten? „Dann passen wir ja gut zusammen!“ Den anderen ins Leere laufen lassen? „Vielleicht hast du ja Recht!“ Oder einfach schweigen - still leiden? Oder sich wie ein begossener Pudel verhalten - vom Acker machen?

Während noch beide im Nebel ihrer Gedankenblitze stochern, hören sie das Lied einer Nachtigall: „Wisst ihr eigentlich, dass ihr beide unendlich geliebt seid, nur ein Leben habt und im Leben aufeinander angewiesen seid? Dass ihr euch um neue Erkenntnisse streiten sollt, jedoch ohne den anderen zu verletzen, weil keiner den Stein der Weisheit besitzt? Streitet mit Anstand und Fairness! Haltet auch Abstand zu euch selbst, um innere Freiheit und neue Nähe zu gewinnen. Damit die unbekannte Bedrohung bekannter und bewältigt werden kann.“


Nur ein Engelsgesang einer Nachtigall? fragen sich beide. Da endet die Nacht und die Sonne geht auf – über dem Pfau, der Katze und allen anderen. Und einigen fällt es wie Schuppen von den Augen: Ist nicht durch Gottes unbegreiflich solidarische Liebe ein Neuanfang möglich? Die heute noch Kraft zur Versöhnung und zur Verantwortung vermittelt, um besonders wehrloses Leben zu schützen - bis Gott selbst letzten Sinn im erweiterten Horizont des Glaubens schenkt.

Damit der Kampf gegen das unberechenbare Virus, gegen das (noch) unbekannt Unbekannte, nicht untergeht.


Burkhard Budde  

(auch veröffentlicht im Westfalen-Blatt am 4.7.2020

in Ostwestfalen und Lippe)


Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt


The unknown unknown



Slowly the sun sets. The play of colours on the horizon touches the heart. An experience of impressive harmony. But as if out of the blue, silently and unpredictably, the unknown appears. The idyll comes to an abrupt end. Pious pigeons quickly seek the distance, headless. Lying snakes spray their venom even further, heartlessly Scared rabbits, shy deer and gray mice flee in panic, for no reason The roar of toothless tigers is unmistakable, without reason.


A vain peacock and a self-indulgent cat fighting. "You have no idea of the danger and you talk rubbish," the peacock insults the cat. The velvet paw, which at first sneaks around the hot porridge, shows its fangs: "And you puff yourself up as a life-saver. In truth, all you care about is your own fame and immortality."


At that moment, the sun disappears - completely. And darkness reigns - boundless. But both squabblers use this opportunity - for reflection: Should they now completely freak out and fight each other to the death? Make a fool of the other? "A guy like you knows his way around." Confuse the other one? "Is there any other subject we can talk about?" Stand up to the other guy? "Then we're a good match!" Let the other one get nowhere? "Maybe you're right!" Or just keep quiet - suffer in silence? Or act like a watered poodle - get out of the way?


While they are still both poking around in the mist of their flashes, they hear the song of a nightingale: "Do you know that you are both infinitely loved, have only one life and depend on each other in life? That you should fight for new knowledge, but without hurting the other, because neither of you has the stone of wisdom? Fight with decency and fairness! Also keep your distance to yourself to gain inner freedom and new closeness. So that the unknown threat can be known and dealt with."


Just the angelic song of a nightingale? both ask themselves. There the night ends and the sun rises - over the peacock, the cat and everyone else. And for some it falls like scales from their eyes: Isn't a new beginning possible through God's incomprehensible love and solidarity? A love that still today conveys strength for reconciliation and responsibility, in order to protect especially defenceless lives - until God himself gives last meaning in the broader horizon of faith.

So that the fight against the unpredictable virus, against the (still) unknown, does not perish.

Burkhard Budde  

(also published in the Westfalen-Blatt on 4.7.2020 in Ostwestfalen and Lippe)


Kommentar

 

Bedeutung des „C“ im Namen der CDU

 

Zum Essay „Das C ist nur Selbstbetrug“ von Thomas Schmid (DIE WELT vom 26. Juni 2020)

 

Ihr historisch fundierter, politisch erhellender und zugleich provozierender Artikel beschäftigt sich mit dem „C“ im Namen der CDU – für mich kein „Selbstbetrug“, sondern ein  „Stachel im Fleisch“ der CDU: Soll in Zukunft das „C“ in Programmatik und Pragmatik, im parteipolitischen Macht- und Wettkampf, verschwiegen, ignoriert, vergessen, im Blick auf fromme Zielgruppen instrumentalisiert oder gar aus Namen entfernt werden? Weil das „Christliche“ angesichts einer verweltlichten und multikulturellen Gesellschaft für die Gesamtpartei mehr Nachteile als Nutzen bringt?

  

Das „C“ als ständige Erinnerung an die unverlierbare und unantastbare Würde eines jeden Menschen bleibt jedoch wichtig. Wie sonst könnte der Würdeanspruch ausnahmslos und grenzenlos verpflichtend bleiben, wenn es nicht den „transzendenten Bezug“ gäbe? Nicht ohne Grund spricht auch das Grundgesetz von der „Verantwortung vor Gott und den Menschen“, um schleichende oder offene Entwürdigung zu verhindern. Und um ein freies und an das Grundgesetz und die Gesetze gebundenes Leben in Würde und Freiheit zu ermöglichen.

 

Auch das „christliche Menschenbild“ als innerer und äußerer Kompass bleibt wichtig. Wenn ein politisches Ziel verwirklicht werden soll, das dem Bürger- und Gemeinwohl dient, reicht der Wille zur Macht nicht aus. Verantwortungsbewusste Politiker brauchen einen Kompass, der hilft, sich im Wald mit den vielen Wegen und Herausforderungen nicht zu verlaufen. Der christliche Kompass ist dabei kein Rezept, kein Dogma, keine Moral, kein Gesetz, wohl aber ein Angebot an Christen und (!) Nichtchristen - zum Beispiel im Sinne des Apostel Paulus alles zu prüfen und das Gute zu behalten (1.Thess 5,21), sich von Zwängen und Ängsten befreien zu lassen (Gal 5,13) sowie in der geschenkten Freiheit Verantwortung wahrzunehmen (1.Kor 6,12). Christliche (Feindes-) Liebe ist nicht nur eine persönliche Kraft- und Sinnquelle des Gottvertrauens, die zum Einsatz für Versöhnung und Gerechtigkeit ermutigt und befähigt sowie eine freie und souveräne Mündigkeit mit Rückgrat stärkt. Sie bietet auch argumentationsstarken und selbstständig denkenden Nichtchristen geistige Perspektiven an, um das politische Alltagsgeschäft besser entgiften und produktiv bewegen zu können.

 

Und überhaupt: Das Bild, das ich mir von einem Menschen mache, beeinflusst auch mein Verhalten zu ihm. Eine Schachfigur behandele ich anders als ein Mensch mit Fleisch und Blut. Und wenn nicht, erinnert das „C“, der Stachel im Fleisch der CDU, jeden Tag beim Blick in den Spiegel der geistigen Wahrheit und politischen Verantwortung für das Ganze daran, nicht sich selbst oder andere zu betrügen, sondern glaubwürdig zu bleiben. Und unabhängig vom Applaus oder von der Karriere ist es besser, mit einem Stachel zu leben, als ohne Kompass im Meer des Lebens würdelos unterzugehen.

 

Burkhard Budde

 

Eine weitere Schönheit in Bad Harzburg

Ein Park für „Liebende“


Diese beeindruckende Schönheit, die anzieht und ausstrahlt, ist offen für alle. Sie ist für denkende Menschen mit Herzblut gleichsam ein Sehnsuchtsort nach Natürlichkeit. Und doch ist sie nur eine Illusion von Natur. Denn sie ist durch Menschenhand kulturell ästhetisch gestaltet.

Die Rede ist vom „Casinopark“ – viele sprechen auch vom „Stadtpark“ - in Bad Harzburg. Besucher können mit all ihren Sinnen die Atmosphäre und die Einmaligkeit - den genius loci – verspüren. Der Rückzugsort in der Mitte des pulsierenden Lebens der Stadt lädt zur Stille, zur Kontemplation und Inspiration ein; er beflügelt das Denken und bewegt Gefühle. Aber auch spontane Begegnungen, Kommunikation und Austausch sind möglich.

Der Park, die grüne Freiluftwohnung mit grünen Böden und Wänden, ist zwar kein Lustgarten, aber auch kein Irrgarten mit vielen Verwerfungen; kein Schrebergarten, aber auch Kleingarten mit Gartenzwergen, Spießigkeit und kleinkarierter Regulierungswut.

Der Park im Kur- und Heilbad gibt vielmehr auch verwüsteten Seelen die Chance, neu gestreichelt, ja gepflegt zu werden, sich selbst kulturell neu zu gestalten, sich wie von zärtlicher Zauberhand beseelen zu lassen. Denn der Park ist selbst Sinnbild einer alles bewegenden Seele.

Die einzelne Seele, die sich im Dornröschenschlaf befindet, sich jedoch von dieser Schönheit wachküssen lässt, wird zugleich befreit und beglückt.


Burkhard Budde


P.S. Gedankt sei Berit Nachtweyh, die in der Goslarschen Zeitung vom 27. Juni 2020 auf diese „grüne Keimzelle für die Entwicklung“ von Bad Harzburg hingewiesen hat. Die Journalistin erinnert in ihrem Artikel an den Bremer Konsul Hermann Heinrich Meyer (gestorben 1898), der seit 1854 jährlich eine mehrmonatige „Sommerfrische“ in der Stadt verbrachte und deshalb die Villa Radau (später Casino, dann das heutige Ärztehaus) errichten ließ.

Im Auftrag des Konsuls wurden die umliegenden Wiesen und Äcker im „Kupferbruch“ durch den Gärtner Johann Friedrich Ebert aus Braunschweig in einer Grünanlage verwandelt; ab 1859 vom Gartenarchitekten Christian Schaumburg, ein Landschaftsgärtner des Königreichs Hannover, zu einer englischen Gartenanlage.

Ferner ergaben die Recherchen von Berit Nachtweyh aus dem Nachschlagewerk „Fülle des Schönen-Gartenlandschaft Harz“ von Christian Juranek,  dass der Teich, der heute noch erhalten ist, ebenfalls auf Schaumburg zurückgeht.

Und der Casinopark 1977 als Kulturdenkmal ausgewiesen wurde.


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt

 

Vier Fenster

 

Ein alter Freund hat seine Einstellung grundlegend geändert. „Wissen“ und „Glauben“, behauptete er viele Jahre lang, seien wie Feuer und Wasser. Jetzt aber habe  er die Brille seines alten Weltbildes abgelegt und blicke mit neuen Augen durch die Fenster seines Hauses. Und entdecke Neues: Im Unfertigen und Unvollkommenen, im Vorletzten und Begrenzten sowie in den Naturgesetzen gebe es eine geheimnisvolle Ahnung vom sinnstiftenden Ganzen des Lebens.


Da er merkt, dass ich ihn nicht verstehe, führt er mich zu den Fenstern seines Hauses. Eins ermöglicht einen Blick auf eine Straße, auf der viele Fahrzeuge fahren. „Ist diese Mobilität zufällig oder gibt es Gesetzmäßigkeiten?“ fragt er mich. Bevor ich anfange zu grübeln, gibt er selbst die Antwort. Alles sehe zufällig und willkürlich aus. Aber in Wahrheit sitze hinter jedem Steuer eine Person, die eine bewusste Entscheidung getroffen habe. Und könnten nicht auch Naturgesetze das Ergebnis des intelligenten Schöpfers allen Lebens sein?


Durch das nächste Fenster können wir eine bunte Schmetterlingswiese sehen. „Schmetterlinge“, wird mir erläutert, „leben nicht lange. Aber sie sind Verwandlungskünstler. Als Ei, Raupe und Puppe wandelten sie ständig ihre Gestalt, erleben sie Sterben und neues Leben“. Plötzlich werde ich gefragt: Könnte dieses Naturbeispiel nicht zu einem Grundvertrauen in die Botschaft von der Auferstehung Jesu durch die schöpferische Kraft Gottes ermutigen? Doch ich schweige verlegen.


Ein drittes Fenster öffnet den Blick auf einen Garten, in dem ein Walnussbaum steht. Der erinnere ihn an seine naturwissenschaftliche Tätigkeit, so mein Freund. Durch Beobachtung und Experimente habe er bereits viele Nüsse des Wissens gesammelt, geknackt, sie erforscht, um zu neuen Erkenntnisse zu gelangen. Überhaupt werde der Kuchen der Wissenschaft immer größer – aber gleichzeitig auch immer komplexer. Er sei ständig im Wandel begriffen. Und die Triebfedern Unsicherheit und Irrtum, aber auch die Haltung persönliche Demut und Verantwortung gehörten für ihn bei der Suche nach dem Sinn und Unsinn wissenschaftlicher Wahrheiten dazu – als untrennbare und dynamische Einheit.


Und er zeigt auf seinem Schreibtisch, wo neben „Wissensliteratur“ „Glaubensliteratur“ liegt, die Bibel mit der Aussage: „Jetzt erkenne ich stückweise, dann aber werde ich erkennen, gleich wie ich erkannt bin.“ (1.Kor.13,12) Und dieses Fenster des Glaubens und des Wissens öffnet den Blick für die einzigartige Liebe Gottes, die nicht stichfest bewiesen, aber auch nicht einfach widerlegt werden kann, jedoch persönlich erfahrbar und erlebbar ist – im zuversichtlichen und wissenden Vertrauen auf Gottes Möglichkeiten.

Burkhard Budde 


(veröffentlicht im Westfalen-Blatt am 27.Juni 2020 in Ostwestfalen und Lippe)

 

Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt


Four windows


An old friend has changed his attitude fundamentally. "Knowledge" and "belief", he claimed for many years, were like fire and water. But now he has taken off the glasses of his old world view and looks through the windows of his house with new eyes. And discover something new: in the unfinished and imperfect, in the penultimate and limited, as well as in the laws of nature, there is a mysterious inkling of the meaningful whole of life.


Since he realizes that I do not understand him, he leads me to the windows of his house. One allows a view of a street on which many vehicles are driving. "Is this mobility random or are there laws?" he asks me. Before I start to ponder, he gives the answer himself. Everything looks random and arbitrary. But in reality behind each wheel there is a person who has made a conscious decision. And couldn't the laws of nature be the result of the intelligent creator of all life?


Through the next window we can see a colorful butterfly meadow. "Butterflies", I am told, "do not live long. But they are masters of transformation. As egg, caterpillar and chrysalis, they constantly change their shape, they experience death and new life". Suddenly I am asked: Could this example of nature not encourage a basic trust in the message of the resurrection of Jesus through the creative power of God? But I am embarrassed to remain silent.


A third window opens the view of a garden in which a walnut tree stands. It reminds him of his scientific activity, my friend said. Through observation and experiments he had already collected many nuts of knowledge, cracked them, researched them in order to arrive at new insights. In general, the cake of science is getting bigger and bigger - but at the same time it is becoming more and more complex. It is constantly changing. And the driving forces of uncertainty and error, as well as the attitude of personal humility and responsibility, are part of it for him in his search for the meaning and nonsense of scientific truths - as an inseparable and dynamic unit.


And he shows on his desk, where besides "literature of knowledge" there is "literature of faith", the Bible with the statement: "Now I recognize in part, but then I will recognize, just as I am recognized. (1.Cor.13,12) And this window of faith and knowledge opens the view for the unique love of God, which cannot be proven beyond all doubt, but also cannot be simply refuted, but which can be personally experienced and lived - in confident and knowing trust in God's possibilities.

Burkhard Budde 


(published in the Westfalen-Blatt on 27. June 2020 in Ostwestfalen and Lippe)

  


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt

 

Ein „toller Typ“?!

Bei Not in Deckung gehen? Lieber die Augen verschließen? Einen Bogen machen? Die Marschrichtung auf keinen Fall ändern? Selbstverliebt in eine Spaßkultur eintauchen? Selbstgerecht Systemkritik üben? Oder Selbstlos in sein Unglück stürzen? Sind etwa „Mitgefühl“, „Mitleid“ und „Mitleiden“ Türöffner, um eine Not zu bewältigen?

 

Die Liebe zum notleidenden Nächsten sei wie ein Fixstern am Himmel der Werte, der in der Nacht der Herzenskälte leuchtet, sagte eine Lehrerin mit strahlenden Augen. „Das ist doch Bullshit“, antwortete ein Schüler und erntete zustimmendes Lachen seiner Klassenkameraden. Die Lehrerin, tapfer lächelnd, fand die Bemerkung gar nicht lustig, auch wenn sie bestimmt nicht böse gemeint war. Hat Nächstenliebe wirklich keinen Bezug zur Realität? Ist sie so abstrakt, dass (fast) alle sie „gut“ finden, weil sie ganz unterschiedlich interpretiert werden kann? Und so unkonkret, dass sie nur als Werbemaßnahme oder Täuschungsmanöver taugt?

 

Die Lehrerin ging in die Offensive, erarbeitete mit den Schülern eine Geschichte zur Bewusstseinsbildung, die biblische Geschichte vom Barmherzigen Samariter (Lukas 10, 25-37). Manche waren erst trotzig („Wieder Bullshit“), wurden dann aber immer neugieriger. Und entdeckten Neues und Hilfreiches, meinten am Schluss: „Ein toller Typ.“

 

Warum? Der „Barmherzige“ ging spontan aus seiner Deckung, hatte offenbar keine Vorurteile. Jedenfalls hat er keine Bedingungen an seine Hilfsbereitschaft geknüpft, nicht nach Herkunft, Religion, Geldbeutel, Titel, Status gefragt, sondern sein Herz sprechen lassen. Er hielt keine frommen oder politischen Reden, sondern er war einfach solidarisch, d.h. er hat wohl so gehandelt, wie er selbst in einer Not behandelt werden wollte.

 

Allerdings waren seine persönlichen Hilfsmöglichkeiten begrenzt; er tat deshalb das Nötige im Möglichen, stellte Weichen im Blick auf Hilfe zur Selbstständigkeit, nahm fremde (professionelle?) Hilfe in Anspruch, gab vor allem ein persönliches Opfer (Geld) und versprach sogar, mögliche Mehrkosten zu bezahlen.

 

Die Schüler waren beeindruckt von diesem Vorbild: Kein kompetentes „Ass“, aber auch kein ichbezogenes „Aas“; kein selbstsüchtiger Herrscher im Dienergewand, aber auch kein Dienstmädchen, das ihr Selbst opfert; kein Kammerdiener, der nur am Verdienst interessiert ist, sich selbst bedient oder dienert, um Erfolg zu haben. Vielmehr ein mitfühlender und kluger Mensch, dem ein notleidender Mitmensch zum Nächsten geworden war, so dass er half, dessen Not zu wenden.

 

Vielleicht, merkte noch ein Schüler an, sollten die „politischen Samariter“ unserer Zeit auch die Wege und die Verhältnisse so gestalten, dass „Überfälle“ möglichst nicht passieren können. Wie wahr, denn auch das Wasser der Liebe und Vernunft braucht stabile Gefäße, mit denen es transportiert wird. Und der Träger der Gefäße braucht selbst die schöpferische Liebe Gottes, damit er Kraft zum Tragen hat und in Verantwortung lieben kann - mit brennendem Herzen, kühlem Kopf und offenen Händen.

 

Burkhard Budde

(veröffentlicht im Westfalen-Blatt am 20.6.2020 in Ostwestfalen und Lippe)

 

Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt

 

A "great boy"?!

 

Take cover in case of need? You prefer to close your eyes? Stay away? Never change your direction of march? Dive into a culture of self-indulgence and fun? Self-righteous criticism of the system? Or plunge selflessly into his misfortune? Are "compassion", "pity" and "compassion" door openers to overcome a need?

 

Love for one's needy neighbor is like a fixed star in the sky of values that shines in the night of the cold heart, said one teacher with radiant eyes. "That's bullshit", replied one pupil and reaped approving laughter from his classmates. The teacher, bravely smiling, didn't find the remark funny at all, even though she certainly didn't mean any harm. Does charity really have no relation to reality? Is it so abstract that (almost) everyone finds it "good" because it can be interpreted in many different ways? And is it so unspecific that it is only suitable as an advertising measure or deception?

 

The teacher went on the offensive, worked out a story with the pupils to raise awareness, the biblical story of the Good Samaritan (Luke 10:25-37). Some were defiant at first ("bullshit again"), but then became more and more curious. And discovered something new and helpful, and in the end said: "A great boy."

 

Why? The "Merciful" spontaneously came out of his shell, apparently without prejudice. In any case, he didn't attach any conditions to his helpfulness, didn't ask about origin, religion, purse, title, status, but let his heart speak. He did not make any pious or political speeches, but he was simply in solidarity, i.e. he probably acted as he himself wanted to be treated in an emergency.

 

However, his personal possibilities for help were limited; he therefore did what was necessary in the possible, set the course for help for independence, took in foreign (professional?) help, gave above all a personal sacrifice (money) and even promised to pay possible additional costs.

 

The students were impressed by this example: no competent "ace", but also no self-centred "carrion"; no selfish ruler in a servant's garb, but also no maid who sacrifices her self; no valet who is only interested in earning money, serves or serves himself in order to succeed. Rather a compassionate and intelligent person to whom a fellow human being in need had become a neighbor, so that he helped to turn his misery around.

 

Perhaps, another student remarked, the "political Samaritans" of our time should also shape the ways and conditions in such a way that "assaults" cannot happen. How true, because the water of love and reason also needs stable vessels with which it is transported. And the carrier of the vessels needs God's creative love himself, so that he has strength to carry it and can love in responsibility - with a burning heart, a cool head and open hands.

 

Burkhard Budde

(published in the Westfalen-Blatt on 20.6.2020 in Ostwestfalen and Lippe)

 

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)


Ein Kuckuckskind

 

Zum Artikel „Nord-CDU steht zur sozialistischen Verfassungsrichterin“

in die WELT vom 16. Juni 2020

ein Leserbrief in die WELT vom 19. Juni 2020

„Vielen Dank für den Artikel, der erklärt und aufklärt, aber auch hoffentlich freiheits- und verfassungsliebende Demokraten mit Rückgrat wachrüttelt.

 

Die „Argumentation“ der Verantwortlichen überzeugt nicht: Solche personalpolitischen „Paketlösungen“ mit einem „Kuckucksei“ fördern nicht die parlamentarische Demokratie mit ihren demokratischen Institutionen. Wenn ein „Kuckuckskind“ erst einmal geschlüpft ist, kann es das demokratische „Nest“ von Vielfalt und Freiheit, Toleranz und Fairness, Wehrhaftigkeit und Verfassungstreue, sowie Geschichts-, Bürger- und Opferorientierung gefährden.

 

CDU und SPD sind bei dieser faulen Paket- und Kompromisslösung mit negativen Signalen, aber auch mit einer falschen personalpolitischen Weichenstellung unglaubwürdig geworden.

 

Manus manum lavat („Eine Hand wäscht die andere“) fördert nur die Faust in der Tasche und führt zur „Veräppelung“ der Bürger.

 

Eine kämpferische überzeugte und überzeugende Politik mit tragfähigen und zukunftsweisenden Kompromissen auch in Personalfragen zugunsten des Landes und der Demokratie sieht anders aus.“

 

Burkhard Budde

 


Erinnern – gedenken – lernen -

für Freiheit kämpfen

DDR-Volksaufstand am 17. Juni 1953


In etwa 700 Orten waren etwa eine Millionen Menschen in der damaligen DDR auf die Straße gegangen, um spontan gegen die politische und wirtschaftliche Situation im Unrechtsstaat der SED-Parteidiktatur – es gab keine wirkliche Gewaltenteilung und keine demokratischen Bürgerrechte - zu streiken.

Daraus entwickelte sich der DDR- Volksaufstand mit den Rufen nach Freiheit und Einheit vom 17. Juni 1953. Er wurde von Panzern der Sowjetarmee blutig niedergeschlagen; etwa 10 000 Demonstranten wurden festgenommen; mehr als 1500 Demonstranten erhielten Haftstrafen und einige Demonstranten wurden zum Tode verurteilt.

40 Jahre lang versuchte die sozialistische Diktatur dem Volk einzureden, dass man gegen den „Klassenfeind“ mit Spionage und Bespitzelung kämpfen müsse und stolz auf den „sozialistischen Fortschritt“ sein könne. Viele Menschen mussten sich verbiegen, um nicht aufzufallen oder wie politisch andersdenkende Aktivisten ins Zuchthaus zu kommen, ausgewiesen oder freigekauft zu werden. Die Staats- und Planwirtschaft bzw. der „sozialistische Fortschritt“ ruinierte das Land.

Aber viele Menschen im Osten Deutschlands hatten einen langen Atem, einen klugen Kopf und gewaltfreie Leidenschaft und erkämpften sich mit dem Fall der Mauer die „Freiheit in Würde und Verantwortung“.

Burkhard Budde


Von Gott geschenkte Würde

Veröffentlichung im ideaSpektrum


„Und Gott schuf den Menschen

zu seinem Bilde“ (1.Mose 1, 27 a)


Wolken hatten seine Seele verdunkelt. „Bin ich etwa nur ein Mensch zweiter Klasse?“ fragte er sich. Weil ich in einer Stadt lebe, in der ich nicht geboren bin? Weil ich ein anderes Gesangbuch und ein anderes Parteibuch habe als viele andere in meinem Umfeld? Weil ich weniger leiste, verdiene, besitze, anerkannt bin als andere? Weil ich alt und krank bin? Weil ich meine Hautfarbe und mein Aussehen nicht ändern kann? Und ich nicht mein Rückgrat auf dem Altar des Erfolges opfern will?


Die Würde jedoch auch dieses Menschen ist wie die Sonne, die zwar missachtet oder ignoriert werden kann, aber nicht außer Kraft zu setzen ist. Sie ist unverlierbar und unzerstörbar. Denn wer kann die Sonne vernichten, die der ewige Schöpfer geschaffen hat? Wer die angeborene und vom Schöpfer geschenkte Würde eines Menschen? Wer wagt es, sich an die Stelle des Schöpfers der Sonne

und Stifters der Würde zu setzen?


Die Sonne – die geschenkte Würde - ist unerreichbar weit weg, aber sie ist in ihren Strahlen – z.B. im Blick auf das Recht auf Leben in Würde und das Recht auf Freiheit in Verantwortung – so nah, dass sie jeden einzelnen Menschen erleuchten und erwärmen können.


Seit Jesus Christus, der das Ebenbild des unsichtbaren Gottes ist (Kol 1,15ff), können Christen die bedingungslose Liebe Gottes entdecken, die die Vernunft vernünftig macht, Kraft und Mut schenkt, Entwürdigung zu bekämpfen. Keiner ist Mensch zweiter Klasse, alle sind Kinder Gottes, die unantastbar gewürdigt sind, damit das Leben aller Menschen Würde und Gleichwertigkeit erfährt. Und eine leidende Seele Flügel bekommt, den Sonnenschein entdeckt, wieder froh wird.


Burkhard Budde

(veröffentlicht im ideaSpektrum am 17. Juni 2020)


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt


Kein Mensch zweiter Klasse


Ein Mensch wünscht sich ein Leben in Würde. Und die Achtung seiner Würde im Leben.


Er klagt, mal heimlich, mal offen, über die Entwürdigung, die er erfährt. „Ich bin wie Luft behandelt worden“. Keiner habe mit ihm gesprochen und Interesse an seinem Leben gezeigt. „Ich fühlte mich wie eine Maschine.“ Keiner habe Rücksicht auf sein Gefühls- und Seelenleben genommen. „Wie ein Werkzeug werde ich eingesetzt.“ Solange ich gebraucht werde und funktioniere, werde ich beachtet, wenn nicht, missachtet und beiseite gelegt.


„Bin ich etwa ein Mensch zweiter Klasse?“ Weil ich in einem Land lebe, in dem ich nicht geboren bin? In einer Stadt arbeite, in der ich nicht meine Jugendzeit verbracht habe? Aus einer Familie stamme, die nicht zur „Elite“ gehört? Mitglied einer Gemeinschaft bin, in der viele andere ein anderes Gesangbuch, Parteibuch oder Zertifikat haben? Weil ich weniger leiste, weniger verdiene, weniger besitze, weniger anerkannt bin als andere? Weil ich alt und krank bin? Weil ich meine Hautfarbe und mein Aussehen nicht ändern kann? Weil ich Amts- und Würdenträger sowie Aktivisten durchschaut habe, die unter ihrem Gewand nur ihre Interessen, aber auch ihre Würdelosigkeit verstecken? Und ich meine Würde und meine Überzeugungen nicht auf dem Altar des Erfolges opfern will?

Die Würde auch dieses Menschen ist wie die Sonne. Wolken der Benachteiligung, der Diskriminierung und Ausgrenzung können sie zwar verdunkeln, aber nicht außer Kraft setzen. Sie ist als ein absolutes Lebensgeschenk unverlierbar, unbegrenzbar und unverfügbar, auch unverdienbar und letztlich undefinierbar. Sie ist wie die Sonne unerreichbar weit weg, aber in ihren relativen Strahlen wie das Recht auf Leben und das Recht auf Freiheit so nah, dass das Leben und die Freiheit durchleuchtet und erwärmt sowie konkretisierbar und verantwortbar werden – in Schönwetterzeiten, insbesondere jedoch auch in gefährlichen Sturmzeiten.


Aber wie kann die Würde ausnahmslos und grenzenlos verpflichtend bleiben? Verhindern, dass die Vernunft nicht zum unvernünftigen Götzen wird? Dass jeder einzelne Mensch überall und immer mit einer angeborenen Würde würdig leben kann? Es gibt eine unsichtbare und unvergängliche sowie schöpferische und ganzheitliche Lebenskraft in aller Vernunft und Emotionalität, die die „Würde“ von persönlichen Vorstellungen befreit: Die Liebe Gottes, die wie die Sonne ist, die auch die Sonne geschaffen hat, die das Leben jedes Menschen unbedingt würdigt, schafft, erhält, erneuert und vollendet.


Und spricht das Grundgesetz deshalb nicht zu Beginn von der „Verantwortung vor Gott und den Menschen“, um schleichende oder offene Entwürdigung zu verhindern?! Und um ein freies und an das Grundgesetz sowie an die Gesetze gebundenes Leben in Würde zu ermöglichen?! Und um für die unantastbare Würde aller Menschen sowie die Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens zu kämpfen und Verantwortung zu zeigen?!

Burkhard Budde

(veröffentlicht im Westfalen-Blatt am 13.6.2020 in Ostwestfalen und Lippe)

 

Spiritual impulse

 

No second-class citizen


A human being wishes for a life in dignity. And respect for his dignity in life.

He complains, sometimes secretly, sometimes openly, about the degradation he experiences. "I have been treated like air". No one has spoken to him and shown interest in his life. "I felt like a machine." No one showed any consideration for his emotional life or his soul. "I am used like a tool." As long as I am used and function, I am respected, if not, disregarded and put aside.


"Am I a second-class human being?" Because I live in a country where I was not born? Working in a city where I didn't spend my youth? Coming from a family that is not "elite"? Am a member of a community where many others have a different hymnal, party book or certificate? Because I do less, earn less, own less, have less recognition than others? Because I am old and ill? Because I cannot change my skin colour and appearance? Because I have seen through officials, dignitaries and activists who hide under their robes only their interests, but also their dignity? And I do not want to sacrifice my dignity and my convictions on the altar of success?


The dignity of this person is like the sun. Clouds of disadvantage, discrimination and exclusion can darken it, but they cannot override it. As an absolute gift of life, it is captive, unlimited and unavailable, also undeservable and ultimately indefinable. Like the sun, it is unreachably far away, but in its relative rays, like the right to life and the right to freedom, it is so close that life and freedom are illuminated and warmed up and become concrete and responsible - in good weather, but especially in dangerous storm times.


But how can dignity remain binding without exception and without limits? Prevent reason from becoming an unreasonable idol? That every single human being everywhere and always can live in dignity with an innate dignity? There is an invisible and imperishable as well as creative and holistic life force in all reason and emotionality that frees "dignity" from personal ideas: The love of God, which is like the sun, which also created the sun, which necessarily appreciates, creates, maintains, renews and completes the life of every human being.


And does the Basic Law therefore not speak at the beginning of the "responsibility before God and man" in order to prevent creeping or open degradation?! And to make possible a free life in dignity, bound to the Basic Law and to the laws? And to fight and show responsibility for the inviolable dignity of all people and the equality of all human life?

Burkhard Budde


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt

 

„Kluges Köpfchen“

 

Ein „kluges Köpfchen“ betet. Einer, der das beobachtet, schüttelt den Kopf. Ein anderer verdreht die Augen; einer macht große Augen. Wieder einer nickt verhalten, ist erstaunt, wird neugierig: Wie ist es möglich, dass einer, der nicht auf den Kopf gefallen ist, betet? Ist das Gebet nicht ein Selbstgespräch, eine Selbsttäuschung, eine Selbstbeschäftigung? Vielleicht eine Flucht in eine Scheinwelt? Eine Beruhigungspille für gestresste Nerven? Vielleicht eine fromme Komödie, um eine Feier mit entleerten Formeln zu verzieren? Oder nur ein religiöser Kitt, um eine bunte Gemeinschaft zusammen zu schweißen?

 

Fragen wir einmal das „kluge Köpfchen“ selbst, warum es zum unsichtbaren Gott betet.

 

Er sei kein Magier, erläutert der Beter. Der ewige Gott sei keine endliche Person, die er beeindrucken, beeinflussen oder für seine Wünsche einspannen könne. Er sei auch keine Puppe und der souveräne Gott kein Marionettenspieler, an dessen Fäden er hängen würde.

 

Er verstehe sich vielmehr als Vertrauender. Um das „Unfassbare“ fassen zu können, denke er nicht nur „gescheit“ über Gott nach, sondern er spreche vielmehr mit Gott und gehe dadurch mit ihm eine Beziehung ein. Er leide in einer Krise manchmal auch an Gott, aber er bewege sich im Gebet hin zum Willen und in die Hand Gottes – ganz im Sinne Jesu, von dem im Garten Gethsemane überliefert worden sei „Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Und dann fügt das „kluge Köpfchen“ noch hinzu: „Mir wird auch Trost geschenkt. Ich entdecke, wie der Himmel mein Leben berührt und ich in meiner Krise nicht allein bin. Und anschließend kann ich viel gelassener, besonnener und zuversichtlicher weiterleben.“

 

Der Beter hat auch bedacht, wie verletzlich, begrenzt und vergänglich sein Leben ist und wie er auf die Hilfe seiner Mitmenschen und auf die Hilfe Gottes angewiesen ist. Er weiß, dass er auf die Nase fallen kann. Aber auch, dass Gott ihn nicht richtet, sondern wieder aufgerichtet.

 

Im Gebet gibt es eben keine Kopfnüsse, wohl aber kann auch ein Beter ein „sturer Kopf“ sein, dessen Kopf voller Vorurteile, Feindbilder, Ressentiments, Ängste und Verletzungen ist und erst entleert werden muss. Damit neue göttliche Lebensenergie in seinen Körper strömt, um sein gebrochenes Herz mit Liebe zu heilen, seinen ahnungslosen Kopf mit Vertrauen zu erneuern, seine verschlossenen Hände in Vernunft und Verantwortung zu öffnen.

 

Und „weise Köpfe“, die an Jesus Christus glauben, werden Gott bitten, gehört und erhört zu werden: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Hilf mir, aus meiner Krise herauszukommen. Schenk mir neues Leben, damit ich in deinem Geiste der schöpferischen Liebe lebe“.

 

Burkhard Budde

 

(Veröffentlicht am 6. Juni 2020 im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe)

 

Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt

 

"Clever boy"

 

A "wise boy" is praying. One who observes this shakes his head. Another twists his eyes; one makes big eyes. Another one nods modestly, is amazed, becomes curious: how is it possible that someone who has not fallen on his head prays? Isn't prayer a self-conversation, a self-deception, a self-occupation? Perhaps an escape into an illusory world? A sedative pill for stressed nerves? Perhaps a pious comedy to decorate a celebration with empty formulas? Or just a religious putty to weld together a colourful community?

 

Let's ask the "wise boy" himself why he prays to the invisible God.

 

He is not a magician, explains the prayer. The eternal God is not a finite person whom he can impress, influence or harness for his wishes. He is also not a puppet, and the sovereign God is not a puppet master on whose strings he would hang.

 

He rather sees himself as a confidant. In order to be able to grasp the "incomprehensible", he not only thinks "cleverly" about God, but he rather talks to God and thereby enters into a relationship with him. In a crisis he sometimes also suffers from God, but he moves in prayer towards the will and into the hand of God - completely in the sense of Jesus, by whom in the Garden of Gethsemane "But not as I want, but as you want. And then the "wise man" adds: "I too am comforted. I discover how heaven touches my life and I am not alone in my crisis. And afterwards, I can live much more serenely, calmly and confidently."

 

The prayerful person also considered how vulnerable, limited and transitory his life is and how he is dependent on the help of his fellow men and on the help of God. He knows that he can fall on his face. But also that God does not judge him, but rather straightens him up again.

 

In prayer, there are no head butts, but a prayerful person can also be a "stubborn head", whose head is full of prejudices, enemy images, resentments, fears and injuries and must first be emptied. So that new divine life energy flows into his body to heal his broken heart with love, to renew his unsuspecting head with trust, to open his closed hands in reason and responsibility.

 

And "wise heads" who believe in Jesus Christ will ask God to be heard and answered: "Your kingdom come. Your will be done. Help me to get out of my crisis. Give me new life so that I may live in your spirit of creative love".

 

Burkhard Budde

 

(Published on 6 June 2020 in the Westfalen-Blatt in East Westphalia and Lippe)


Essay

Der „Zauber“ des Gebets

Kann etwas Entzaubertes wieder verzaubert werden? Das fortlaufende Gespräch mit Gott ist zwar keine Zauberei, wohl aber geht von ihm ein unbegreiflicher „Zauber“ aus. Das Gebet gehört zum persönlichen Fingerabdruck eines jeden Gläubigen sowie zum unvertretbaren Auftrag der Kirchen. Es ist die menschliche Antwort auf die universelle Botschaft des Gottes, der zuvor durch die Propheten, vor allem durch Jesus sowie durch viele folgende Zeugen zu den Menschen gesprochen hat und durch seinen Geist noch heute spricht.

 

Aber der Reihe nach: Wie entsteht dieser religiöse Zauber, der die Vernunft nicht lähmt, auch nicht unvernünftig, sondern im Lichte des Glaubens vernünftig macht?

 

Einer betet „vernünftig“: Das Gebet ist für ihn keine Schmerztablette, die seine gestressten Nerven einfach beruhigt. Kein leises Pfeifen in der Dunkelheit seiner Orientierungslosigkeit, um seine Ängste zu vertreiben. Auch kein alter Zopf, der vergangene Zeiten verklärt und in eine Märchenwelt hineinführt. Keine fromme Komödie, um eine Feier mit entleerten Formeln zu verzieren. Kein religiöser Kitt, um eine bunte Gemeinschaft zusammenzuschweißen. Er betet nicht zu sich selbst, führt kein Selbstgespräch, sondern er betet zum unsichtbaren Gott.

 

Er will dabei kein Magier sein. Er weiß, dass der ewige Gott keine endliche Person ist, die er beeindrucken und beeinflussen oder für seine Zwecke einspannen kann. Dass der souveräne Gott kein Automat ist, in den man die Münze einer Bitte hineinwirft, um das Gewünschte sofort herauszubekommen.

 

Er will dabei keine Puppe sein. Er weiß, dass der freie Gott kein Marionettenspieler ist, an dessen Fäden er hängt, sondern ihm die Freiheit zur Partnerschaft mit ihm schenkt. Und deshalb den „Missbrauch der Freiheit“ durch den Menschen – die Freiheit zum Bösen - in Kauf nimmt, um dem Menschen den „rechten Gebrauch“ – die gewollte Freiheit zur Liebe – zu ermöglichen. Denn Gott handelt nicht unsinnig, gibt und nimmt nicht zugleich die Freiheit.

 

Der Beter ist vielmehr Vertrauernder. Er leidet in einer Krise, manchmal auch an Gott, aber er bewegt sich im Gebet hin zum Willen und in die Hand Gottes – ganz im Sinne Jesu, von dem im Garten Gethsemane das Gebet überliefert worden ist „Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Und erfährt durch das Geschenk der Gewissheit der allgegenwärtigen und mittragenden Hand Gottes Trost, Zuversicht und Kraft. Und wird selbst verändert.

 

Er entdeckt, dass im Lichte des Kreuzes Jesu Unheil und Heil, Ohnmacht und Macht Gottes, endliches Handeln des Menschen und unendliches Handeln Gottes sinnstiftend zusammengehören. Dass Erde und Himmel untrennbar sind. Dass es auf der Erde keine Mosaiksteine ohne die Einheit und Ganzheit des himmlischen Mosaiks gibt; aber auch kein Mosaik ohne einzelne Steine, selbst wenn sie rissig, brüchig oder voller Spannungen sind.

Dass das Gebet die Augen für einen geistlichen Kompass öffnet, um immer neue Perspektiven und Überraschungen zu entdecken, sowohl in Irrgärten als auch in Labyrinthen, weil Gott selbst, aber auch und gerade durch Menschen in verschiedenen Situationen handelt.

Und dass der Beter mit Kopf und Herz und offenen Händen Gott bitten kann, gehört und erhört zu werden: Dein Reich komme. Dein Wille geschehe. Maranatha – keine Zauberformel, wohl  aber eine faszinierende Bitte um neues Leben, um ein Wunder: „Unser Herr, komm!“

Burkhard Budde


Kreuz mit dem Kreuz?

Symbol des Heils in der Heillosigkeit?!

Streit wegen des Kreuzes: Auf der Kuppel des wiedererrichten Berliner Schlosses soll es wieder sichtbar werden. Als Erinnerung an die Verbindung von Königsherrschaft und Gottesgnadentum? An Friedrich Wilhelm IV, der 1795 in Berlin geboren, 1861 in Potsdam gestorben, von 1840 bis 1861 König von Preußen war? Warum nicht?! Der König aus dem Haus der Hohenzollern war ein gläubiger Herrscher, der seine Frömmigkeit lebte und konfessionsübergreifend wirkte. Dass er damals einen „christlichen Staat“ anstrebte, kann man ihm heute nicht vorwerfen. Aber man kann das Kreuz auf dem Schloss als sichtbares Zeichen der Versöhnung Gottes und der Feindesliebe Jesu jenseits aller Religionen, Konfessionen und Weltanschauungen interpretieren. Und selbst wenn diese Botschaft nur noch „Geschichte“ wäre, würde sie nicht anstößige Deko, sondern bliebe Erinnerungsgeschichte, die durch Bildung auch eine Quelle der Selbstvergewisserung darstellt und damit bedeutsam für die Gegenwart und Zukunft ist.

 

Und das Kreuz in der gegenwärtigen Corona-Krise. Auch ein Zankapfel? Kann das christliche Kreuz zur Bewältigung der beispiellosen Pandemie helfen? Für viele ist das Kreuz Jesu ein „Ärgernis“, eine „Torheit“ oder eine „Zumutung“. Für Christen kann es allerdings eine Quelle der „Weisheit“ sein, die das unverwechselbare Gesicht sowie den unvertretbaren Auftrag der Kirche Jesu Christi sichtbar macht.

 

Auf die Frage Jesu am Kreuz „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mk 15,34), bekam Jesus keine Antwort. Auch heute bekommen Christen und Nichtchristen auf die „Warum-Frage“ nach der Corona-Krise keine Antwort. Es wird deshalb naiv oder gefährlich spekuliert: Ist sie eine „Strafe Gottes“, eine „Rache der Natur“, eine „Folge der Globalisierungsmöglichkeiten“, eine „Konsequenz eines ungerechten oder selbstbezogenen Lebensstiles“?

Die offene Frage nach dem „Warum“ und nach dem „versteckten Sinn“ bleibt jedenfalls theologisch betrachtet offen. Und muss ausgehalten und eingestanden werden.

 

Jesus kannte jedoch einen Adressaten seiner „Warum-Frage“. Er brachte dadurch – trotz allem und wider den Augenschein – sein Grund- und Gottvertrauen zum Ausdruck, indem er am Kreuz hinzufügte: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist« (Lukas 23, 46) Ihm wurde eine letzte Gewissheit geschenkt, dass Gott als Urheber und Urmitte allen Lebens auch der Ursinn und das Urziel des Lebens ist. Und ein hoffnungsloser Mensch auf letzten Sinn in aller scheinbaren Sinnlosigkeit, auf Gott selbst, hoffen kann.

 

Jesus Ende war der Anfang neuen Lebens. Der persönliche und gemeinschaftliche Glaube an Jesu Auferstehung, an seine schöpferische Neugeburt im Geiste der schöpferischen Liebe Gottes, kann Menschen als Gott- und Christusvertrauende noch heute bewegen, sich der Perspektive des mitleidenden und selbstleidenden Vaters Jesu in einer Krise zu öffnen und anzuvertrauen. Und sich für die unantastbare Würde aller, vor allem sich für die Schwächsten und Schwachen in empathischer Vernunft im Rahmen des Nötigen im Möglichen einzusetzen.

Jeder kann ein modisches Kreuz an einer Halskette anlegen, um sich zu schmücken. Oder ein Amtskreuz ablegen, um „tolerant“ zu wirken. Oder ein Erinnerungskreuz aus dem öffentlichen Raum verbannen, um Applaus eines aktuellen Zeitgeistes zu erheischen. Auch kann man vor Ahnungslosen und Achtlosen zu Kreuze kriechen. Oder mit sich selbst über Kreuz liegen, wenn das Kreuz zum Kreuz geworden ist. Aber das christliche Kreuz kann auch zum Symbol des ewigen Heils in der weltlichen Heillosigkeit werden, weil es eine Lebensquelle der Gotteskraft ist, aus der Christen täglich schöpfen können.

Burkhard Budde       

 

 

 


Unauffällig auffällig -

Bad Harzburg mit besonderer Ausstrahlung


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt

 

Komm, Schöpfergeist!

 

Du bist die Quelle des Lebens.

Schenk mir Kraft, aus ihr zu schöpfen.

Der Atem des Lebens.

Schenk mir Kraft zur Hoffnung auf neues Leben.

Das Licht des Lebens.

Schenk mir Kraft, die Geister zu unterscheiden.

Die Liebe des Lebens.

Schenk mir Kraft zum Vertrauen,

mit Dir und vor Dir zu leben.

 

Erfülle mein Herz mit Freude, damit dunkle Wolken verschwinden.

Meinen Kopf mit Klugheit, damit sich dichter Nebel lichtet.

Bewege meine Hände zärtlich, damit ich Lasten loslasse.

Meine Füße maßvoll, damit ich Lasten tragen lerne.

 

Öffne meine Augen für das Helle in der Finsternis.

Mein Ohr für Dein Wort, damit ich Deine Stimme höre.

Meinen Mund für Deine Wahrheit, damit ich mich zu Dir bekenne.

 

Gott, Schöpfergeist.

Du bist der Geist Christi.

Mach im Namen Gottes wahr,

was Du schaffen, bewahren und erneuern willst.

Und vergiss Deine Welt, meinen Nächsten und mich nicht.

 

Burkhard Budde

 

(veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen und Lippe am 30.5.2020)

 

Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt

 

Come, Creative Spirit!

 

You are the source of life.

Give me strength to draw from it.

The breath of life.

Give me strength to hope for new life.

The light of life.

Give me strength to know the spirits.

The love of life.

Give me strength to trust,

to live with you and in front of you.

 

Fill my heart with joy so that dark clouds disappear.

Fill my head with wisdom, so that thick fog will clear.

Move my hands tenderly to release burdens.

My feet in moderation so I learn to bear burdens.

 

Open my eyes to the light in the darkness.

My ear for Your word so that I may hear Your voice.

My mouth for Your truth, that I may confess You.

 

God, Creator Spirit.

You are the Spirit of Christ.

Make true in the name of God,

what you want to create, preserve and renew.

And do not forget your world, my neighbour and me.

 

Burkhard Budde

 

(published in the Westfalen-Blatt in East Westphalia and Lippe on 30.5.2020)

 

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)


Sprache als Zuchtmeister?

Leserbrief in die WELT zum Thema „Sprache und Moral“

 

Über „Sprache und Moral“ schrieb Chefredakteur Dr. Ulf Poschardt in die WELT einen Kommentar (DW 26.5.2020). Er nahm Bezug u.a. auf ANNE WILL im Ersten vom 24. Mai, in der Anne Will „genderte“. Ulf Poschardt kritisierte, dass die „gebildete Mittelschicht die Sprache zu einem Zuchtmeister ihrer Nutzer machen will.“ Es würden „neue kühle Parallelgesellschaften“ entstehen, „entworfen von „linken“, zumeist steuerfinanzierten Elfenbeinturmbewohnern.“

 

In die WELT vom 29. Mai ist diesem Thema folgender Leserbrief von mir erschienen:

 

„Vielen Dank an Ulf Poschardt  für die inhaltlich und sprachlich überzeugende Argumention. Leider tummeln sich immer mehr sprachliche „Zuchtmeister“ im Gewand der Emanzipation in der Medienlandschaft und in der Öffentlichkeit, ernten noch von ihren applaudierenden Fans unkritische Huldigungen und von den kritischen Geistern häufig leider falsche Zurückhaltung oder resignierendes Schweigen.

Doch der stete Tropfen sprachlicher Vernunft höhlt vielleicht doch eines Tages den Stein der Einsicht vieler: Zum Beispiel dass Steuerzahler Steuerzahlerinnen mitmeinen kann. Dass das Neutrum im Deutschen nicht sexualisierbar ist. Und dass „Oberhäuptling“ sexusneutral ist, d.h. Frauen und Männer sowie das „dritte Geschlecht“ gleichermaßen bezeichnet.

Politische und andere Oberhäuptlinge mit erhobenem Zeigefinger können auch mit einem Lächeln auf dem Gesicht nicht ihre eigenen Probleme mit Sprache und Andersdenkenden weglächeln. Sprache als Medium und Teil der Gesellschaft kann als Instrument zum Kochen des eigenen Süppchens missbraucht werden. Wenn dann freie und erwachsene Menschen mit sprachlichen Einheitskochrezepten erzogen werden sollen, dann sollte man ihnen allein deshalb argumentativ widersprechen, weil sonst sprachliche Klöße im Hals steckenbleiben und die Liebe zur Sprache und ihrer Ästhetik sowie der Geschmack auf den bildhaften Reichtum der Sprache geopfert werden.“

 

Burkhard Budde

 

(DW 29.5.2020)


Essay zum Pfingstfest

 

Unschuldig angeklagt

 

Wer ist verantwortlich? Eine Gerichtsverhandlung soll Klarheit verschaffen. Einzelne Zuschauer sind gekommen. Einer wirkt neugierig. Einer zugeknöpft. Einer scheint aufgewühlt zu sein. Einer gähnt – vor Langeweile? Ein Richter eröffnet die Verhandlung und stellt fest, dass niemand auf der Anklagebank sitzt.

 

Ein Staatsanwalt trägt die Anklagepunkte vor. Der Angeklagte, der das Haus gegründet habe, kümmere sich nicht wirklich um das Haus. Die Tür sei mal offen, mal verschlossen. Die Frage der Schlüsselgewalt sei ungeklärt. Bewohner würden Dienstleistungen und Events anbieten, die immer weniger Menschen in Anspruch nähmen. Viele Mitarbeiter, die an ihrer eigenen Unentbehrlichkeit arbeiteten, kreisten nur um sich selbst. Sie säßen nicht selten in Sitzungen hinter verschlossenen Türen und seien mit Machtspielen beschäftigt. Im Schaufenster des Hauses könne man über „Toleranz und Vielfalt“ staunen; im Innern allerdings gebe es viele Selbstgespräche, häufig eine tolerante Kultur der Intoleranz. Die Kernaufgaben Gottesdienst, Seelsorge, Bildung und Diakonie kämen zu kurz. Und bunte Talare seien noch kein Ausweis von geistlicher Vollmacht, Allerweltsweisheiten noch kein Ausweis einer Botschaft, die von geistigen und moralischen Fesseln befreie. Das Haus sei zu einem menschlichen Kartenhaus ohne geistliches Fundament geworden. Dass zeigten besonders predigende Bewohner, dessen persönliches Leben eine Gegenpredigt darstelle. Der Angeklagte, der es zwar schwer habe, überhaupt ins eigene Haus durch den Türspalt zu gelangen, gehöre aber dennoch wegen seiner Gesamtverantwortung auf die Anklagebank.

 

Ein Verteidiger warb um Verständnis für den „unsichtbaren“ Angeklagten. Er könne zwar Wolken düsterer Gefühle vertreiben, aber nicht verletzende Steine der Selbstgerechtigkeit, Selbsterhöhung und Selbstsucht. Er könne zwar Wasser des Lebens anbieten, aber keinen Stein zwingen, der im Wasser liegt, sich zu öffnen, um nicht innerlich trocken und unbeweglich zu bleiben. Nichtsdestotrotz habe der Angeklagte besonders in Krisenzeiten schon viel Gutes und Sinnvolles bewirkt: Köpfe zurechtgestutzt, die behaupteten, die Krise sei eine Strafe des Hausherrn, Rache des Wohnortes oder des Bewohnerstils, Folge der Ungerechtigkeit; den Herzschlag erhöht, wenn gleichgültige Ahnungslosigkeit oder kalte Menschenverachtung herrschte. Vor allem habe der Angeklagte Menschen die Kraft zur Unterscheidung der Geister durch den Maßstab der Liebe sowie neue Zuversicht und neues Vertrauen geschenkt. Weil durch den Angeklagten durstige Bewohner anderen durstigen Menschen glaubwürdig weitergesagt hätten, wo es geistliches Quellwasser im Haus und darüber hinaus gebe.

 

Der Richter sagte in seiner Urteilsbegründung: Das vom Angeklagten gegründete Haus war, ist und bleibt eine Dauerbaustelle. Als „kyriakä“ (Haus des Herrn) und als „ekklesia“ (Schar der Herausgerufenen) ist es nicht von dieser Welt, aber es existiert in dieser Welt und sollte für diese Welt da sein. Als Organisation gibt es in diesem Haus Menschen mit gemeinsamen Zielen, Regeln und eine Mitgliedschaft. Als Institution, als Geschöpf des Wortes des Hausherrn, ermöglicht dieses Haus zugleich seinen Aufbau, Umbau und Neubau, der jedoch stets vom Auftrag des Hausherrn zu legitimieren ist. Maßstäbe bei der Suche nach dem Willen des Hausherrn sind das Gott- und Christusvertrauen, die geschwisterliche Liebe der Hausbewohner sowie die solidarische Weltverantwortung.

Jeder Hausbewohner braucht den Generalschlüssel des Angeklagten, um in das wahre Innere des Hauses zu gelangen, um selbst erneuert zu werden, damit von diesem Haus im Häusermeer neues Leben ausgeht, Frieden in Freiheit und Gerechtigkeit sowie eine zu versöhnende Vielfalt in der Einheit aller.

Wenn Hausbewohner den Generalschlüssel missachteten, trage der Angeklagte keine Verantwortung. Er sei freizusprechen. Als Heiliger Geist werde er weiterhin Unfreie zur Liebe in Würde und Verantwortung befreien können. Und viele gebrochene Herzen trösten.

Burkhard Budde


Mehr wissen – besser verstehen

Pfingsten

 

Zum Namen:

Pfingsten (= „fünfzigster Tag“), ein christliches Fest, das 49 Tage nach Ostern gefeiert wird und an die Ausgießung bzw. Aussendung des Heiligen Geistes sowie an die Gründung der Kirche erinnert.

 

Zur Geschichte:

Das dritte Hochfest der Kirche (neben Ostern und Weihnachten) stammt aus jüdischer Tradition:

Nach dem „Passahfest“ (Erinnerung an den Auszug aus Ägypten bzw. an die Befreiung aus der Sklaverei) wurde am 50. Tag das jüdische „Wochenfest“ („Chag schawuot“) als Erntedankfest nach der Weizenernte, auch als Pilgerfest, später als Erinnerungsfest an die Gesetzgebung auf dem Berg Sinai („Zehn Gebote“) fröhlich tanzend (=“Chag“) gefeiert.

Als die Apostel und Jünger Jesu zum Wochenfest (auch „Pentekoste“ = „50.Tag“) in Jerusalem versammelt waren, sind sie nach dem Bericht der Apostelgeschichte vom Heiligen Geist erfüllt worden: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen, in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.“ (Apg. 2,2-4)

 

Zum christlichen sowie eigenständigen Fest des Heiligen Geistes mit Taufen wurde Pfingsten im 4. Jahrhundert, zum Hochfest mit eigener Oktav (Pfingstmontag und Trinitatis = Dreifaltigkeitsfest am ersten Sonntag nach Pfingsten) im 7. Jahrhundert.

 

Zur Bedeutung:

Nach der Apostelgeschichte hat der Apostel Petrus in einer Predigt das Pfingstgeschehen heilsgeschichtlich gedeutet sowie als Beweis der Auferstehung und Erhöhung Jesus als Messias: Durch den Propheten Joel habe Gott vorausgesagt, dass er in den letzten Tagen seinen Geist über alles Fleisch ausgießen werde. (vgl. Apg. 2, 16) Und Jesus sei von Gott auferweckt worden und habe den verheißenen heiligen Geist vom Vater empfangen. (vgl. Apg. 2, 32ff) Wer den Heiligen Geist empfangen wolle, müsse umkehren und sich taufen lassen: „Kehrt um und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi taufen zur Vergebung seiner Sünden; dann werdet ihr die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.“ (Apg. 2, 38)

Der Heilige Geist als „Kraft aus der Höhe“ bewirkt Einheit in der Vielfalt – ein Gottesvolk, das sich als christliche Kirche - nicht von der Welt, aber in der Welt und für die Welt – versteht und sich zu Jesus Christus öffentlich bekennt. Das Pfingstgeschehen ist deshalb auch die Geburt der offenen und einladenden Kirche des Wortes Gottes als Gemeinschaft der Gott- und Christusvertrauenden sowie die Geburtsstunde der Mission und Diakonie. Und gibt der Kirche ein unverwechselbares Gesicht sowie einen unvertretbaren Auftrag.

Burkhard Budde


Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit im Blick

Leserbrief zum Thema „Corona“ in der Goslarschen Zeitung

 

„Über Corona, Grundrechte und Moral“ schrieb Chefredakteur Jörg Kleine in der Goslarschen Zeitung vom 9. Mai 2020.

In der Ausgabe vom 23. Mai 2020 erschien dazu folgender Leserbrief:

 

„Gerne und zustimmend habe ich Ihren Artikel gelesen. Auf den Punkt gebracht haben Sie das Thema „Fußball“. Auch die „unheilige Allianz“ ist ein wichtiger Aspekt, der zur Transparenz verlogener Nebelkerzen beiträgt. Ihre differenzierte Darstellung der Folgen der Öffnungsklauseln trägt zum kritischen Denken bei.

 

Sie fragten nach der Meinung Ihrer Leser. Kleine Ergänzungen aus meiner Perspektive:

In der Corona-Krise wird immer wichtiger

-         eine Kultur der Eigenverantwortung und der Differenzierung im Rahmen der Gesamtverantwortung des Staates  und liberalen Demokratie,

-         die Philosophie des Vorrangs des Lebens- und Gesundheitsschutzes, der Würde und der Menschenrechte vor partikularen Interessen auf der Grundlage unseres Grundgesetzes,

-         der Ausgleich der Interessen, der Erwartungen, Werte und Ziele durch legitimierte und später auch zur Verantwortung ziehenden Kräfte in einer parlamentarischen Demokratie,

-         sowie die Gewaltenteilung in unserem Staat, d.h. die Kontrolle der Exekutive/ auch der Ministerialbürokratie durch die Judikative und die Medien insbesondere im Blick auf die Verhältnismäßigkeit und Sinnhaftigkeit der jeweiligen Maßnahmen.

Die Lust an der Macht der „Mächtigen“ sowie eine Kultur der panischen Überkontrolle, der Pöbeleien um des eigenen Vorteils willens und der Denunziation aus niederen Beweggründen darf die persönliche und gemeinsame Verantwortung in der jeweiligen konkreten Situation nicht vollends in den Hintergrund drängen lassen“.

 

Burkhard Budde

(GZ 23. Mai 2020)


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt

 

Eine starke Kronzeugin

 

Das Schicksal saß auf der Anklagebank. Es hatte überraschend zugeschlagen. Brutal und hart, unsichtbar und unfair. Der Richter fragte: „Warum?“ Und der Staatsanwalt wies auf die heimtückischen Zerstörungen hin. Es habe zudem keine Zeit gegeben, sich auf diese Schläge vorzubereiten.

 

Da sagte das Schicksal: „Ja, es stimmt. Ich habe das Hamsterrad der Getriebenen und Treiber zum Stillstand gebracht. Die Tretmühle des Glücks ist bei vielen aus dem Tritt geraten. An der Karriereleiter des Erfolgs habe ich kräftig gerüttelt. Mir ist es gelungen, dass der Fahrstuhl des Wohlstandes für alle steckengeblieben ist. Die Rolltreppe, die nach oben führt, hat sich verlangsamt; die Rolltreppe, die nach unten in den Keller führt, beschleunigt. Vor allem wackelt jetzt das Kartenhaus des Lebens vieler bedenklich oder liegt bereits zerstört am Boden.“

 

Doch dann blickte das Schicksal in den Zuschauerraum des Gerichtes, wo eine Kronzeugin saß, ergänzte und wirkte dabei etwas „enttäuscht“: „Ich hatte viel Erfolg. Nur mit einer Person konnte ich nicht so richtig fertigwerden. Spätestens wenn ich sie endgültig in die Wüste der Sinnlosigkeit und Ohnmacht, der Ängste und Mutlosigkeit, des Misstrauens und der Aggressionen vertreiben wollte, trat sie mir mutig und zugleich vernünftig entgegen.“ Neugierig fragte der Richter das Schicksal, wer denn diese Person sei. Und der Staatsanwalt rieb sich die Augen, um die Antwort nicht zu verpassen.

 

Da zeigte das Schicksal etwas verlegen auf die Kronzeugin, holte tief Atem und antwortete: „Es ist die Hoffnung.“

 

Die weiteren Befragungen der Kronzeugin ergaben tatsächlich: Die treue Begleiterin „Hoffnung“ konnte trotz der vielen Schicksalsschläge nicht in die Knie gezwungen werden. Sie hatte die Menschen nicht mit billigen Versprechungen vertröstet, auch nicht mit leichtgläubigem Wunschdenken zum geistigen Selbstbetrug verführt, auch nicht die Flucht in die heile Welt eines Seelenfriedens ermöglicht.

 

Wohl aber hatte die Hoffnung selbst teilgenommen an schmerzlichen Wehen und gleichzeitig in der Erwartung von Neuanfängen – wie eine Gebärende.

 

„Und was war ihr persönlicher Anker?“ fragte der Richter die Kronzeugin. „Leider habe ich Menschen erlebt, die auf dem Meer des Lebens ertrunken sind, obwohl ein Rettungsboot sichtbar und in der Nähe war. Weil sie nicht an mich glaubten“, führte die Kronzeugin aus und stellte sich genauer vor: „Ich bin nur das Band vom Jenseits zum Diesseits, aber dadurch auch die lebendige Hoffnung auf den mitleidenden und selbstleidenden Gott, der nur Neuanfänge kennt. Und der mit seinem Geist der schöpferischen Liebe hilft, das Leben noch im Lebenskampf mit empathischer Vernunft und zuversichtlichem Vertrauen zu verändern“. Und Grund zur Hoffnung gibt.

 

Viele im Gerichtssaal wurden nachdenklich, verließen ihn mit mehr Zuversicht und fingen an, ihr Leben neu zu bejahen.

 

Burkhard Budde

 

(Veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen-Lippe am 23. 5. 2020)

 

Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt

 

A strong key witness

 

Fate was sitting in the dock. It had struck unexpectedly. Brutal and hard, invisible and unfair. The judge said, "Why?" And the prosecutor pointed out the insidious destruction... And there hadn't been time to prepare for these blows.

 

Then fate said, "Yes, it's true. I have brought the hamster wheel of the driven and driven men to a halt. The treadmill of happiness has gone out of step with many. I have rattled the career ladder of success vigorously. I have succeeded in bringing the elevator of prosperity to a standstill for everyone. The escalator leading up has slowed down; the escalator leading down to the basement has accelerated. Above all, the house of cards in the lives of many is now shaking precariously or lying already destroyed on the ground."

 

But then fate looked into the auditorium of the court, where a key witness was sitting, added and seemed somewhat "disappointed": "I had a lot of success. There was only one person I couldn't really handle. At the latest when I finally wanted to drive her into the desert of senselessness and powerlessness, of fear and despondency, of distrust and aggression, she approached me courageously and at the same time reasonably. Curious, the judge asked fate who this person was. And the prosecutor rubbed his eyes so as not to miss the answer.

 

Then fate, somewhat embarrassed, pointed to the key witness, took a deep breath and replied, "It's hope."

 

Further questioning of the principal witness did indeed reveal that the faithful companion "Hoffnung" could not be brought to her knees despite the many blows of fate. She had not put people off with cheap promises, nor had she seduced them into spiritual self-deception with gullible wishful thinking, nor had she made it possible for them to flee into the ideal world of peace of mind.

 

But hope itself had participated in painful labour pains and at the same time in the expectation of new beginnings - like a woman in childbirth.

 

"And what was her personal anchor?" the judge asked the key witness. "Unfortunately, I have seen people drown on the sea of life, although a lifeboat was visible and nearby. Because they did not believe in me", the crown witness explained and introduced herself more precisely: "I am only the bond from the hereafter to the here and now, but through this also the living hope in the compassionate and self-suffering God who only knows new beginnings. And who, with his spirit of creative love, helps to change life with empathic reason and confident trust while still in the struggle for life". And gives reason for hope.

 

Many in the courtroom became thoughtful, left him with more confidence and began to affirm their lives anew.

 

Burkhard Budde

 

(Published in the Westfalen-Blatt in Ostwestfalen-Lippe on 23. 5. 2020)

 

 

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)

Spiritueller Impuls

 

Garten der Natur

 

lebt und liebt,

wächst und blüht,

verwildert und überwuchert,

leidet und stirbt.

 

Und öffnet doch der Seele

das Labyrinth zur Frucht neuen Lebens,

weil unendliche Energie alle endliche Energie

geheimnisvoll und kräftig durchwaltet.

 

Burkhard Budde

Spiritual impulse

Garden of nature

lives and loves,
grows and blossoms,
wild and overgrown,
suffers and dies.

And yet opens the soul
the labyrinth to the fruit of new life,
because infinite energy all finite energy
mysterious and powerful.

Burkhard Budde

Mehr wissen – besser verstehen

 

Christi Himmelfahrt

Das Fest Christi Himmelfahrt, das am 40. Tag nach Ostern gefeiert wird, erinnert an den endgültigen Abschied und die unwiderrufliche Trennung des gekreuzigten, gestorbenen und auferstandenen Jesus von der Erde in den Himmel, in den unsichtbaren und unerreichbaren Teil der göttlichen Schöpfung.

 

Zur Geschichte:

Jesus wird nach dem Bericht der Apostelgeschichte des Lukas vor den Augen der Jünger von einer Wolke zusehends aufgehoben und „in den Himmel aufgenommen“ – wie zwei Männer in weißen Kleidern den Jüngern anschließend erläutern. (vgl. Apg 1, 9-11)


Die „Entrückung Jesu“ - „Und da er sie segnete, schied er von ihnen.“ (Lk 24, 51) - geschah nach dem Bericht der Apostelgeschichte nachdem Jesus 40 Tage seinen Jüngern erschienen war und ihnen Weisung durch den Heiligen Geist gegeben hatte. „Und er redete mit ihnen vom Reich Gottes.“ (Apg 1, 3b) Die Jünger, Augenzeugen des irdischen Wirkens Jesu, sollten zugleich Zeugen der Auferstehung Jesu sein – in der Öffentlichkeit und „bis an das Ende der Welt“ (Apg 1, 8b). Und der Heilige Geist war als Lebenskraft sozusagen der Motor ihres Zeugendienstes.


Die „Erhöhung Jesu“ – „Und der Herr, nachdem er mit ihnen geredet hatte, ward er aufgehoben gen Himmel und setzte sich zur rechten Gottes.“ (Mk 16, 19) – geschah, um am unsichtbaren und sichtbaren Wirken Gottes im Himmel und auf Erden durch den Heiligen Geist teilzuhaben.


Der Evangelist Lukas berichtet, dass die Himmelfahrt Christi am Auferstehungstag in der Nähe Bethaniens sozusagen als Abschluss des Lebens Jesu stattgefunden habe; in seiner Apostelgeschichte ist von der Himmelfahrt erst  nach 40 Tagen am Ölberg die Rede, sozusagen als Anfang der Zeit der Kirche, um sie mit der Zeit Jesu zusammenzuführen.

Zunächst feierten die Christen am Pfingstfest die Himmelfahrt Christi mit; seit 370 wurde es ein eigenständiges Fest 40 Tage nach Ostern.

 

Zur Bedeutung:

Der sichtbare Himmel – englisch „sky“ – kann vom unsichtbaren Himmel – englisch „heaven“ – unterschieden werden. Gleichwohl gibt es einen allumschließenden Zusammenhang: Der naturwissenschaftliche Himmel um einen Menschen herum kann die Augen für die schöpferische Hand Gottes öffnen; der religiöse Himmel in einem Menschen kann eine Triebfeder für die Suche nach den Gesetzen der Natur sein. Kein Himmel hat eine Rückseite oder ist ein Gegenstand, um den man herumgehen kann. Jeder Himmel ist nah und zugleich fern. Der Himmel als Horizont der Erde und die Erde als Abglanz des Himmels sind nicht voneinander zu trennen.


Jesus Christus hat die Tür zum unsichtbaren Reich Gottes im sichtbaren Horizont der Welt geöffnet. Der Geist Christi wohnt nicht nur am unsichtbaren Sitz Gottes oder der Engel, auch nicht nur am Aufenthaltsort der seligen Toten oder am Ort der ewigen Glückseligkeit und des göttlichen Lichtes, sondern er wirkt erfahrbar in der sichtbaren Welt durch das Wort Gottes, die göttlichen Sakramente und seine Zeugen.


Himmelfahrt bedeutet „Jesus ist im Himmel - bei Gott“. Das Fest Christi Himmelfahrt lädt ein, an die unendlichen und grenzenlosen Möglichkeiten Gottes jenseits der endlichen und begrenzten Möglichkeiten der Menschen zu glauben. Und das Wirken des Geistes Christi schon hier auf der Erde zu entdecken. Um sich vom Geist der Liebe von himmlischen Kräften der Vernunft bewegen zu lassen.

Burkhard Budde


Per Fahrrad von Bad Harzburg nach Goslar

 

Blick vom Maltermeister Turm

 

Auf der Panoramaterrasse ; rechts Prof.Dr. Reza Asghari


Der Maltermeister Turm, der um 1500 auf einer Halde 419m ü.NN am Hang des Rammelsberges errichtet wurde,

ist wahrscheinlich die älteste erhaltene Tagesanlage Deutschlands.

 

Von hier aus konnten die Gruben des Rammelsberges überwacht werden. In der Zeit von 1578 bis 1804 diente der „Anläuteturm“ dazu, mit einer Glocke den Schichtbeginn im Bergwerk anzukündigen oder vor Angreifern zu warnen.

Den Namen erhielt der Turm vom Maltermeister, der seit Mitte des 18. Jahrhunderts in ihm wohnte und das für den Bergbaubetrieb benötigte Holz verwaltete. Für eine Tonne Erz benötigte man über einen Kubikmeter Holz; jährlich wurden für die Erzgewinnung im Rammelsberg etwa 6000 Malter verbraucht.

Seit 2004 ist der Maltermeister Turm eine Berggaststätte. Von der Panoramaterrasse gibt es einen faszinierenden Blick auf Goslar – dem alten Bergbauort (979) und der Kaiserpfalz, der Geschichts- und Kulturstadt am Harz mit etwa 51 000 Einwohnern.

 

(Quelle: www.maltermeister-turm.de)


Auf ein Wort

 

Gefährliche Lockrufe

 

Sie sind verlockend, aber auch gefährlich: Lockrufe können sich bezaubernd anhören, aber auch ins Unheil führen. Die „Sirenen“ lockten von ihrer Insel aus Seeleute, die mit ihrem Schiff vorbeifuhren, mit verzückendem Gesang, um sie ins Verderben zu stürzen.

Odysseus jedoch, der legendäre griechische Held, wusste sich zu helfen: Das spätere Vorbild vieler Herrscher, das vorausdachte und nach rettenden Lösungen suchte, verstopfte seinen Begleitern die Ohren mit Wachs und ließ sich selbst an den Mast seines Schiffes fesseln. Und alle überlebten die tödliche Versuchung.

 

„Sirenen“ sind heute keine göttlichen Mischwesen aus Vogel- und Mädchenleibern, wohl aber Lockrufe fanatischer Hassprediger und verlogener Tugendwächter oder auch die Stimmen, die selbstbezogene Menschen in ihrem Innern vernehmen.

Und gefährdeten Ahnungslosen, aber auch Uneinsichtigen, Lernverweigerern und Unvernünftigen werden heute angesichts allgemeiner Gefahren oder aktueller Notsituationen kein Wachs in die Ohren gestopft. Wohl aber zwingt das geltende Recht, sich nicht von „Lockrufen“ übermannen zu lassen, sondern sich „ordnungsgemäß“ und „gesetzeskonform“ zu verhalten.

Kein gegenwärtiger Herrscher kann und sollte zudem Odysseus einfach kopieren: Denn er kannte auch viele Tricks und Täuschungsmanöver, konnte zerstören und sich rächen, um Ruhm und Ehre zu erlangen. Aber seine vorübergehende Fesselung an einen „Mast“ angesichts von gefährlichen Lockrufen bleibt wohl für alle bedenkenswert.

 

Denn der Lockruf des Geizes (mit griechischem Namen „Avaritia“), nur an sich zu denken, nicht zu teilen, kann sehr einsam und lieblos machen.

Der Lockruf des Neides („Invidia“), immer nur zu vergleichen, andere zu bremsen und sich damit auch selbst zu beschädigen, kann sehr bitter und geistlos machen.

Der Lockruf des Hochmutes („Superbia“), zu meinen nur allein die Wahrheit zu besitzen, sich deshalb über andere zu erheben, kann sehr schwärmerisch und realitätslos machen.

Der Lockruf der Wollust („Luxuria“), sich nur an den Augenblick zu fesseln und nicht auch an die Folgen zu denken, kann sehr egoistisch und hemmungslos machen.

Der Lockruf der Völlerei („Gula“), nur gierig zu sein und sein Selbst zu vergessen, kann sehr krank und maßlos machen.

Der Lockruf des Zorns („Ira“), nur unbeherrscht zu sein und sein Selbst zu verlieren, kann sehr schwach und haltlos machen.

Der Lockruf der Melancholie („Acedia“), nur alles negativ und selbstbemitleidend zu betrachten, kann sehr dünnhäutig und leidenschaftslos machen.

Eine vorübergehende (Selbst-) Fesselung aus guten Gründen – also keine Zwangsfesselung auf Dauer – kann Sinn machen. Aber auch eine freiwillige Bindung aus Einsicht in verschiedenen Situationen schafft Raum für neue Möglichkeiten und Freiheiten: Aus Geiz wird dann teilende Großzügigkeit, aus Neid anerkennende Wertschätzung, aus Hochmut menschliche Demut, aus Wollust leidenschaftliche Zärtlichkeit, aus Völlerei genussvolles Entdecken, aus Zorn empathische Gerechtigkeit, aus Melancholie verantwortungsbewusste Lebensfreude.

 

Auch moderne Sirenen spielen oft nicht mit offenen Karten, sind verlogen und hinterhältig, indem sie sozusagen im Vorübergehen flüstern: „Willst du im Land der Freien als Gefangener leben?“ Wer seine Freiheit jedoch an den Mast der Verantwortung gebunden weiß, kann als gebundener Freier leichter verführerischen und zugleich zerstörerischen Lockrufen widerstehen. Und auf dem Meer des Lebens Kurs halten, frei zur Liebe in Würde und Menschlichkeit sein.

Burkhard Budde

 

(veröffentlicht auch im Wolfenbütteler Schaufenster

am 17.5.2020)

 


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt

 

Kostbare Lebenszeit

 

Das Zeit- und Lebensgefühl kann gestört werden. Wenn die innere Lebensuhr ungewöhnlich laut oder unheimlich leise sowie gleichzeitig unaufhörlich tickt, verbreitet sie bei vielen Angst und Schrecken. Düstere Gedanken und mulmige Gefühle können dann Antriebskräfte lähmen, wehleidig und traurig machen, manchmal aber auch aggressiv und aufbrausend: Werde auch ich von einer unsichtbaren, unbekannten und unberechenbaren Gefahr bedroht? Wird mir die gewohnte Kontrolle über meine kostbare Lebenszeit genommen?

 

Weder das Lecken eigener Wunden noch die Suche nach Sündenböcken noch Selbstgenügsamkeit noch Panik scheinen weiterzuhelfen. Vielleicht aber ist es ein Versuch wert, sich Zeit für die „Zeit“ zu nehmen. Und zwar ohne Zeitdruck und Vorurteile, sondern mit Offenheit und Neugierde.

 

Stellen wir uns einmal eine Sanduhr vor, die aus zwei miteinander verbundenen Glaskolben besteht. Sand fließt durch den jeweiligen Hals eines Kolbens durch ein Loch in den anderen Kolben. Der Sand – die Lebenszeit - ist ständig in Bewegung und kann auch von „Zeitdieben“ oder „Zeitverschwendern“ nicht angehalten werden. Die Lebenszeit, weil sie unaufhaltsam weniger wird und nicht vermehrt werden kann, bleibt kostbar. In der „Engführung“ verschwindet sie jedoch nicht im Nichts, sondern hier fallen Sein und Nichtsein, Nichtsein und Neusein zusammen.

 

Wenn die Lebenszeit nicht auf gedankenlosen Treibsand gebaut ist, ein jegliches seine Zeit hat, kann ein Mensch auch in der Zeit einer Krise die Gelegenheit beim Schopfe greifen: Zum Beispiel innere Freiheit durch Selbstkritik und Demut zu entwickeln, Wichtiges vom Unwichtigen zu unterscheiden lernen, Mitgefühl und Besonnenheit zu gewinnen. Und vielleicht auch die neue Weisheit zu entdecken, dass der Strom der Zeit keine Art Kreislauf oder Wiederkehr des Immergleichen ist, sondern in eine offene und unbekannte Zukunft mündet. Dass Endlichkeit und Vergänglichkeit jedoch stets Ursprung des Neuanfangs und der Erneuerung sind.

 

Und dass es sinnvoll erscheint, vertrauens- und verantwortungsvoll in der geschenkten und verbliebenen Zeit aktiv, positiv, konstruktiv und kreativ zu warten – auf eine Ewigkeit, in der kein Sandkorn verloren geht und ein Mensch als geliebtes Samenkorn vom Schöpfer der Lebensuhr vollendet wird.

 

Burkhard Budde

 

(erschienen im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen-Lippe am 16.5.2020)

 

Spiritual impulse

 

Precious lifetime

 

The sense of time and life can be disturbed. If the inner clock of life is unusually loud or incredibly quiet and at the same time ticking incessantly, it spreads fear and fright in many people. Dark thoughts and queasy feelings can then paralyse driving forces, make you snivell and sad, but sometimes also aggressive and quick-tempered: Am I too threatened by an invisible, unknown and unpredictable danger? Will I be deprived of my habitual control over my precious life time?

 

Neither licking one's own wounds nor the search for scapegoats, nor self-sufficiency nor panic seem to help. But maybe it is worth a try to take time for "time". And without time pressure and prejudices, but with openness and curiosity.

 

Let us imagine an hourglass consisting of two glass flasks connected to each other. Sand flows through the respective neck of one flask through a hole in the other flask. The sand - the lifetime - is constantly in motion and cannot be stopped even by "time thieves" or "time wasters". Lifetime, because it is inexorably decreasing and cannot be increased, remains precious. However, in "narrowing" it does not disappear into nothingness, but here being and not-being, not-being and new-being coincide.

 

If life time is not built on thoughtless quicksand, if each one has its time, a human being can seize the opportunity even in the time of crisis: For example, developing inner freedom through self-criticism and humility, learning to distinguish the important from the unimportant, winning compassion and level-headedness. And perhaps also the new wisdom to discover that the stream of time is not a kind of cycle or return of the always the same, but flows into an open and unknown future. But that finiteness and transience are always the origin of new beginnings and renewal.

 

And that it makes sense to wait actively, positively, constructively and creatively in a trusting and responsible manner in the time that is given and remains - for an eternity in which not a grain of sand is lost and a human being is completed as a beloved seed by the Creator of the Clock of Life.

 

Burkhard Budde

 

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)


Warum Susanne Gaschke aus ihrer Partei ausgetreten ist

Sie kritisiert auch den Umgang mit ihrem Mann Hans-Peter Bartels


Dazu ein Leserbrief:

 

"Nachdem ich den Artikel „Warum ich aus der SPD austrete“ in DIE WELT vom 7.Mai 2020 gelesen habe, möchte ich der Verfasserin Susanne Gaschke für ihre Offenheit sowie ihren Mut danken:

 

Sie hat aus eigenen leidvollen Erfahrungen keine „Mördergrube“ gemacht, sondern einen persönlichen Beitrag zur notwendigen Transparenz und Erneuerung einer Partei und damit auch unserer Demokratie geleistet.

 

Wenn es (fast) nur noch um persönliche Machtspiele, um Machterwerb und Machterhalt, um Machtinsignien und Machtphantasien geht, wird die Demokratie mit ihren Parteien und Institutionen zu einem abschreckenden Eisberg. Seine glänzende Spitze ist zwar über der Oberfläche zu sehen, darunter bildet sich aber eine unsichtbare gefährliche Masse insbesondere von hemmungsloser Maßlosigkeit, eitler Verlogenheit und gieriger Selbstermächtigung, die sich auf das Sichtbare – das öffentliche Leben - nachhaltig negativ auswirkt.

Spielregeln wie Fairness und Qualifikation werden gnadenlos verletzt, wenn ein geeigneter Akteur nicht brav mitspielt oder dem Spiel der Mächtigen im Wege steht. Und Spielfiguren, die das Spiel mitmachen, weil Karriere und Pfründe locken, werden zu abhängigen Spielbällen von Spielern mit gezinkten Karten.

 

Doch alle Parteien sollten sich vergegenwärtigen: Wer mit öffentlichen Ämtern parteipolitisch spielt, verspielt nicht nur in der Öffentlichkeit Vertrauen und Glaubwürdigkeit, sondern beschädigt sowohl das Amt als auch den Amtsträger. Und verliert auf Dauer und am Wahltag das Spiel, von dem sich Zuschauer und qualifizierte Nachwuchsspieler abwenden und von dem sich aktive Mitspieler verabschieden, die eigentlich für ein faires und gerechtes Spiel zugunsten einer öffentlichen Aufgabe gebraucht werden.

 

„Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken“, heißt ein Sprichwort: Wir brauchen mehr unabhängige, freie und selbstständig denkende Persönlichkeiten wie Hans-Peter Bartels oder wie den verstorbenen Axel Springer oder auch wie die Autorin, die noch Ideale, Prinzipien und Rückgrat haben, Schmerzgrenzen und Anstand kennen, die morgens in den Spiegel schauen können. Und bei denen sich das Prinzip „Verantwortung für das Gemeinwohl“ in der (partei-) politischen Praxis nicht wie Zucker im Tee auflöst – oder den Tee, den politischen Betrieb, ungenießbar macht. Die Person mit ihren Prägungen und Überzeugungen auf der einen Seite und die Sache und Aufgabe auf der anderen Seite vorurteilsfrei unterscheiden können – wie es der Springer-Verlag vorbildlich bei der Einstellung der Journalistin und ehemaligen OB von Kiel Susanne Gaschke praktiziert hat.

 

Gibt es Trost und zugleich Hoffnung? Vielleicht ist doch jede Enttäuschung die Befreiung von einer Täuschung und der gereifte Beginn eines neuen, weil befreiten Lebens. Und die Liebe, die wichtiger ist als alle Karriere und einem Leben auch jenseits einer Partei Erfüllung und Glück schenkt, bleibt."

 

Burkhard Budde

 

(Leserbrief an DW vom 7. Mai 2020;

Ausschnitt veröffentlicht am 11. Mai 2020)


Spiritueller Impuls im Westfalen-Blatt am 9.5.2020

 Der unsichtbare Begleiter


Täuscht die beschauliche Idylle? Ein Schäfer mit Wanderstab, begleitet von seinen Hunden, beobachtet seine Schafe auf einer Weide.

 

Lädt dieses Naturbild zu einem frommen Schäferstündchen ein, um sich vom Schrecken des Alltags zu erholen? Oder gar zu einer lammfrommen Spiegelfechterei, um sich selbst oder andere zu belügen?

 

In Wirklichkeit gibt es nichts, was es nicht gibt: Schafe flüchten vor den Wölfen ins Dickicht der Selbstgenügsamkeit. Andere passen sich an und heulen mit den Wölfen, erkennen nicht die Wölfe in Schafsfellen und stürzen in Abgründe. Oder verwandeln sich innerlich selbst in Wölfe, werden gnadenlos und herzlos.

 

Manche sind achtsam, wenn Lämmer oder andere wehrlose Schafe von „Schwarzen Schafen“ misshandelt werden und schlagen Alarm. Wieder andere spielen sich wie bissige Hunde auf, wenn Schafe aus einer Nachbarherde auf ihrer Wiese grasen wollen.

 

Bei drohender Gefahr verdächtigen sich lammfromme Schafe untereinander, stellen andere gerne bloß, zur Rede oder sogar an den Pranger, wenn sie sich nicht „lammfromm“ oder „perfektionistisch“ verhalten. Am schlimmsten erscheinen jedoch die selbsternannten „Hirten“ der Herde, die den Hirtenmantel einer Übermoral tragen, um darunter ihre eigenen Schwächen und Ängste zu verbergen. Und die am liebsten alte und kranke Schafe oder Schafe mit Beeinträchtigungen aussortieren und in den Fluss treiben würden. Und blöken, den Tod anderer Schafe doch hinzunehmen.

 

Gut, dass es bei diesen Irrungen und Wirrungen einen „Guten Hirten“ gibt: Keinen Zauberer mit Zauberformeln; keine Machtfigur, die lustvoll Macht an Machtlosen zelebriert; keine Moraltante, die ihre Nase hochnäsig in die Angelegenheiten anderer steckt.

 

Sondern einen unsichtbaren Begleiter, der in finsteren Tälern gegenwärtig ist und tröstet; der die Würde schützt, damit sie unantastbar bleibt; die innere Freiheit verteidigt, um sie nicht zu verlieren. Der weiß, dass der Splitter im Auge des anderen schmerzhaft ist. Aber der Balken im eigenen Auge entdeckt werden kann. Der auf Vertrauen, Hoffnung und Liebe setzt, weil er  keine Schreckensherrschaft der Hunde, sondern neues Leben in Würde und Freiheit ermöglichen will.

 

Auch durch Regeln wie „Nähe durch Distanz in Verantwortung“, die vernünftig sind und Sinn stiften, weil sie sowohl der zu versöhnenden Einheit in Vielfalt als auch einem funktionierendem Lebensraum dienen. Und die im Bewusstsein der Verantwortung vor dem „Guten Hirten“ und der Herde gelebt werden, manchmal auch mit Schafsgeduld.

 

Burkhard Budde

 

(veröffentlicht im Westfalen-Blatt in Ostwestfalen-Lippe am 9.5.2020)

 

Spiritual impulse in the Westfalen-Blatt on 9.5.2020

 

The invisible companion

 

Is the tranquil idyll deceptive? A shepherd with a walking stick, accompanied by his dogs, watches his sheep in a pasture.

 

Does this picture of nature invite you to a pious shepherd's hour to recover from the horrors of everyday life? Or even to a pious fencing match, to lie to yourself or others?

 

In reality there is nothing that does not exist: Sheep flee from the wolves into the thicket of self-sufficiency. Others adapt and howl with the wolves, not recognizing the wolves in sheepskins and falling into abysses. Or transform themselves inwardly into wolves, become merciless and heartless.

 

Some are mindful when lambs or other defenseless sheep are mistreated by "black sheep" and sound the alarm. Still others act up like biting dogs when sheep from a neighbouring flock want to graze on their meadow.

 

In case of imminent danger, lamblike sheep suspect each other, like to expose, confront or even pillory others if they do not behave "lamblike" or "perfectionist". But the worst appear to be the self-proclaimed "shepherds" of the flock, who wear the shepherd's cloak of immorality to hide their own weaknesses and fears. And who would prefer to sort out old and sick sheep or sheep with impairments and drive them into the river. And bleat to accept the death of other sheep.

 

Good thing there's a "Good Shepherd" in all these trials and tribulations: No sorcerer with magic formulas; no power figure who lustfully celebrates power to the powerless; no moral aunt who stuck her nose in the affairs of others.

 

But an invisible companion who is present and consoles in dark valleys; who protects dignity so that it remains untouchable; who defends inner freedom so that it does not get lost. Who knows that the splinter in the eye of the other is painful. But the beam in his own eye can be discovered. The one who relies on trust, hope and love, because he does not want the dogs' reign of terror, but wants to enable new life in dignity and freedom.

 

Also through rules like "closeness through distance in responsibility", which are reasonable and make sense, because they serve both the unity in diversity to be reconciled and a functioning living space. And which are lived in the awareness of responsibility before the "Good Shepherd" and the flock, sometimes also with sheep patience.

 

Burkhard Budde

 

(published in the Westfalen-Blatt in Ostwestfalen-Lippe on 9.5.2020)

 

 

Translated with www.DeepL.com/Translator (free version)


Auf ein Wort

 

Mutter ehren?!

 

Es klingelte an der Haustür. „Ja, bitte. Wer ist da?“ ertönte eine weibliche Stimme aus der Sprechanlage, etwas leicht verschnupft und zerkratzt. „Mama, bist Du es?!“ erwiderte eine etwas verlegen klingende Stimme. „Ich möchte dich besuchen.“

 

Seit vielen Jahren herrschte Funkstille zwischen Mutter und Tochter, obwohl sie an der gleichen Straße wohnten. Nur ein Haus trennte ihre Wohnhäuser voneinander. Aber jetzt in der Corona-Krise hatte die Mutter einen Brief an ihre Tochter geschrieben und sie „trotz Corona“ zum Kaffee eingeladen. „Geht gar nicht“, dachte die Tochter, als sie angefangen hatte den Brief zu lesen. „Das hätte sie sich früher überlegen sollen.“

 

Doch dann las sie weiter: „Was habe ich falsch gemacht, dass du kein Lebenszeichen von dir gibst? Ich bitte Dich mir zu verzeihen. Häufig denke ich an deine Geburt zurück. Dein verstorbener Vater und ich waren sehr, sehr glücklich. Später hingst du als unser Nesthäkchen an meinem Rockzipfel und kämpftest um Aufmerksamkeit und Zuwendung. Habe ich dir davon zu wenig geschenkt? Dein Vater und ich haben versucht, dich liebevoll zu erziehen. Wir wollten gute Eltern sein, Vorbilder, aber vielleicht waren wir nur selbstgerechte Moralapostel. Du wirst dich an unseren Satz erinnern „Ehrlich währt am längsten“, als du die Schule schwänzen wolltest. Oder an den Satz „Jede gute Tat findet ihren Lohn in sich selbst“, als du unzufrieden warst, weil keiner deine Einsätze bei der Organisation von Konzerten gelobt hatte. Haben wir versucht, dich in eine falsche Richtung zu ziehen, als wir dir geraten haben, doch einen anderen Beruf zu wählen? Ich bitte dich auch um Entschuldigung, dass ich meinen Mund nicht halten konnte, nachdem du uns deinen jetzigen Mann vorgestellt hattest. Es war falsch von mir. Ich hätte lieber schweigen sollen. Aber ich wollte spontan nur dein Bestes. Wie kann ich es wieder gutmachen?

 

Ich weiß nicht, wie lange ich noch leben werde. Wir können über alles sprechen, wenn du willst. Aber auch alles nach so vielen Jahren einfach auf sich beruhen lassen oder begraben. Und uns in die Augen sehen, weil wir uns ja wegen Corona nicht in die Arme nehmen sollen. Und gemeinsam ein Stück Kuchen essen. Deine Mutter.“

 

Die Tochter war eigentlich mit „Corona“ beschäftigt, hatte Angst, ihren Job zu verlieren und litt darunter, auf viel Gewohntes, Schönes und Beglückendes verzichten zu müssen. Doch die Krise hatte ihr auch die Augen ge